Lied der Bindungsphobiker

  • Lied der Bindungsphobiker


    Wir vermeiden das Entscheiden,
    und wir legen uns nicht fest,
    denn wir streben nach dem Leben,
    das uns jede Freiheit lässt,


    haben mehrere Optionen,
    halten viele Türen auf,
    lassen alles in der Schwebe
    und dem Schicksal seinen Lauf.


    Wir ernähren uns von Träumen
    und wir leben vom Vielleicht,
    saugen Honig aus den Wolken,
    und wir tun, als ob das reicht,


    haben Bammel vor Enttäuschung,
    vor Verletzung und Verlust,
    wir befürchten Langeweile,
    Stagnation und Alltagsfrust,


    haben Angst vor zu viel Nähe,
    denn was nah ist, ist auch eng,
    und darum ist auch unser Maßstab
    ans Ideal besonders streng.


    Und so warten wir und suchen
    unsern quergestreiften Klee,
    und wir hoffen unbeirrbar
    auf das Wundergrün im Schnee.


    Und dann kommen wir in die Jahre,
    und dann blicken wir zurück,
    und wir wiegen unser Leben
    und vermessen unser Glück,


    ziehn die Fakten in Erwägung
    und die Chancen in Betracht
    und bemerken etwas traurig:
    Wir hamm nichts daraus gemacht!


    Quelle:


    Jörn Heller, Singelingeling. Junggesellenlyrik, JHV, Siegen 2009

  • Hi Flüchtling
    Gefällt mir, ich finde es sehr gut getroffen - ausser die letzten beiden Strophen, das ist mir noch zu weit entfernt...
    Bist du der Autor, wie hier kolportiert wird?
    Grüsse, Yolande

  • Hallo Flüchling,


    ja, auch die beiden letzten Strophen kann ich durchaus nickend lesen wenn ich an meinen Ex denke, er ist ja schon "in den Jahren" und so wie er lebt ist es wirklich ein "sich Verstecken" und ein wirklich sinnloses Leben mit allen, wirklich allen negativen Konsequenzen.


    Er hat das selbst zu verantworten und ich finde es ganz o.k. :wink:

  • toll! :applause:
    vor dem ende habe ich angst.
    auch wenns weit weg erscheint, die zeit geht so schnell daher.

    Wir streben mehr danach, Schmerz zu vermeiden, als Freude zu gewinnen.
    (Sigmund Freud)