Bindungsangst besser verstehen und einen Umgang damit finden

  • Bindungsangst besser verstehen und einen Umgang damit finden


    Haben Sie das Gefühl, dass die Angst vor zu großer Nähe in Ihrer
    Beziehung eine Rolle spielt? Sehr häufig leiden Beziehungen unter
    der Angst eines Partners oder auch beider Partner, sich zu sehr
    festzulegen und zu binden.


    Die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen aufzubauen, sich in einer
    Beziehung sicher und geborgen zu fühlen und auch dem Partner
    Sicherheit zu vermitteln, ist eine psychische Ich-Funktion und wird
    schon in der allerfrühsten Kindheit entwickelt und gefördert in der
    Mutter-Kind Beziehung. Die Bindungsfähigkeit reift, wenn das Kind
    sich in der Beziehung gesehen, geschützt und wohl fühlen kann. Wenn
    es die Sicherheit bekommt, dass auf seine Bedürfnisse eingegangen
    wird und es nicht alleine gelassen wird.


    Wenn Kinder diese Erfahrung nicht machen können, oder aber nicht
    ausreichend, aber auch wenn man im Erwachsenenalter viele unsichere
    und schlechte Erfahrungen in Beziehungen erlebt, entsteht daraus
    eine Angst, die verhindert, dass Menschen vertrauensvolle,
    intensive und verbindliche Beziehungen aufbauen können.


    In diesem Fall sprechen die Fachleute von "Bindungsangst".
    Als Bindungsangst bezeichnet man eine intensive und nachhaltige
    Angst, eine enge Beziehung zu einem Partner einzugehen. Beziehungs-
    und Bindungsfähigkeit sind Eigenschaften, oder besser, psychische
    Funktionen, die notwendig sind um sich auf stabile, innige
    Beziehungen zu anderen Menschen einlassen zu können. Ist die
    Bindungsfähigkeit nicht ausreichend stabil, führt dies immer wieder
    zu Beziehunsschwierigkeiten mit anderen Menschen.


    Die Ursachen hierfür liegen, wie oben erwähnt, meist in der frühen
    Kindheit:
    Verlust einer Bezugsperson, der unerfüllte Wunsch nach Nähe und
    Geborgenheit , Konflikte der Eltern, oder aber insgesamt in dem
    Vorbild der elterlichen Beziehung. Leben die eigenen Eltern selbst
    eine distanzierte Partnerschaft oder haben eine sehr distanzierte
    Beziehung zu ihrem Kind, lernen die Kinder, sich in der gleichen
    Art und Weise anderen gegenüber zu verhalten und tragen dies eben
    auch im Erwachsenenalter mit in ihre Beziehungen.


    Das Selbstwertgefühl von Menschen mit Bindungsängsten ist häufig
    sehr gering. Sie haben eine negative Einstellung zu sich selbst.
    Sie schützen sich, indem sie niemanden wirklich an sich
    heranlassen, denn jemanden zu lieben, bedeutet, sich verletzbar zu
    machen. Und häufig ist es genau das, was so furchtbar große Angst
    macht,- verletzt zu werden. Und so wird der Wunsch nach einer
    engen, vertrauten Beziehung oft abgewehrt.


    Menschen mit Bindungsängsten haben aufgrund alter Verletzungen Angst
    vor Enttäuschungen. Ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit ist ihnen
    enorm wichtig und sie haben große Angst vor dem Verlust "ihrer
    persönlichen Freiheit" - insofern ist zu verstehen, dass zu viel
    Nähe diesen Menschen Angst machen muss! Des Weiteren kann
    Bindungsangst sich in mangelndem Verantwortungsbewusstsein
    gegenüber Familie und Freunden äußern und zu einem introvertierten
    Lebensstil führen.


    Einige Merkmale bei Menschen mit Bindungsängsten sind:


    - Der Umgang mit Gefühlen und das Ansprechen von Gefühlen
    fallen schwer.
    - Angst vor Entscheidungen und Zukunftsplanung
    - Unverbindlichkeit
    - Rückzug aus intensiven Beziehungen
    - Häufig wechselnde Partner
    - Emotionale Nähe und Rückzug wechseln sich ab
    - Hohes Sicherheitsbedürfnis


    Erinnert Sie das an Ihr Beziehungsverhalten oder das Ihres
    Partners? Dann lassen Sie uns nun betrachten, wie Sie damit umgehen
    können mit einem Partner, der unter Bindungsängsten leidet - oder
    aber was Sie tun können, wenn Sie selber Angst haben, sich auf eine
    feste und intensive Beziehung einzulassen.


    Es ist wichtig, überhaupt einmal zu wissen, dass man unter solchen
    Ängsten leidet, und dass Sie damit nicht alleine dastehen. Es ist
    gut, um die Problematik zu wissen und ein Verständnis für sich/
    oder aber den Partner zu entwickeln, und einen Zugang zu den
    Ursachen der eigenen Ängste zu bekommen.


    Wenn Sie verstehen, woher diese Ängste kommen, können Sie ganz anders
    damit umgehen und sind bereit, sich auf neue und andere Erfahrungen
    einzulassen.


    Es ist wichtig, sich auf neue, positive Erfahrungen mit Partnern
    einlassen zu können. Die Erfahrung zu machen, dass Sie so
    angenommen werden, wie Sie sind - oder eben aber dem Partner,
    welcher Angst hat, zu zeigen, dass Sie ihn so annehmen, wie er ist.


    Es gilt insgesamt bei Menschen mit Bindungsängsten, dass es um das
    Erfahren und Spüren neuer Beziehungserfahrungen geht. Um Respekt,
    Wahrnehmung, Achtsamkeit und insbesondere um das Aufbauen von
    Vertrauen. Und es ist verständlich, dass es für das Aufbauen von
    Vertrauen, um das Loslösen von alten, verletzenden und
    enttäuschenden Beziehungserfahrungen viel Zeit und Behutsamkeit
    braucht. Daher ist es wichtig, in einer Beziehung mit einem
    Menschen, der Angst vor Bindung hat, nichts zu fordern oder zu
    erwarten, sondern ihm Zeit zu geben, die Beziehung zu Ihnen nicht
    mehr als bedrohlich zu erleben.


    Es ist wichtig, ein Verständnis für den Partner, oder aber für sich
    selbst aufzubauen. Es liegt nicht an Ihnen als Partner, dass der
    Freund/ die Freundin sich nicht einlassen können, Angst bekommen
    oder den Rückzug antreten. Er oder Sie "stellt sich nicht an" oder
    handelt aus Absicht. Tatsache ist, dass Menschen, die unter
    Bindungsängsten leiden, keine guten, sicheren Erfahrungen machen
    konnten in ihrer Kindheit, und insofern auch nie lernen und spüren
    konnten, wie eine gute, intensive und sichere Bindung sein kann.
    Die Ängste, die sie erleben, sind durchaus ernst zu nehmen und
    behutsam mit ihnen umzugehen.


    Wenn Sie es schaffen, dem Partner das Gefühl von Sicherheit zu
    geben, eine vertrauensvolle und verständnisvolle Beziehung aufbauen
    und ihn nicht fordern, sondern mit seinen Ängsten wahrnehmen,
    schaffen Sie einen Basis, um neue, gute Erfahrungen zu machen und
    mit Ruhe und Zeit Gemeinsamkeit aufzubauen.


    Wenn Sie also das nächste Mal spüren, dass gerade Bindungsangst den
    Kontakt zu Ihrem Partner schwierig macht, dann denken Sie an diese
    Zeilen. Betrachten Sie die Situation in einem milderen Licht,
    anstatt mit heftigen Forderungen nach Nähe oder nach Abstand Ihren
    Partner zu verschrecken. Oft lässt sich an dieser Stelle bereits
    durch kleine Änderungen ganz viel erreichen, vor allem ein frischer
    und liebevoller Umgang mit Ihrem Partner.


    (zitiert aus Das Beraterteam)

  • Jau, seien Sie ganz Mutter Theresa, ersetzen Sie den Therapeuten - denn der hat eh so lange Wartelisten, dass das nachher noch in Zukunftsplanung, Druck oder Erwartung (und am Ende gar in Bindung!) ausarten könnte - und verzichten Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse nach Nähe und Verlässlichkeit (also auf den Grund, warum Sie die Bindung überhaupt wollen) ;)
    Dann könnte es klappen. Aber bloß nicht ungeduldig werden.


    Sorry, aber das musste mal sein.

  • Hab noch nen Zusatz fürs Beraterteam......wenn sie lange genug durchhalten, könnte es auch sein, das sie selbst irgendwann dann an leichteren Bindungsängsten leiden.
    Aber das macht nichts, denn just in diesem Moment hat sich ihr Partner meistens schon ein neues frisches Objekt angelacht und wendet sich langsam von ihnen ab.
    Wir hoffen, das sie dann ebenfalls einen geduldigen und verständnisvollen Partner finden werden, der dies alles erträgt.
    Ob das so sein wird, bleibt fraglich.
    Wenn nicht, können sie auch das Beraterteam aufsuchen.
    Alles Gute.


    Zitat

    Oft lässt sich an dieser Stelle bereits
    durch kleine Änderungen ganz viel erreichen, vor allem ein frischer
    und liebevoller Umgang mit Ihrem Partner.


    Ja, bestimmt. Glauben sie nur weiter fest daran, denn dann haben sie die einmalige Chance, viele wertvolle jahre zu veschwenden. Der frische Umgang bezieht sich übrigens darauf, das zwischen mehreren Treffen immer genügend Abstand sein muss, damit nicht zu viel innere Nähe herrscht und alles frisch wirkt. Liebevoll sollte der Umgang dennoch sein, so als wäre es eben normal, denn eigene kleine Unsicherheiten nach so langem Abstand verträgt ein BA nicht so gut, das sollten sie dann bitte auch unterlassen.

    **oft muss man erst den falschen Weg gehen, um den richtigen zu finden**

    Einmal editiert, zuletzt von wiesenblume ()

  • Danke Blueeyes,


    genau damit mache ich gerade die besten Erfahrungen.
    Man muss den BÄ trotz allem respektieren, nichts fordern, nichts erwarten, ihnen ihre Autonomie lassen und ein eigenes Leben haben.
    Das ist genau das, was man hier immer wieder von den Betroffenen liest. Da das aber für den "Partner" auf Dauer sehr schwer ist, finde ich es gut, wenn es hier ab und zu erwähnt wird um durchzuhalten.


    Bernadette

  • Ich halte diesen Rat für illusionär, außerdem zu pauschal und daher nicht zu empfehlen.
    Mag ja sein, dass man die ein oder andere gemilderte Form von Bindungsangst, die ich in einem solchen Fall allerdings eher als spezifische PTBS, sprich Misstrauen oder Vorsicht aufgrund schlechter Beziehungserfahrungen bezeichnen würde, mit Geduld und Spucke lindern kann.


    Steht hinter der Bindungsangst eine in der Persönlichkeit verankerte Interaktionsstörung, und das ist in den meisten Fällen so, dann ist diese Herangehensweise uneffektiv bis selbstschädigend für den Partner. Er bedient damit dann nur seine Rolle in einer Suchtbeziehung.


    Eine echte Beziehung beruht auf Gegenseitigkeit und echter Autonomie beider, und genau da liegt der feine Unterschied. Das Gegenüber muss "mitmachen", vertrauen und sich auf GEMEINSAME Spielregeln einlassen wollen. BÄs tun dies in der Regel nicht, sie können es einfach nicht - da sie ihren Ängsten auf irrationale und unbewusste Weise ausgeliefert sind.


    Hier wird wohl von vielen leider wieder nur hinein interpretiert, dass man sich voll und ganz zurücknehmen muss, um das Ziel zu erreichen.
    Keine Erwartungen stellen, nichts fordern, jegliches Verhalten tolerieren ("trotz allem respektieren"), vorgeben man sei mit sich selbst beschäftigt während man doch permanent zum anderen rüberschielt.
    Auf die Art kann man tatsächlich wunderbar eine Nicht-Bindung leben.
    Denn statt einer Bindung lebt man mit der "Hoffnung auf eine Bindung in spe".
    Man kann sich insgeheim vormachen, dass die Liebe, die man einseitig empfindet, so überaus stark und tief (und einzigartig!) ist, dass sie nur lange und altruistisch genug bestehen bleiben muss, um vom Gegenüber erwidert zu werden. Im Grunde ganz schön narzisstisch.
    Aufwachen wäre unangenehm, denn dann muss man sich die eigene Machtlosigkeit gegenüber einer Realität eingestehen, die man nicht wahr haben möchte.


    Übrigens ist es auch eine hervorragende Art, statt echter Verantwortung eine Pseudo-Verantwortung für sein eigenes Leben und Wohlergehen zu übernehmen. Noch dazu ganz im Dienste des Bindungsgestörten, der auf diese Art seine "Bindungsangst" unbehelligt weiter ausleben kann, das geht in Extremfällen hin bis zur Ausbeutung des Partners, der das, sich selbst erhöhend im Kostüm des Retters, zulässt. In Wahrheit ist er doch nur derjenige, der sich anpasst und davon lebt, dass von der scheinbar reichgedeckten Tafel etwas herunter plumpst. Irgendwann wird der BÄ ja die "autonome" Bescheidenheit und ergebene Loyalität des "Möchte-gern-Partners" bemerken, ihn für vertrauenswürdig halten und zu Tisch bitten. Blöd, wenn man diesen Selbstbeschiss nicht irgendwann durchschaut.


    Es gibt übrigens Menschen, die sagen, dass die Einstellung "man muss" die sicherste Art ist, sein eigenes Leben eben NICHT zu leben.
    Stattdessen kann man aber getrost "durchhalten", wenn man sich damit lebendiger oder wertvoller fühlt. ;)

  • Zitat von Tinadreena


    Auf die Art kann man tatsächlich wunderbar eine Nicht-Bindung leben.


    Stimmt: Dieses Beziehungsmodell könnte eigentlich auch als Königsweg für eine Verbindung zwischen aktivem und passivem Bindungsvermeider beschritten werden: Der aktive Teil kann und wird sich nicht auf eine konstante Bindung einlassen. Der passive Teil nimmt seine (angeblichen) Forderungen nach dauerhafter Bindung hübsch zurück und bleibt ganz bei sich. Offen verzichtet der passive Teil absolut altruistisch auf Konstanz und eigene Forderungen. Verdeckt verzichtet der passive Teil, weil er selbst sich nicht dauerhaft binden kann und will.


    Alleine das oberste Gebot, ganz bei sich zu bleiben, dürfte für einen passiven Beziehungsvermeider (natürlich unbewusst) recht "einladend" sein.

  • Zitat von Nestor

    Alleine das oberste Gebot, ganz bei sich zu bleiben, dürfte für einen passiven Beziehungsvermeider (natürlich unbewusst) recht "einladend" sein.


    Nestor, hast mal wieder ne Punktlandung geschafft ;)

  • Zitat von Nestor

    Verdeckt verzichtet der passive Teil, weil er selbst sich nicht dauerhaft binden kann und will.


    Es müsste eigentlich heißen: weil er sich selbst dauerhaft nur "nicht-binden" kann und will.


    Denn eines muss man dieser Form von Bindungsvermeidung lassen: sie ist dauerhaft. ;)

  • Super!! Mehr kann man, glaub ich, nicht dazu sagen!
    Ich bin absolut der gleichen Meinung wie Nestor und Tina.


    Bernadette, viel Glück und "Durchhaltevermögen", denn mehr braucht man dem anderen eigentlich in so einer Beziehung nicht wünschen.

    Zitat

    Man muss den BÄ trotz allem respektieren, nichts fordern, nichts erwarten, ihnen ihre Autonomie lassen und ein eigenes Leben haben


    Wenn DAS die Wunschvorstellung deiner Beziehung ist, dann tust du mir wirklich und das meine ich echt ernst, leid.

    **oft muss man erst den falschen Weg gehen, um den richtigen zu finden**

  • Zitat von blueeyesdeluxe

    Die Bindungsfähigkeit reift, wenn das Kind sich in der Beziehung gesehen, geschützt und wohl fühlen kann. Wenn es die Sicherheit bekommt, dass auf seine Bedürfnisse eingegangen wird und es nicht alleine gelassen wird.


    Das möchte ich nochmal hervorheben, da ich es bezeichnend finde.
    Es heißt, in der Liebe sind wir alle Kinder (das wird viel zitiert, sogar in Weltreligionen).
    Jemand, der obiges ausreichend als Kind erfahren hat, der wird niemals selbständig auf die Idee kommen, dass er entgegen seinen Bedürfnissen (primär dem nach Akzeptanz und Geborgenheit) leben muss, um eine Liebesbeziehung herzustellen oder aufrecht zu erhalten.


    Wer also ab dem Zeitpunkt, wo er bewusst feststellt, dass er vom Gegenüber nicht um seiner selbst willen angenommen und geliebt wird, und dass ihm eben kein Respekt, kein Halt und keine Bereitschaft, auf seine Bedürnisse einzugehen, entgegengebracht wird (sprich, wer keine Liebe erfährt), wer dann durch Anpassung hofft, doch noch geliebt zu werden, der macht sich mit hoher Wahrscheinlichkeit was vor ;).


    Ich hab mal eine Parabel gelesen, da ging es um einen Mann, der im Licht einer Strassenlaterne suchend umherläuft. Ein Passant spricht ihn an: was machen sie denn da? Er: ich suche meinen Schlüssel. Der Passant: und den haben sie hier verloren? Der Mann: nein, aber hier ist es zumindest hell genug, dass ich was sehen kann.

  • Zitat

    Wenn DAS die Wunschvorstellung deiner Beziehung ist, dann tust du mir wirklich und das meine ich echt ernst, leid.


    Ich habe nicht von Beziehung gesprochen.
    Eine Beziehung ist so nicht möglich, das ist mir auch klar.
    Und selbstverständlich muss man Grenzen setzen und nicht alles mit sich machen lassen.
    Trotzdem nervt es mich, wie abwertend hier immer wieder über die Betroffenen geschrieben wird. Sorry, aber das sind manchmal auch liebenswerte Menschen, die Hilfe brauchen :cry:


    Bernadette

  • In dem Text ging es aber um Beziehung und den Begriff "Partner" setze ich gewöhnlich dann ein, wenn ich eine Beziehung zu diesem Menschen habe oder haben möchte oder eben immer mal wieder habe.


    Ja, die brauchen Hilfe ( falls sie leiden ) aber die kann nicht von dem Menschen gegeben werden, der gerne eine Beziehung zu diesen Menschen hätte. Ist einfach so. Das oben geschriebene ist eine Wunschvorstellung, die nicht funktioniert, sondern nur den betreffenden Gegenpart früher oder später kaputt machen wird.
    Es muss von Personen geschrieben worden sein, die von der Praxis keine Ahnung haben.



    Wenn man wirklich helfen will, dann geht man, denn nur so haben Menschen mit BA irgendwann die Möglichkeit zu erkennen, das was an ihrem Beziehungsmodell nicht stimmen kann.
    Ansonsten wird sich doch wieder nur gedreht und gewunden,
    bis sie einen Grund finden, die "Beziehung" wieder so zu beenden, das die Trennung erträglich wird, weil alles kaputt geredet wurde oder weil die Verhaltensweisen des Partners eben irgendwann auch massiver werden, alles andere wäre für normale Bindungspersonen Selbstkasteiung. Sonst nichts. Da braucht man sich auch nichts vormachen.

    **oft muss man erst den falschen Weg gehen, um den richtigen zu finden**

  • Stimmt ebenso.
    Doch jeder ist für sich selbst verantwortlich.
    Zynismus in Zusammenhang mit einem psychischen Problem find ich generell unfair.
    Wie steht es so oder ähnlich in dem hier so viel zitierten "Jein"?

    Zitat

    Einem Menschen, der keine Arme hat, werfen Sie doch auch nicht vor, dass er Sie nicht umarmt...


    Wir können nur uns selber verletzten durch (dysfunktionale) Erwartungshaltungen- beiderseits. :roll:


    LG
    Schwänin

  • Liebe Schwänin,


    wer einmal eine Beziehung mit einem Hardcore-Bindungsgestörten hatte, empfindet den oben genannten Text als zynisch, glaubs mir.
    Weil genau DEN Fehler machen am Anfang fast alle Angehörigen, nämlich das sie glauben, durch Rücksichtsnahme und keinerlei Erwartungshaltung den Partner doch noch vom Gegenteil überzeugen zu können.


    Es klappt aber nicht. Und dann muss man eben einfach gehn.


    Der Unterschied zu einem Menschen ohne Arme ist aber doch der, das der Mensch ohne Arme nicht immer wieder versuchen wird, dann doch mal kurz umarmen zu wollen, er weiß, er kann es nicht und der Gegenüberstehende weiß es auch.
    Und man kann ihm dementsprechend Hilfe anbieten und geben.


    Was deine anderen Einstellungen angeht, da kommen wie einfach auf keinen gemeinsamen Nenner. Wenn ich Gefühle für jemanden habe und er augenscheinlich auch für mich, dann kann mich dieser sehr wohl verletzen. Und er trägt dafür auch Verantwortung, ja.
    Und ja, ich möchte auch bestimmte Erwartungen stellen dürfen, sonst kann ich auch alleine bleiben. Ich möchte mich auf meinen Partner verlassen können in mir wichtigen Dingen, umgekehrt genauso. Und da muss man eben auch zu Kompromissen bereit sein, mit einem BA so gut wie nicht möglich. Außer, er leidet gerade. Das ist einfach meine Erfahrung und auch das, was ich hier immer wieder lesen darf.

    **oft muss man erst den falschen Weg gehen, um den richtigen zu finden**

  • Hallo Bernadette,


    Zitat von bernadette


    Trotzdem nervt es mich, wie abwertend hier immer wieder über die Betroffenen geschrieben wird.


    Ich habe das Vorstehende noch einmal durchgesehen. Ich meine nicht, dass es als abwertende Darstellung einzuordnen ist. Nun ist das bekanntermaßen Geschmackssache, was der Einzelne noch als satirisch eingefärbte Wortmeldung und was als (nur noch) verletzende Schmähkritik empfindet.


    Deine Bewertung sei Dir unbenommen. Ich komme zu einem anderen Ergebnis.


    Ich bin vielmehr der Ansicht, die Hinweise des Beraterteams erfordern eine rigorose Gegendarstellung, da ich die Hinweise für gefährlich halte. Ich meine, dass sie den Partner eines bindungsängstlichen Menschen auf recht verantwortungslose Weise davon abbringen, die eigenen Grenzen in der Beziehung (davon sprach das Beraterteam, es richtete sich in dem vorgelegten Text ausdrücklich an den Beziehungspartner) und die eigenen Vorstellungen von Beziehung angemessen zu verfechten. Ich befürchte tatsächlich, dass mehr als nur der ein oder andere Partner, der die Hinweise ernst nimmt, Gefahr läuft, noch länger in einer Beziehung zu verbleiben, die ihm nicht gut tut und in der er der schwächere Part ist. Ich denke - Tina hat es schon ausgesprochen - dass damit die Chancen für den Partner des ängstlichen Menschen dramatisch steigen, dem nächsten bindungswilligen Menschen übermäßig kritisch gegenüber zu treten oder sich sogar selbst in die Kolonne der Beziehungsängstlichen einzureihen.



    Dass auch bindungsängstliche Menschen liebenswerte Menschen sein können (wie es nicht bindungsängstliche Menschen auch sein können), soll doch gar nicht bestritten werden.


    Die Entscheidung, ob sie Hilfe brauchen, muss allerdings schon ihnen selbst überlassen werden. Und meiner festen Überzeugung nach kann diese Hilfe sicher nicht durch den Beziehungspartner erfolgen.


    Im Übrigen denke ich, dass die Hinweise des Beraterteams für den bindungsängstlichen Menschen selbst auch nicht hilfreich sind. Hält sich der Partner des Ängstlichen nämlich an die Hinweise, wird der Ängstliche versucht sein, den am wenigsten ängstigenden Weg zu gehen: Alles bleibt wie es ist. Die Ängste und deren Ursachen werden nicht bearbeitet, weil auch der Änderungsdruck nicht hoch genug ist: Der Partner spielt ja schön zurück genommen mit.


    Grüße,
    Nestor

  • Hallo Wiesenblume,


    ich glaube schon, dass wir einen gemeinsamen Nenner haben.
    Natürlich ist in jeder Art der Interaktion und Bindung ein gegenseitiges Verletzen möglich. Und das endet manchmal traurig hoffnungslos, teilweise dramatisch.
    Ich habe da auch so manche Eskalation erlebt. Mal von der einen, mal von der anderen Seite. Und- ich sehe es wie Du:
    Jeder übernimmt in einer gesunden Beziehung auch immer ein bißchen (und das möglichst freiwillig) Verantwortung für den anderen.


    Mich stört nur ein wenig, dass die selbst erlebte Wut und Enttäuschung hier allzu häufig in zynischen Bemerkungen den BÄ gegenüber geäußert wird.


    Es ist schlimm, Liebeskummer, Zurückweisungen, Entwertungen usw. ertragen zu müssen,
    aber ebenso schlimm ist es, ein Leben voller Einsamkeit führen und ertragen zu müssen, weil einem die "Tools" für eine wirklich innige Beziehung einfach fehlen...


    Manchmal können "die einen" halt wirklich nicht anders.
    Dann müssen die anderen eben gehen....


    LG
    Schwänin

  • Zynische Bemerkungen gab es hier meines Erachtens nur in Bezug auf den tollen Ratschlag, seine Bedürfnisse zu unterdrücken und dem BÄ seine Verdrängung möglichst einfach zu machen.


    Ich unterdrücke meine Wut und auch meine sonstigen Gefühle allerdings nicht mehr - erst recht nicht, damit ein Mensch, der sich selbst und anderen schadet (und der, obwohl er es besser wissen müsste, zum Wiederholungstäter wird, denn von einem Leben in Einsamkeit kann in den meisten Fällen ja keine Rede sein) die Welpenschutz-Sonderposition besetzen darf.


    Es gibt nämlich ZWEI leidende Menschen bei der Geschichte: den, der "Angst" hat, und den, der die Folgen davon ausbaden darf.


    Und ich wage zu behaupten, dass derjenige, der besseren Zugang zu seinen wahren Gefühlen hat, um einiges mehr an Schmerz und Verletzung erleidet, als der, der nur verdrängt, verleugnet, einen liebenden Menschen zum Krüppel macht und schliesslich wegläuft, um sich ins nächste Abenteuer zu stürzen (wenn ich solche Threadüberschriften lese wie "neues Spiel, neues Glück?" fehlt mir da irgendwie das Verständnis).


    Ich habe großes Mitleid mit Menschen, die das essentiellste im menschlichen Leben nicht gebacken bekommen, weil ihr emotionaler Apparat ruiniert wurde oder weil sie nicht mal wissen, wer sie sind.


    Aber das führt nicht dazu, dass ich mir meine eigenen Gefühle und Bedürfnisse verbiete.
    Und die Absolution kann ich leider auch noch nicht erteilen, dazu waren meine Wunden einfach zu tief.
    Mag ja sein, dass ich an ein ganz besonders unreflektiertes oder narzisstisch perverses Exemplar geraten bin, ich Pechvogel, aber etwas qualvolleres habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht durchgemacht.


    Und daher erlaube ich mir gelegentlich eine Prise Zynismus als salonfähiges kleines Ventil für meinen Restkummer.