• Oh nein, Beitrag weg -.-


    Also nochmal:
    Streiten befreit.
    Man fühlt sich danach richtig und einheitlich - das fiese Gefühl im Bauch ist verschwunden, sobald man etwas sagt.
    Aber seit ich angefangen habe, meinen Mund auf zu machen, kann ich nicht mehr aufhören und habe manchmal das Gefühl, sehr zickig/dünnhäutig zu sein.


    Ich hoffe es liegt daran, dass ich zu lange zu viel geschluckt habe...


    In diesem Sinne


    2014 wird mein Jahr :D

    "Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird."

  • Zitat von many


    Aber seit ich angefangen habe, meinen Mund auf zu machen, kann ich nicht mehr aufhören und habe manchmal das Gefühl, sehr zickig/dünnhäutig zu sein.


    Ich hoffe es liegt daran, dass ich zu lange zu viel geschluckt habe...


    Ich habe meine Grenzen in den letzten Tagen ein paar Mal weit über ein normales Maß überschritten. Dünnhäutig trifft es. Wut/Zorn ist leider auch Ausdruck einer Depression und hat was mit fehlender Impulskontrolle zu tun. Gerade männliche Depressionen zeigen sich so. Aber ich glaube eher, dass kommt daher, weil ich derzeit mehrere Themen bearbeite, die alle keine Leichtigkeit versprühen und dann gibt ein Wort das andere. Letztendlich bin ich aber froh, denn ich lasse mir nicht mehr alles gefallen. Muss halt noch üben, denn der Ton macht die Musik.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Streitkultur....,


    .....hab mir gerade mal überlegt wie das bei mir ist. Also ich kann streiten: ja - und dabei auch ziemlich unfreundlich werden. Aber wenn ich das hinterher nochmal überdenke, dann tut mir das oft sehr leid - so dass ich mich da auch mal entschuldige. Aber wenn ich wieder abgekühlt bin, dann bin ich meist auch wieder sehr verträglich und trage eigentlich nichts nach. Nur leider ist das bei meinen Gegenübern oft anders: wenn es da mal Streit gibt, dann brechen sie gleich den ganzen Kontakt ab....Das ist dann wiederum für mich der Grund, Ärger runterzuschlucken, bloss damit ich den anderen nicht verliere.


    Das ist nur auf Dauer für mich unbefriedigend,weil ich mich nicht ehrlich und aufrichtig verhalten kann, wenn jeglicher Konflikt zum Kontaktende führt. Ich kenne aus meiner Familie 2 Extreme: einen schreienden gewalttätigen Vater und dazu eine konfliktvermeidende passiv aggressive Mutter, die ihrem Ärger durch Manipulationen und Erpressungen Luft machte. Habe daraus gelernt: Zügellose Schreiereien oder die absolute Harmoniesucht mit subtiler Aggressivität (die oft nicht als solche zu erkennen ist) sind beide nicht hilfreich. Ich wünsche mir immer, dass es möglich wäre auch mal streiten zu können, um dann hinterher in Ruhe nochmal gegenseitig sich die verschiedenen Positionen anzugucken und auszuhandeln, was möglich ist und was nicht. Muss aber sagen, dass ich so einen Kontakt noch nicht gefunden habe. Ich kenne nur die Version, dass bei Streit sofort der Kontakt abgebrochen wird und erlebe das als sehr schmerzlich, wenn Kontakte immer nur solange bestehen bleiben, bis es zu einem Konflikt kommt.


    Ich kann nicht dauerhaft immer einer Meinung mit einem anderen Menschen sein. Und - auch wenn es mal Streit gegeben hat - für mich ist so eine Versöhnung auch etwas Wunderschönes - und bringt ganz viel Nähe mit sich. Sowas bringt in meinen Augen eher wieder positives Leben in die Beziehung, als dass es dauerhaft Schaden bringt. Natürlich dürfen die Streit-"Waffen" eine gewisse Grenze nicht überschreiten - sonst bleibt außer einem riesigen Schlachtfeld nichts mehr übrig.


    Hab mir noch nie so detailliert Gedanken über Streitkultur gemacht - Danke für die Anregung ! :flower:


    Lieben Gruß,
    sonnenschein

  • Hallo sonnenschein,


    also ich finde es in freundschaften und beziehungen ganz normal, daß man hin und wieder streitet. Man hat doch manchmal unterschiiedliche meinungen oder der andere macht was, was einen stört, dann darf man ruhig auch mal streiten. Und ich kann da auch manchmal sehr laut werden. Allerdings versuche ich, einigermaßen sachlich zu bleiben, und grobe schimpfwörter zu vermeiden. Gelingt leider nicht immer, wenn man sehr aufgeregt oder wütend ist.

    Zitat

    Nur leider ist das bei meinen Gegenübern oft anders: wenn es da mal Streit gibt, dann brechen sie gleich den ganzen Kontakt ab....Das ist dann wiederum für mich der Grund, Ärger runterzuschlucken, bloss damit ich den anderen nicht verliere.


    Aber dann sind doch die anderen extrem überempfindlich. Ein bisschen was sollte man schon aushalten. Ich gehe so überempfindlichen leuten lieber aus dem weg. man muß doch schon in der arbeit sooo aufpassen, daß man nur ja nichts falsches sagt. Das könnte ja den job kosten. Da will ich privat wenigstens ich sein und nicht jedes wort auf die goldwaage legen müssen. Alles andere ist doch mega-anstrengend.

    Zitat

    Das ist nur auf Dauer für mich unbefriedigend,weil ich mich nicht ehrlich und aufrichtig verhalten kann, wenn jeglicher Konflikt zum Kontaktende führt


    Du scheinst ja immer solche leute anzuziehen. Das hat ja meistens auch nen grund. Hast du dein muster schon erkannt?

    Zitat

    die ihrem Ärger durch Manipulationen und Erpressungen Luft machte


    meine mutter hat sich meinem vater bedingungslos untergeordnet und alle entscheidungen ihm überlassens. Dafür hat sie ständig rumgenörgelt und das ist noch viel schlimmer als streiten. Mein vater ist aber überhaupt kein aggressiver mensch, ganz normal, würde ich sagen. Und so machen sie sich beide das leben schwer, obwohl sie es so schön haben könnten.

    Zitat

    Ich wünsche mir immer, dass es möglich wäre auch mal streiten zu können, um dann hinterher in Ruhe nochmal gegenseitig sich die verschiedenen Positionen anzugucken und auszuhandeln, was möglich ist und was nicht.


    Das ist doch ne super einstellung.

    Zitat

    Natürlich dürfen die Streit-"Waffen" eine gewisse Grenze nicht überschreiten –


    Das stimmt. Den anderen gemein niedermachen oder stark beleidigen sollte tabu sein. und handgreiflichkeiten erst recht.


    Und wenn man wen kennt, und weiß, der andere mag und respektiert mich, dann ist streiten und kritik doch auch ok. Geht ja nicht gegen die person, sondern ne bestimmte handlung.


    Lg
    Mary

  • Hallo Mary,


    Danke für deine Antwort...., die mich in der Tat zum Nachdenken bringt. Such jetzt die Antwort auf die Frage, warum ich solche Kontaktabbrecher anziehe......Also, was mir bewusst ist, ist dass ich aufgrund meines gewalttätigen und übergriffigen Vaters mir eher die Soft-Version von Männern raussuche, bei denen ich mich dann als "Retter" fühlen kann. Also bisher war mir die Retter-Funktion lieber als die der eventuell Sich-Nicht-Gewachsen-Fühlenden. Kann das in meiner Groß-Herkunfts-Famiie (mit der ich keinen Kontakt mehr habe), richtig erkennen, wie sich Frauen entweder wieder gewalttätige Männer oder aber eher schwache Männer mit viel Problemen rausgesucht haben. ich habe mich für die Soft-Version entschieden - und bin manchmal perplex, wie ich auch im Netz auf immer die gleichen Männer stoße, von ihnen angezogen werde und mich dann verliebe, die nicht nur von der Art her ähnlich sind, sondern die sogar auch noch sehr ähnlich aussehen. Lerne ja nicht alle gleich mit Bild kennen - aber es ist frappierend, sobald wir Bilder austauschen, sehe ich: schon wieder der gleiche Typ Mann! Also diese Soft-Version Mann, die kommt eher im Äußeren nach meiner Mutter, die aber genauso wenig "soft" ist, wie mein Vater. Aber diese Männer ziehen mich dann an, wenn sie Eigenarten von meinem Vater haben und meiner Mutter auf der anderen Seite. Also Männer, die genau meine Eltern darstellen. Auf der einen Seite ist es das Konfliktverdrängen meiner Mutter in Verbindung mit Kontaktabbruch, wenn ich ihr anderes sage, als sie hören will - und es ist die Depression meines Vaters, der als einziger Wärme-Übermittler, mein ganzer "Rettungs"-Wunsch galt. Ich wollte ihn halt (vor der lauernden Suizidgefahr) retten, auch wenn ich schlimme Dinge durch ihn erlitten habe. Bin also bis heute eine "Retterin" von schwächeren Männern und auch offensichtlich von Menschen angezogen, die beim geringsten Konflikt den Kontakt abbrechen.


    Habe ja schon erkannt, dass ich durch meine Eltern-"Repräsentanten" angezogen werde - und mich offensichtlich immer dort verliebe, wo mir die alte Sch......(sorry) wieder begegnet. Kann mir dann wieder sagen, dass ich versagt habe, wenn es ihnen nicht besser geht, bzw. wenn diese wieder den Kontakt abbrechen. Ich breche ja auch den Kontakt ab, aber eher wenn ich feststelle, dass mir ein Kontakt nicht gut tut und das äußere ich auch - aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich einen Kontakt wegen Unstimmigkeiten beendet habe. Aber vielleicht kann ich das gar nicht beurteilen, weil mir die anderen mit Kontaktabbruch häufig zuvorkommen.


    Was ich aber schon erkannt habe ist, dass ich aufhöre "Retterin" spielen zu wollen. Sehe auch, dass ich dadurch auch Menschen anziehe, die tatsächlich oft mehr Probleme mit sich selbst haben, als ich. Werde das jetzt verändern - möchte lieber mit Menschen zusammen sein, die schon ein ganzes Stück weit einen Selbsterfahrungsweg gegangen sind und die daher auch schon einen etwas breiteren Toleranzbereich bei Beziehungsfragen haben.


    Bin aber schon überrascht was ich hier alles geschrieben habe, auf deine Frage. Das war mir so vorher nicht bewusst gewesen. Danke.


    Lieben Gruß,
    Sonnenschein

  • Sonnenschein, was man im Leben macht oder sein lässt hängt jau oft auch damit zusammen, welche Konditionierung / Prägung man als Kind durch Rollenvorbilder erlebt hat und welche Glaubenssätze sich für das eigene Leben daraus ergeben haben.


    Kommt man irgendwann zu der Erkenntnis, dass Beziehungen immer wieder am gleichen Punkt scheitern und setzt da an, um mehr zu erforschen, dann erkennt man oftmals - überraschenderweise - sehr schnell das eigene (destruktive) Muster. Und dann kann man das aus Erwachsenenperspektive neu betrachten und bewerten - und im Idealfalle durch modifizierte Verhaltensweise in eine andere, möglicherweise bessere Richtung entwickeln.


    Du hast dein Muster jetzt erkannt. Und wenn du dich, deine Einstellung und dein Verhalten änderst, dann ziehst du möglicherweise noch diese Art Männer an, aber du lässt dich nicht mehr auf sie ein und irgendwann kommen dann die passenderen Männer - eben weil du eine andere Ausstrahlung hast und zu dieser Ausstrahlung passendere Männer anziehst.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Hallo ratsuchender,


    ja - ich vermute, dass es genau dies ist.


    Ich werde nun nach anderen Männern gucken - bestimmt nicht mehr nach denen, die ich retten kann.
    Ich danke dir für diese Zusammenfassung.


    Ja, genau darum geht es.


    Lieben Gruß,
    Sonnenschein

  • Ich habe mittlerweile eine "Streitkultur" entwickelt. Wenn mich etwas wütend macht, ich blöde Kommentare bekomme etc. gibt es von mir inzwischen mitunter heftigen Gegenwind. Völlig ungewohnt für die Empfänger. Ich stehe inzwischen für meine Einstellung ein, setze Grenzen und kann Nein sagen. Und wenn ich merke, dass mir Menschen nicht gut tun (und es auch nicht nach einer Änderung aussieht) wende ich mich von diesen ab - zum Teil mit einer Begründung, warum ich keinen weiteren Kontakt mehr will.


    Es fühlt sich zum Teil noch ungewohnt an, aber auf lange Sicht gesehen fühle ich mich damit besser.


    Auch ich habe meine (destruktiven) Muster erkannt, aber auch die von anderen Menschen. Mein Therapeut meinte, eine neue Partnerin hätte es mit mir ggf. schwer(er), weil ich mir jetzt so viel psychologisches Wissen angeignet habe. Mir hilft es aber auch im Umgang mit anderen Menschen, wo ich zum Teil recht schnell deren "Macken" erkenne und mich dann entspannt zurück lehne, weil ich merke, dass sie noch in ihrem Muster gefangen sind. Zum Teil drücke ich bei einer bestimmten - mir unsympathsichen - Person sogar die entsprechenden Knöpfe, um sie aus der Reserve zu locken. :hoelle:


    Interessanterweise höre ich von einigen der Personen, die Gegenwind bekommen, "man kann es auch übertreiben mit Therapie", "irgendwann ist auch gut mit Therapie"... :wink:

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Hallo sonnenschein,

    Zitat

    Also, was mir bewusst ist, ist dass ich aufgrund meines gewalttätigen und übergriffigen Vaters mir eher die Soft-Version von Männern raussuche,


    auch ich suche mir immer „schwächere“ männer aus. Bei mir aus dem grund, weil meine mutter psychisch und körperlich gewalttätig zu mir war, als ich ein baby und kleinkind war. Die angst vor unterdrückung, jemandem unterlegen zu sein, hilflos ausgeliefert zu sein und ähnliche gefühle haben sich so stark in mein unterbewußtsein eingebrannt. Deshalb suche ich mir instinktiv männer aus, die in irgendeiner weise schwächer sind als ich. Dann kann mir nichts passieren, ich kann nicht untergebuttert werden.


    Der 2. punkt bei mir ist, daß ich schon als kleinkind alles in meiner macht stehende getan habe, um mich gegen die übergriffe meiner mutter zu wehren. Ich bin geistig, seelisch und verbal mittlerweile total wehrhaft (jahrelange übung machts). Na ja, körperlich bin ich klein, zierlich, unsportlich, also körperlich bin ich fast jedem anderen erwachsenen unterlegen. Aber mir hat mal ein psychologe gesagt, daß ich sehr viel stärke und kraft ausstrahle. Und schwächere personen fühlen sich von starken angezogen.


    Wenn eine schwächere person ihr leben nicht so recht auf die reihe bringt, sucht sie sich meist eine stärkere, der sie ihre probleme „auflädt“. Ich wurde also manchmal als partnerin eines schwächeren mannes unfreiwillig in die helferrolle gedrängt. Wenn jemand seine sachen nicht so recht auf die reihe gebracht hat, dann hab ich ihn doch immer mal wieder unterstützt. Nicht daß er im „sturz“ mich auch noch ins verderben reißt.


    Ich versuche auch, aus diesem muster irgendwie auszusteigen. Ich kann für mich selbst die verantwortung für mich und mein leben übernehmen, und das erwarte ich auch von einem mann.

    Zitat

    Also bisher war mir die Retter-Funktion lieber als die der eventuell Sich-Nicht-Gewachsen-Fühlenden.


    Klar, weil du dann in der überlegenen rolle bist. So geht’s mir auch. Die unterlegene position ist immer die unangenehmere. Am idealsten wäre ein gleichgewicht. Aber das haben wir leider in unseren herkunftsfamilien nicht gesehen.

    Zitat

    und mich offensichtlich immer dort verliebe, wo mir die alte Sch......(sorry) wieder begegnet.


    Das fühlt sich so gewohnt, so vertraut an. das kennt man. Was neues könnte zwar viel besser sein, aber wenn’s blöd läuft eben auch viel schlechter. Dann doch lieber das gewohnte, da weiß man, wie man reagieren muß und was passiert.

    Zitat

    Ich breche ja auch den Kontakt ab, aber eher wenn ich feststelle, dass mir ein Kontakt nicht gut tut


    Das ist normal. Man bleibt doch nicht mit jemand in ner freundschaft oder beziehung, wenn man nur leidet oder ärger hat. Wenn’s nicht passt, ist es ganz normal, daß man sich trennt.

    Zitat

    aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich einen Kontakt wegen Unstimmigkeiten beendet habe.


    ich versuche auch, unstimmigkeiten und probleme auszudiskutieren und zu lösen. Nur wenn das eben gar nicht gelingt, bleibt die trennung als konsequenz.

    Zitat

    Was ich aber schon erkannt habe ist, dass ich aufhöre "Retterin" spielen zu wollen. Sehe auch, dass ich dadurch auch Menschen anziehe, die tatsächlich oft mehr Probleme mit sich selbst haben, als ich. Werde das jetzt verändern - möchte lieber mit Menschen zusammen sein, die schon ein ganzes Stück weit einen Selbsterfahrungsweg gegangen sind und die daher auch schon einen etwas breiteren Toleranzbereich bei Beziehungsfragen haben.


    Du bist doch schon sehr weit auf deinem weg der selbsterkenntnis. Das schwierige ist jetzt, durch die erkenntnis auch die handlungen zu ändern, bis man aus dem muster raus kommt.

    Zitat

    bin aber schon überrascht was ich hier alles geschrieben habe, auf deine Frage. Das war mir so vorher nicht bewusst gewesen. Danke


    das geht mir auch so. durch schreiben bekomme ich viel klarheit über mich selbst. oder wenn ich was von anderen lese und meine gefühle und gedanken dazu beobachte. Das ist dann so ne art trockentraining. In echten zwischenmenschlichen begegnungen passiert das ja auch fast genauso, wie man beim schreiben und lesen reagiert.


    Lg
    Mary

  • In meinem Elternhaus wurde viel und auch sehr laut gestritten. Meine Eltern hatten Phasen, da ging das Geschrei am Sonntag schon beim Frühstück los und endete erst am späten Abend. Manchmal brüllten sie sich an mehreren Tagen der Woche stundenlang an, und ich konnte mich nicht mehr aufs Lernen konzentrieren. Wenn ich mich einmischte, wurde ich auch stundenlang angebrüllt.


    Deshalb entwickelte ich eine Abneigung gegen hitzköpfige Menschen und verliebte mich immer in Männer, die von der Art her sehr ruhige Typen waren. Ich wünschte mir einen Partner, der nicht so schnell die Beherrschung verlor und an dessen Seite ich ein ruhiges Leben führen konnte. Leider bin ich an Männer geraten, mit denen ich überhaupt nicht streiten konnte. Passiv-aggressive Typen, die nicht einmal sachliche Kritik im freundlichen Tonfall vertrugen, nicht offen aussprachen, wenn sie etwas störte, mich mit Schweigen bestraften und wortlos aus meinem Leben verschwanden. Das ist für mich das Schlimmste überhaupt. Meine Eltern schwiegen manchmal ein paar Stunden, höchstens einen Tag… um wieder runterzukommen. Damit hatte ich kein Problem. Meine Männer schwiegen aber wesentlich länger, tage-/wochenlang… und ganz furchtbar waren auch ihre Blicke, wenn ich etwas sagte/machte, was ihnen nicht passte. Sie sagten kein Wort und setzten nur diesen einen bestimmten Blick auf… den ich folgendermaßen interpretierte: "Reni, pass auf was du sagst... es könnte sonst sein, dass ich bald weg bin". Ich fühlte mich emotional erpresst und ordnete mich unter, wenn ich die betreffende Person nicht verlieren wollte.


    Mein BÄ sagte mal zu mir, dass es bei ihm zu Hause nie laut wird. Damals fand ich das toll. Inzwischen sehe ich das anders. Ich kann überhaupt nicht offen mit ihm reden. Er sagt mir nicht, wenn ihn etwas stört, und ich darf ihm nicht sagen, wenn mir was nicht passt (außer wenn er mir einigermaßen gleichgültig ist). Der Mann kann nicht mit Kritik umgehen und flüchtet lieber, bevor er sich mit zwischenmenschlichen Problemen auseinander setzt.


    Früher dachte ich immer, dass impulsive Hitzköpfe schwierige Menschen sind. Ich fühle mich auch heute nicht zu ihnen hingezogen. Ruhige Männer neigen aber oftmals zu Verhaltensweisen wie Schweigen, Ignoranz, Flucht und psychischer Gewalt. Diese Eigenarten haben bei mir Verlustängste ausgelöst. Bei Hitzköpfen wusste ich zumindest immer, woran ich war. Schweiger hatten immer eine Macht über mich, weil sie meine Gedanken kannten, aber mich darüber im Unklaren ließen, was in ihnen vorging. Das hat mich richtig fertig gemacht. Auf freundschaftlicher Basis lasse ich passiv-aggressive Menschen nicht mehr an mich ran, weil mich so ein Verhalten richtig mürbe macht. Es ist aber schwer sich zu entlieben, wenn man sein Herz an einen Menschen verloren hat und er sich eines Tages als passiv-aggressive Persönlichkeit entpuppt.

  • Zitat von Reni

    Sie sagten kein Wort und setzten nur diesen einen bestimmten Blick auf… den ich folgendermaßen interpretierte: "Reni, pass auf was du sagst... es könnte sonst sein, dass ich bald weg bin". Ich fühlte mich emotional erpresst und ordnete mich unter, wenn ich die betreffende Person nicht verlieren wollte.


    Dein Gefühl hat dich nicht getäuscht, du wurdest emotional erpresst. Leider war ich auch mal so. Das hat viel kaputt gemacht. Heute rede ich darüber, was mich stört bzw. unternehme zumindest den Versuch. Dieses nicht reden hat aber auch viel mit Erziehung zu tun. Wenn man selbst ein elterliches "Vorbild" in dieser Art hatte, dann prägt einen das mitunter selbst. Man fand es als Kind selbst nicht gut, so behandelt zu werden und hat aber als Erwachsener genauso (nicht) reagiert.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Ich rechne es dir sehr hoch an, dass du so ehrlich damit umgehst und dazu stehst. Bisher habe ich noch niemanden kennengelernt, der diese Verhaltensweise als Folge seiner Persönlichkeit oder schlechten Erfahrungen aus der Kindheit beschrieben hat. Und ich habe schon einige Menschen getroffen, die so drauf waren... aber aus ihrer Sicht waren immer die anderen dafür verantwortlich.


    Weil du keinen Vater hattest, nehme ich, dass du dieses Verhalten von deiner Mutter übernommen hast. Mich würde mal interessieren, ob du abgesehen von der komplizierten Partnerschaft mit der BÄ-lerin auch glückliche, längerfristige Beziehungen hattest. Sämtliche mir bekannten Personen, die so eine (eigentlich nicht vorhandene) Streitkultur an den Tag legen, hatten noch nie eine längere Partnerschaft. Diese Menschen sind weder uninteressant noch dumm, faul, unzuverlässig, chaotisch und auch nicht zwangsläufig optisch unattraktiv. Z. B. meine ehemaligen Freunde, diese beiden Brüder, das sind zwei bildhübsche sportliche Männer, die aufgrund ihrer Optik sicher viele Frauen haben könnten. Obwohl sie absolut nicht auf ONS und Affären stehen, hatten beide mit Mitte 30 jeweils nur zwei sehr kurze Beziehungen.


    Ich finde es auch interessant wie du schreibst, dass du das Verhalten deiner Mutter gar nicht gut fandest und es trotzdem als Erwachsener von ihr übernommen hast. Eine Freundin von mir hatte mal ein lockeres Techtelmechtel mit einem der Brüder (und entschied sich genau wegen dieser Eigenschaft gegen eine feste Beziehung mit ihm). Sie erzählte mir, was er ihr über die Ehe seiner Eltern berichtet hatte. Die beiden Männer haben diese Eigenschaft von ihrem Vater. Die Mutter steht zu Hause unter seiner Fuchtel. Wenn sie etwas macht, was ihm nicht passt, reagiert er auch so und jagt ihr Verlustangst ein. Einmal hätte er fast wegen einer Kleinigkeit die Scheidung eingereicht. Die beiden Söhne haben für ihre Mutter gekämpft und das Schlimmste verhindert. Aber sie merken nicht, dass sie selbst kein Stück besser sind als er.


    Was ich auch sehr typisch für solche Leute finde: Sie betonen gerne, dass sie Person XY schon ewig kennen und noch niiiiiemals mit ihr Streit hatten. Kommt dir dieser Satz bekannt vor? Wenn man sich mal mit Person XY darüber unterhält, erfährt man, dass XY sich sehr wohl manchmal über die passiv-aggressiven Leute ärgert und einfach nur nichts sagt, weil sie spürt, dass sie emotional erpresst und eines Tages verlassen werden könnte.

  • Bin jetzt beim durchstöbern auf dieses Thema gestoßen. Echt interessant und da habe ich angefangen mir mal Gedanken über meine Streitkultur zu machen.
    Ich passe meine Streitkultur anscheinend dem Streitpatner an. So kommt es mir zumindest vor.


    Streit mit meiner besten Freundinn: Sehr gesittet. Wenn uns was stört bereden wir es mit ruhiger Stimme, schreien nicht oder beschimpfen uns nicht. Sobald alles beredet ist haben wir uns wieder lieb und umarmen uns meistens.


    Streit mit meinen Mitbewohner: Von außen betrachtet seltsam. Einer sagt was ihn stört, danach geht man sich ein paar Stunden/Tage aus dem Weg und danach hat man es vergessen. Nicht sonderlich effektiv ..


    Streit mit einer EX: War sehr niveaulos von beiden. Mit viele Spitzen, Stichelein, Beleidigungen, oft Sachen aus der Vergangenheit hervor geholt die keinerlei Relevanz zum Streitthema hatten. Aber nie laut geworden. Danach beide sehr traurig, wortkarg bis einer auf den anderen zugegangen ist und sich entschuldigt hat. Streit hat dann oft noch ein paar Tage mitgeschwungen weil es manchmal wirklich tief wurden. Habe jetzt im Nachhinein das Gefühl beide wollten den Streit "gewinnen". Zuerst der Gedanke jetzt zermürbe ich ihn mal mit allem was mir einfällt und danach beide im Trauermodus und der der zuerst auf den anderen zugeht und sich entschuldigt hat verloren.


    Streit mit meiner BA: Viel Geschrei. Und wenns mitten am Hauptplatz vor 500 Leuten war haben wir uns angeschrieen. Alles andere wurde ausgeblendet. Nach den Schreiminuten erstmal ein bisschen Funkstille und nach 2,3 Stunden ruhig darüber geredet. Danach war es geklärt.
    Wenn man einmal im Geschrei etwas über die Strenge geschlagen hat, hat man sich dafür entschuldigt und das aber nie nachgetragen weil es beiden passiert ist.


    Streit mit Eltern: Eigentlich nicht vorhanden. Auch zwischen den Eltern kann ich mich eigentlich an keine Streiterein erinnern. In der ganzen Familie fällt mir nichts ein wo ich dabei gewesen wäre.


    So von außen betrachtet war mir die Streitform mit meiner BA am liebsten.
    Nach dem Geschrei war ich erstmal freier, danach die Ruhe und den Abstand den man dann auch braucht und dann ein vernünftiges Gespräch darüber. Dazu war es sehr niveauvoll, ab und zu ist man etwas über die Strenge geschlagen, aber es war nie unter die Gürtellinie.

  • Hallo überfragt,


    deine ausführungen zur streitkultur finde ich sehr interessant. Es ist tatsächlich so, daß unser verhalten einem bestimmten menschen gegenüber von dessen verhalten abhängt. Die dynamik zwischen 2 menschen ist eben nur zwischen genau diesen 2 menschen so. mit nem anderen mensch ist es anders, manchmal viel manchmal nur ein bisschen anders. Also wenn einer sich ändert, ändert sich irgendwie auch die dynamik zwischen den beiden.

    Zitat

    Nach dem Geschrei war ich erstmal freier, danach die Ruhe und den Abstand den man dann auch braucht und dann ein vernünftiges Gespräch darüber. Dazu war es sehr niveauvoll, ab und zu ist man etwas über die Strenge geschlagen, aber es war nie unter die Gürtellinie.


    Das finde ich auch eine relativ gute streitkultur. Ich bin ein impulsiver mensch, der auch schreien anfängt, wenn er sich aufregt. Mir sind leute am liebsten, die zwar auf meinen streit eingehen, aber dabei ruhig und sachlich bleiben. Wenn der andere auch schreien anfängt, kann es sein, daß die sache eskaliert. Wenn der andere dagegen ruhig bleibt, kann ich einen streit auch ruhig austragen, weill ich dann sehr schnell wieder „runterkühle“. Was ich gar ncith mag: wenn ich was ausstreiten will, und der andere reagiert nicht, oder nimmt mich nicht ernst. Da raste ich dann so richtig aus. Und massive beleidigungen oder „unter die gürtellinie“ mag ich auch überhaupt nicht.


    Lg
    Mary

  • hallo,
    ich hab mich für den newsletter angemeldet, hört sich interessant an. ich habe auch bücher zuhause, in denen es um konstruktive kommunikation geht. für mich ist kommunikation im zwischenmenschlichen bereich etwas sehr wichtiges.
    lg und schönen abend noch
    mary