Hallo,
ich bin meiner Meinung nach ein Switcher (BA und auch BA-Betroffener). Ich lese schon eine Weile zum Thema Bindungsangst und was mir auffällt ist, dass grundsätzlich zwischen den Zeilen oder explizit da steht, dass die Angst unbegründet sei. Als Kind hatte man schlechte Bindungserfahrungen und daher reagiert man jetzt - in einer nicht mehr gefährlichen Situation - mit BA.
Aber:
1. Die schlechte Bindungserfahrung zu den Eltern ist eine wesentliche Erfahrung und lässt einen erahnen, wie die Menschen in der Welt so drauf sind. Die Eltern haben ja auch eine Beziehung zu Partnern.
2. BA entsteht nicht nur in Kind-Eltern-Beziehungen, sondern auch aus früheren Beziehungen zu erwachsenen Partnern.
3. Beziehungen können real sehr gefährlich sein, insbesondere für Menschen, die sich nicht gut wehren können und ein geringes Selbstwertgefühl haben. Es bringen sich Menschen um aus Liebeskummer oder weil sie in schrecklichen Beziehungen drinstecken. Beziehungen können Menschen traumatisieren, sie arbeitsunfähig oder zumindest weniger leistungsfähig machen. Alles reale Gefahren.
Für mich hat das Konsequenzen für die Therepie. Ich finde es nicht richtig, einem BA die Angst nehmen zu wollen, im Sinne einer klassischen Angsttherapie, systematische Desensibilisierung u.ä. Ich fände es eher wichtig, dem BA Werkzeuge in die Hand zu geben, wie er sich in einer für ihn gefährlichen Beziehung verhalten kann. Wie bleibe ich auf Augenhöhe? Wie kann ich meine Bedürfnisse gleichwertig durchsetzen? Wie kann ich eine Beziehung beenden, die mir nicht gut tut? Wie kann ich unangemessene Forderungen zurückweisen? Wie kann ich mich gegen Manipulation, Unterdrückung, Missbrauch wehren? Wie kann ich Gefühle leben, ohne mich schwach machen zu lassen? Wie kann ich mit Trauer, Schmerz, Demütigung, Abhängigkeit, Kontrollverlust umgehen?
Ich finde diese Heile-Welt-Sicht auf Beziehungen ("Öffne dich, hab Vertrauen und alles wird gut.") eher gefährlich.
delah