Zusammenhang zw. BA und schlechtem Durchsetzungsvermögen?

  • Es gibt da etwas, worüber ich mir gerade so meine Gedanken mache. Ich habe im November eine neue Arbeitsstelle angetreten und komme mit den meisten Kollegen bestens aus. Die meisten Männer bei uns sind glücklich in erster Ehe verheiratet, haben 2-3 Kinder und führen das klassische Familienleben. Nach ein paar Wochen bin ich mit einem Kollegen in die Kantine essen gegangen, der mir sehr viel über sein Privatleben erzählt hat, welches sich doch stark von den anderen Männern bei uns unterscheidet. Hier die wichtigsten Daten:


    - Anfang 50
    - 3x geschieden, 6 Kinder, 2 Enkel
    - hatte zwischen den Ehen mehrere Beziehungen, die alle destruktiv waren und ein für ihn schmerzhaftes Ende hatten
    - seit 2 Jahren in einer festen Beziehung mit einer Arbeitskollegin
    - ausgefallene Hobbys, ist u. a. Sänger einer Freizeit-Band
    - sieht für einen Mann seines Alters verdammt gut aus


    Als er mir das alles erzählte, hörte ich zu und sagte nicht großartig viel, dachte mir aber meinen Teil: Für mich war der Mann ein ganz klarer Fall von BA. Ich hielt ihn für einen notorischen Fremdgänger, der die Herausforderung liebt und keine echte Nähe zulassen kann. Inzwischen kenne ich ihn etwas besser. Wir gehen öfters essen, sowohl mit anderen Kollegen als auch zu zweit. Und wir unterhalten uns auch mal außerhalb der Pausen, wenn es die Zeit erlaubt. Mittlerweile habe ich einen völlig anderen Eindruck von ihm. Ich habe gar nicht mehr das Gefühl, dass mein Kollege vor Frauen und Verbindlichkeiten wegläuft. Mein Eindruck besagt, dass mein Kollege Probleme mit Beziehungen hat, weil er sich nicht durchsetzen kann und die Frauen im Laufe der Zeit den Respekt vor ihm verlieren. Die anderen Kollegen erwähnen immer mal wieder, dass er "zu nett" sei und sich nicht richtig abgrenzen könne. Seine jetzige Partnerin kenne ich auch und verstehe mich super mit ihr. Die Frau ist absolut kein bösartiger Drachen, die ist echt lieb, aber wenn man die Beiden zusammen sieht oder sich mit einem Teil des Paares unterhält, merkt man schnell, dass sie ganz klar die Hosen an hat.


    Dieser Kollege kommt mit den meisten Leuten in seiner Abteilung gut aus, aber unser Chef respektiert ihn nicht und macht ihn ständig zur Schnecke. Und der Kunde, den er betreut, tanzt ihm ebenfalls auf der Nase rum. Selbst gegen seine jüngsten beiden Kinder (die noch nicht schulpflichtig sind) kann er sich nicht richtig durchsetzen. Ich weiß, dass mein Kollege sich schon immer ein intaktes Familienleben mit Frau und Kindern gewünscht hat, welches für immer hält. Er war nie ein Macho oder Aufreißertyp. Seine Eltern haben ihn geliebt, waren aber sehr streng. Seine Erziehung basierte hauptsächlich auf Gehorsam, er hat in seinem Elternhaus nicht gelernt, sich durchzusetzen.


    Ich erkenne starke Parallelen zwischen seinem und meinem Leben, obwohl ich noch nie verheiratet war und keine Kinder habe. Und jetzt frage ich mich, ob ich vielleicht doch nicht sooooo bindungsängstlich bin wie ich dachte und es bei mir in erster Linie deswegen nicht klappt, weil ich auch kein so gutes Durchsetzungsvermögen habe... oder gibt es doch eine Verbindung zur BA?

  • Wie du schon richtig festgestellt hast, gibt es auch noch andere Gründe, warum man in Beziehungen scheitern kann.
    Das was du Durchsetzungsvermögen nennst gehört sicher auch dazu. Wenn man sich nicht abgrenzen kann, hat man generell Probleme mit sozialen Beziehungen, scheitert vielleicht auch schneller im Beruf...


    Jemand, der keine langfristigen Beziehungen hat, muss deshalb also nicht zwangsläufig Bindungsangst haben. Ganz entscheidend ist ja hier die Komponenet der Angst. Meistens ist es Angst vor Nähe bzw. Angst, dass diese Nähe schmerzhaft werden könnte. Wenn du das nicht hast, hats du auch keine Bindungsangst. Ich würde dich, von dem was du hier so erzählt hast, auch nicht so einschätzen. Trotzdem kannst du Probleme mit Beziehungen haben. Ich glaube, es gibt dafür die vielfältigsten Varianten.


    Und dass BÄ kein Durchsetzungsvermögne haben trifft manchmal zu und mancmal nicht. Insbesondere wenn BÄ auf Narzissmus basiert, ist das Durchsetzungsvermögen sehr ausgeprägt und schlägt eher ins Gegenteil um, also in einen dominanten bis diktatorischen Persönlichkeitsstil...

  • Bei mir ist es nicht die Angst vor emotionaler Nähe. Manchmal will ich nicht so viel räumliche Nähe, bin auch mal gerne alleine. Aber ich hätte kein Problem damit, mit einem Partner 2 Wochen Urlaub zu machen oder zusammenzuziehen, wenn die Beziehung längere Zeit gut läuft und jeder in den Räumlichkeiten genügend Platz für sich hat. Ich bekomme weder Schweißausbrüche noch Panikattacken, wenn mir jemand emotional zu nah kommt. Mein Problem liegt woanders. Ich bin nicht ganz so belastbar wie viele andere Menschen und kann nicht mit Leuten mithalten, die rund um die Uhr im Dauerstress leben. Deshalb suche ich mir überwiegend Menschen mit einem recht lockerem Lebensstil, die nicht ständig von einem Termin zum anderen hetzen. Meine Angst vor Nähe zeigt sich hauptsächlich im Vermeiden von zu viel Stress.


    Und es stimmt, ich habe generell immer mal wieder Probleme mit Menschen und nicht nur in der Liebe. Im Beruf war ich bisher auch nicht sehr erfolgreich, obwohl das Potenzial durchaus vorhanden ist. An meiner fachlichen Qualifikation liegt es nicht, da war ich den meisten anderen Kolleginnen in ähnlichen Postionen eher über- als unterlegen. Ich kann mich weitaus besser durchsetzen als früher, aber es ist schwer, das langfristig immer wieder durchzuziehen. Weil ich nicht sehr belastbar bin, konzentriere ich mich in erster Linie darauf, meine Aufgaben pünktlich und mit der bestmöglichen Qualität abzuliefern. Wenn ich eh schon total gestresst bin, habe ich oft keine Kraft mehr, um mich gegen andere Leute zu behaupten.


    Meistens fängt es damit an, dass mich jemand wegen einer Nichtigkeit anpflaumt. Das ist nicht nett, aber ich reg´ mich da nicht großartig auf und denke mir: "Was soll´s, er/sie hat heute einen schlechten Tag erwischt." Vielleicht ist es ein Fehler, dass ich mich nicht so sehr aufrege und solche Aktionen schnell wieder abhake, weil das für mich Kindergarten-Getue ist. Wenn es einmal passiert, dann geschieht es eines Tages wieder. Und dann häufen sich meiner Erfahrung nach diese Vorfälle, und die Abstände zwischen den einzelnen Vorkommnissen werden immer kleiner. Bis ich irgendwann das Gefühl habe, dass ich der anderen Person gar nichts mehr Recht machen kann. Das muss gar nicht unbedingt jedes Mal im pampigen, lauten Ton geschehen... manchmal werde ich ignoriert, dann ist der andere sarkastisch - immer eine andere Art von Gemeinheit.


    Ich muss da viel früher eingreifen und mich wehren... und zwar wenn jemand gleich das erste Mal nicht gerade nett zu mir ist und ich glaube, dass er/sie einfach mal nicht so gut drauf ist wie sonst.