Das Buch heißt eigentlich: "Warum wir uns immer in den Falschen verlieben - Beziehungstypen und ihre Bedeutung für unsere Partnerschaft".
Geschrieben wurde es von einem Psychiater/Neurowissenschaftler und einer systemischen Psychotherapeutin. Das amerikanische Original erschien 2010.
Das Buch basiert auf neuesten Erkenntnissen aus der Bindungsforschung, und diese sind nun doch etwas anders, als wir sie z.B. aus den Büchern von Frau Stahl (noch) kennen...
Dieses Buch räumt u.a. auf mit folgenden Grundannahmen, die die Wissenschaft inzwischen offenbar überholt hat:
- welchen Bindungsstil man hat, wird in der Kindheit festgelegt --> nein, der individuelle Bindungsstil wird im Laufe des Lebens infolge unterschiedlicher Erfahrungen z.T. sehr stark beeinflußt, er verändert sich und ist auch bewußt veränderbar, er ist flexibel
- Kinder brauchen eine sichere Bindung an die Bezugsperson(en), Erwachsene jedoch nicht mehr --> nein, auch Erwachsene brauchen eine sichere Bindung, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß wie ein Kleinkind
- der erwachsene Mensch muß dazu in der Lage sein, sich aus sich selbst heraus glücklich und zufrieden zu fühlen, das ist normal --> nein, normal ist es, sich durch befriedigenden Kontakt mit anderen Menschen, insbesondere mit seinem Partner, glücklich und zufrieden zu fühlen
- emotionale Abhängigkeit vom Partner ist schlecht - eine ideale Beziehung wird geführt von zwei reifen, autarken Personen, die sich gegenseitig klar ihre Grenzen kommunizieren --> nein, emotionale Abhängigkeit vom Partner ist einfach ein (wissenschaftlich meßbarer, biologischer) Automatismus - wer frei und glücklich leben will, muß vom richtigen Menschen abhängig sein, eine sichere Bindung fördert Unabhängigkeit
Der sich daraus ergebende Ansatz des Buches, daß man auch als Erwachsener zu seinem Bindungsbedürfnis stehen und dieses auch klar vertreten soll, anstatt zu versuchen, ein "emotional unabhängiger" Mensch zu werden, der keinen Partner brauchen muß, leuchtet mir persönlich voll und ganz ein. Ich empfinde dieses Buch als rund und stimmig, und es ist völlig auf der Linie der Gespräche, die ich beim Paartherapeuten über mein "BÄler-Problem" führe.
Die Stichworte "Bindungsangst", "Verlustangst", "Inneres Kind" und "Selbstwert" kommen in diesem Buch nicht vor, stattdessen geht es um "Beziehungstypen und ihre Interaktion im Alltag", "aktivierte/deaktivierte Bindungssysteme", "sichere Bindung" und "klare Kommunikation".
Hier wird also BÄler-Partnern kein Selbstwertproblem attestiert (außer in Extremfällen, wo jemand jahrelange Demütigungen erträgt), niemand wird pathologisiert, aber klar gesagt, daß "Vermeider" ihren Beziehungstyp nur durch Therapie verändern können, wenn sie es denn wollen.
Besonders gut: ein recht großer Teil des Buches beschreibt den "sicheren Beziehungstyp". Wie verhalten sich diese Menschen in konkreten Alltagssituationen? Was machen sie im allgemeinen immer wieder richtig? Wie gehen diese Menschen bei der Partnersuche vor? Woran würde ich einen "sicheren Typ" erkennen?
Auch interessant: statistische Daten zur (geschätzten) Verteilung der Beziehungstypen in der Gesamtbevölkerung; ein sehr einleuchtender Fragebogen zur Feststellung, zu welchem Beziehungstyp der eigene Partner wohl gehört; Übungsaufgaben zur Einschätzung von Beziehungstypen anhand kurzer Skizzen aus dem Alltagsleben von Paaren usw.
Ein sehr erfrischender, pragmatischer, leicht verständlicher und gleichzeitig wissenschaftlich seriös fundierter Grundkurs in Sachen "Beziehung", der das BA-Problem quasi im Vorbeigehen gleich mit erledigt.
Ein geniales Buch!!!
Ich vergebe 5 von 5 möglichen Sternen!