Bindungsangst und Familiengründung

  • Hallo,
    ich wollte mal allgemein in die Runde fragen, ob sich Bindungsangst auch bei euch auf das Kinderkriegen bezieht. Ich meine, ein Kind ist doch eine große Verpflichtung und Bindung! Wie denkt ihr dazu? Was fühlt ihr?


    LG, Jojo

  • Bei mir...Ich hab geheiratet letztes Jahr und war schon mal schwanger ( Fehlgeburt) aber ab dem positivem Test ging es mir so gar nicht mehr gut. Nur noch Angst und Panik und mein Kinderwunsch ist sehr weit nach hinten gerückt. Mir reicht schon die Verpflichtung, die ich mit meinem Hund gerade habe. Gestern erst wieder gemerkt, dass man selbst da nicht mehr so wegkann, wie man gerne würde und verzichten muss...Da dachte ich mir auch einmal mehr "Und das noch mit einem Kind??"


    Ich hab ganz arge Ambivalenz bei dem Thema. Mal denke ich, wäre schön, dann wieder. "besser nicht"...
    Hab auch wahnsinnig Angst, dass wenn mein Mann mich mal verlassen sollte ich dann mit dem Kind alleine dastehe und das ist was, was ich mir überhaupt nicht vorstellen könnte..Aber in der heutigen Zeit muss man ja leider mit solchen Ausgängen rechnen ( als BA tut man das eh ständig)....

  • Habe die gleichen Gedanken! Meine Tiere sind mir auch schon Verpflichtung und Verantwortung genug. Und was die Zuverlässigkeit von Männern angeht...ohne Worte.
    Schon der Gedanke mein Leben auf etwas komplett ausrichten zu müssen und mein Leben nie mehr so führen zu können wie ich es jetzt tue, lässt mich eine große Abneigung Kinder zu kriegen empfinden. Ich finde es aber auch manchmal schade da ich das Gefühl habe, diese Empfindungen sind ja Symptome meiner Bindungsangst und es könnte ja alles anders sein wenn ich die BA nicht hätte.
    Weiter kommt bei mir aber noch dazu, dass ich durch meine Sensibilität nur sehr schlecht Lärm und Unruhe vertragen kann. Diese Punkte stören mich sehr, da ich sie nicht von mir aus ändern kann und sie mich darüber hinaus in vielen Lebensbereichen stressen. Bei laut schreienden Kindern mag ich oft nur noch mit zugehaltenen Ohren schnell weg laufen. Ob es bei meinem eigenen Kind auch so ein Gefühl wäre? Ich denke ja. Dies stimmt mich manchmal sehr traurig :(
    Stelle es mir auch schlimm vor, sich nicht freuen zu können und Panik zu haben. Dies überträgt sich zudem ja auch auf das Kind im Bauch. Und ob das für eine gesunde psychische Entwicklung gut ist!?


    LG, Jojo

  • Wenn ihr mich fragt: Kinder muss man bekommen ohne groß darüber nachzudenken. Ich kann nur jedem, der nicht ernsthaft psychisch krank ist, empfehlen Kinder zu haben. Kinder zu haben, setzt ungeheuer viel psychisches Potenzial frei. Es kann zB passieren, dass sich die "Probleme", die man bis dahin hatte, relativieren. Und man lernt, dass nicht alles im Leben planbar ist. Natürlich ist es manchmal schwer und anstrengend mit Kindern, aber man lernt damit umzugehen und dann Probleme zu lösen. Und mal ehrlich, wie oft will man denn "weg"? Was hat man denn so wichtiges zu tun...?


    Natürlich gibt es Menschen, die einen Lebenswandel haben, bei dem Kinder wirklich nicht passen: notorische Weltenbummler oder wer einen Beruf hat, der ihn mit Haut und Haaren fordert. Ich finde es dann sinnvoll, darüber nachzudenken und Kinder nicht unbedingt zu planen.


    Wem es so geht wie euch, würde ich empfehlen: Let it happen. Nehmt die Heruasforderung an, wenn es passiert. Und wenn nicht freut euch über euer etwas bequemeres Leben. Es gibt viele Frauen, die sich verzweifelt Kinder wünschen und es klappt nicht. Dieses Problem habt ihr dann auf jeden Fall nicht. Ist doch auch schon mal was :wink:


    Liebe Grüße von Griselda (3 Kinder, was nicht wirklich so geplant war)

  • Doch, das Problem hab ich wohl ;) Ich gelte aufgrund einer Ovarialinsuffuzienz als nahezu unfruchtbar und auf natürlichem Wege eh schon quasi gar nicht. Das ich mal schwanger wurde, war ein Wunder ( das schnell vorbei war). Als ich die Diagnose gekriegt habe, wollte ich auf Teufel komm raus ein Kind, bevor es zu ganz zu spät ist und ich hab sicher an die 100 Schwangerschafts und Ovulationsttests gemacht, die neun Monate bis es dann wirklich passiert ist. Seit ich aber schwanger war (und mich damit eine Welle der Angst und Panik überrollt hat), hat sich mein komplettes Denken gewandelt dazu. Wir haben uns dazu entschlossen die Verhütung weiter wegzulassen, schauen was passiert. Ich lass das jetzt das Schicksal entscheiden, wobei ich eh nicht glaube dass das nochmal passieren wird. Den Weg der künstlichen Befruchtung sollte das nicht mehr von selbst klappen, werde ich in keinem Fall gehen. Dazu brennt das "Feuer" in mir nicht so sehr, dass ich diese Strapazen auf mich nehmen würde ( von den Kosten mal ganz zu schweigen)....


    Bei mir ist es nicht mal das ich Angst habe nicht mehr weggehen zu können im klassischen Sinne, sondern das ich keine persönliche Freiheiten mehr haben werde. Ich meine dabei schon so labidare Dinge wie, mitten in der Nacht mit dem Hund laufen können (oder überhaupt in meinem Tempo laufen können, wenn dann immer ein Kind mit dabei sein muss) wenn mir gerade danach ist oder spontan mal jemanden besuchen oder bummeln gehen ohne das ich dabei einen Kinderwagen schieben muss oder ein heulendes Kleinkind am Bein habe. Mit Kindern musst du immer und ewig planen, oder nen Babysitter haben. Auch als Paar stelle ich mir das schwer vor, nicht nur mehr Mutter und Vater zu sein, sondern eben auch noch ein Liebespaar. Wir hätten zb niemanden, der auf das Kind aufpassen würde. Wie geht man dann mal zusammen aus? Gar nicht mehr??


    Klingt jetzt vielleicht echt dämlich aber am Wochenende haben wir so eine Situation direkt erlebt. Nicht mit Kind, sondern mit Hund. Wir hatten vor Monaten schon Konzertickets für eine Band, die wir sehen wollten. Die haben wir dann gegen andere Tickets in einer näheren Stadt getauscht, dass der Hund nicht so lange alleine bleiben muss. So, am Samstag also waren wir beide dagesessen und hatten beide das Problem, dass wir den Hund auch die 6 Stunden nicht alleine lassen wollten, weil der das noch gar nicht gewohnt ist so lange alleine zu sein. Also haben wir hin und her überlegt was wir nun machen sollen. Schlußendich haben wir ihn dann mitgenommen, weil wir dachten lieber 1 1/2 Stunden alleine im Auto lassen ( war ja schon dunkel und damit auch kühl im Auto), als die 6 Stunden zu Hause. Ende vom Lied: Als wir nach fast zwei Stunden Fahrt dort angekommen sind, wollten wir ihn auch nicht mehr alleine im Auto lassen und haben uns das Konzert, das eigentlich auf einer Burg stattfand vom darunter liegenden Friedhof angehört. Fakt: Über 3 Stunden Fahrt und 70 Euro für die Karten für den Arsch, nur weil wir nicht wussten was mit dem Hund machen.
    Ich hab wirklich und ehrlich auf der Heimfahrt daran gedacht, wie mein Leben zu Ende wäre mit Kind, wenn es schon mit Hund nicht mehr klappt ein einfaches Konzert anzuschauen. Das erste Mal dieses Jahr, das wir übrigens überhaupt mal weggewesen wären...Bei solchen Sachen reicht es mir dann echt schon mit dem Thema Kinder...


    Ich kann mir dann an schlechten Tagen echt sehr viele Argumente und Gründe gegen Kinder zusammenspinnen und alle haben sie mit irgendeiner Angst zu tun. Männer haben es da leichter, die gehen halt einfach wenn sie nicht mehr können/ wollen. Was aber tu ich als Mutter? Meinem Kind das selbe an tun wie mir meine "Erzeugerin" angetan hat und mich hat bei jeder sich zu bietenden Gelegenheit spüren lassen, wie belastend und unerwünscht ich war? Ich hab ne Scheiß Angst das ich genauso wäre wie meine Erzeugerin und mein Kind dann sein Leben lang unter ihrer unfähigen Mutter leiden muss wie ich das tun werde.


    Ich hätte auch Angst das ich irgendwann mit dem Kind alleine da stehe und dann ist es in meiner Vorstellung wirklich vorbei. Nur noch Kinder hier, Kinder da und selbst bleibt man dabei auf der Strecke wenn die Unterstützung fehlt von der Familie.
    Eine Garantie, dass die Ehe hält hat man ja leider nicht ( erstrecht bei uns zwei BA nicht) ich hab einfach eine Scheiß Angst alleine gelassen zu werden mit solch einer Verantwortung...


    Früher hab ich mir immer eine kleine Familie gewünscht. Gerade weil sie mir immer gefehlt hat. Wollte immer alles besser machen, als es bei mir war aber die Angst ist so gewaltig, seit das Thema aktuell ist. Ich merk das richtig, wie mein Kopf sich da quer stellt. Bin in einer Babygruppe seit der Fehlgeburt und ich kann das immer alles gar nicht mehr so fühlen, wie die Frauen dort. Das die so hibbeln, ob ihre Tage aus bleiben oder nicht. Ich hab da eher Angst davor mittlerweile und frag mich oft, was mit mir nicht stimmt....es ist einfach Angst und ich glaube nicht, dass ich die nochmal überwinden werde....Seit der Fehlgeburt hab ich das noch stärker als vorher. Da herrscht eine Angst vor, die echt alles in mir blockiert. Vorher wollte ich ein Kind, als ich dann schwanger war hab ich nur geheult und hab mich gleichtzeitig verflucht dafür, dass ich so fühlen muss.


    Das mit dem Lärm hab ich übrigens auch, noch viel mehr aber leide ich wenn ich nicht schlafen kann. Ich hab dann am folgenden Tag grundsätzlich Panikattaacken und Übelkeit. Mag mir nicht ausmalen, wie das wäre wenn ich das wochenlang erleben müsste. Ich bin so vorgeschädigt, weil ich immer auf meine Geschwister aufpassen musste, gegen meinen Willen bei meiner garstigen Mutter sein und der noch einen Gefallen tun...Ich hab ein Trauma von dieser Frau, anders kann man das nicht sagen...


    Wie soll ich ein Kind lieben, wenn meine "Erzeuger" mich beide nicht geliebt haben? Es ist so kompliziert und die Sache Kinder ist endgültig, wenn es mal da ist kann man nicht mehr aussteigen....diese Endgültigkeit ohne Ausgang ist für mich im Kopf nur sehr schwer zu ertragen...

  • Zitat von SugarLea


    Wie soll ich ein Kind lieben, wenn meine "Erzeuger" mich beide nicht geliebt haben?...


    Du tust es schon SugarLea. Indem du dir diese Gedanken hier machst. Weil du viiiieeeeel weiter bist, als deine Mutter. Du übernimmst Veranwortung für andere, du übernimmst jetzt schon Verantwortung - für ein ungeborenes Kind.
    Dahinter kommt man nicht mehr zurück, da bin ich ganz ganz sicher...
    :knuddel:

  • Ich versuche das gerade eher zu verdrängen so ein bisschen. Sollte das "Wunder" nochmal eintreten, hab ich noch genug Zeit mir darüber das Hirn zu zerbrechen.
    Ab und an schleicht es sich halt in meine Gedanken und meine Seele reagiert dann mit purer Abwehr und einem ganzen Rattenschwanz an doofen Gedanken...

  • Ich möchte noch einen anderen Punkt in die Diskussion einbringen:


    Auch ohne BA gibt es Frauen,
    * die gerne Kinder haben und gerne Mutter sind,
    * solche, die Kinder wollten, dann aber merken, wie anstrengend das ist und dass sie es sich anders vorgestellt haben und überfordert sind, und
    * solche, die aus verschiedenen Gründen keine Kinder bekommen können oder keine Kinder haben (wollen).
    Man ist nicht nur dann eine vollwertige Frau, wenn man Kinder hat!


    Oft werden kinderlose Frauen als egoistisch bezeichnet, aber man könnte genauso gut jene als egoistisch bezeichnen, die unbedingt Kinder haben wollen, um "glücklich" zu sein ... nur um zu merken, dass das Kind vielleicht doch nicht so oder das wird, was man sich vorgestellt hat oder sich nicht so um einen kümmert, wie man es gerne wollte usw. Kinder werden oft schon mit Erwartungen in die Welt gesetzt ... und damit belastet!


    Ich finde es - unabhängig von BA - einfach richtig, sich (wenn's nicht eh' von selbst passiert) diese Frage gut durchzudenken, die eigenen Möglichkeiten und Bedürfnisse damit in Verbindung zu setzen und dann sich zu entscheiden. "Der Gusto kommt mit dem Essen" ist in dem Fall ein schlechter Ratgeber, denn einem Kind gegenüber hat man einfach die volle Verantwortung.
    Dass sich BÄ diese Frage stellen finde ich sehr vernünftig.


    Ich kenne Kinder aus Beziehungen, wo ein Partner BÄ hatte - bei diesen Familien war es der Vater. Die Kinder/der junge Erwachsene litt darunter, weil weder die Mutter ihr das Verhalten des Vaters erklären konnte (wußte es ja selbst nicht einzuordnen), noch das Kind in der Lage war, sich einen bzw. den richtigen Reim darauf zu machen!


    Judith

  • Das ist ein toller Beitrag, Judith :-D !


    Zitat von Judith1

    * solche, die Kinder wollten, dann aber merken, wie anstrengend das ist und dass sie es sich anders vorgestellt haben und überfordert sind


    Bei diesen Worten denke ich gleich an meine eigene Mutter. Ich war ein absolutes Wunschkind. Sie hat mich wirklich sehr gewollt. Und trotzdem hat sie mich immer wieder verprügelt, weil sie mit der Erziehung total überfordert war. Dabei war ich kein allzu lebhaftes Kind. Im Gegenteil, ich saß meistens am Maltisch oder machte ein Puzzle und konnte mit 4 schon lesen, schreiben und rechnen.



    Zitat von Judith1

    Man ist nicht nur dann eine vollwertige Frau, wenn man Kinder hat!


    Richtig, so ist es. Aber sag´ das mal einem Menschen wie meinem Bruder, der vor einiger Zeit mal sagte: "Alle Frauen wünschen sich Kinder, nur meine Schwester Reni nicht. Ich kann das überhaupt nicht verstehen."
    Meine Devise ist nun mal, dass ich lieber auf Kinder verzichte, bevor ich welche mit einem Mann in die Welt setze, der einen schlechten Charakter hat. Ich bereue es absolut nicht, dass ich mit meinen Exen keine Kinder habe.



    Zitat von Judith1

    Oft werden kinderlose Frauen als egoistisch bezeichnet, aber man könnte genauso gut jene als egoistisch bezeichnen, die unbedingt Kinder haben wollen, um "glücklich" zu sein ... nur um zu merken, dass das Kind vielleicht doch nicht so oder das wird, was man sich vorgestellt hat oder sich nicht so um einen kümmert, wie man es gerne wollte usw. Kinder werden oft schon mit Erwartungen in die Welt gesetzt ... und damit belastet!


    Den Vorwurf des Egoismus musste ich mir immer mal wieder von einer Frau mit ganz starker BA anhören. Auf der anderen Seite bin ich als genau so ein Kind auf die Welt gekommen. Ein Kind, welches alle Erwartungen seiner Mutter erfüllen und rund um die Uhr funktionieren musste. Mein Vater war hauptsächlich mit sich selbst, seiner Arbeit und seiner Verwandtschaft beschäftigt. Meine Mutter fühlte sich von ihm vernachlässigt und wollte an seiner Stelle einen anderen Menschen, der ihr immer zur Verfügung stand. Einen Menschen, der von ihr abhängig war und somit immer machen musste, was sie wollte.


    Mein früherer BA-Mann stammt aus einer Großfamilie. Damals dachte ich, dass Menschen aus reiner Kinderliebe so viel Nachwuchs in die Welt setzen. Dabei ging es um was ganz anderes. Seine Eltern sind sehr wohlhabend und wollten ihr Erbe auf mehrere Personen verteilen.


    Kinder entstehen leider nicht immer um ihrer Selbst wegen, sondern oft aus egoistischen Motiven seitens der Eltern. Dann ist es kein Wunder, wenn sie später Probleme im Leben bekommen.