Fragen zum Umgang mit einem "Bindungsängstler"

  • Hallo, ich habe vor einiger Zeit einen jungen Mann kennen gelernt, gegenseitige Anziehungskraft, es ging alles recht schnell - und darauf folgte ein abrupter Rückzug seinerseits.
    Alles weitere führt jetzt zu weit, jedenfalls habe ich zwischenzeitlich viel über BA gelesen (wusste vorher garnicht, dass es sowas überhaupt gibt!) und bin mir sehr sicher, dass er davon leider recht massiv betroffen ist (etliche sehr typische Verhaltensweisen).
    Ich habe aus meiner Unwissenheit natürlich "tausend" Fehler gemacht, aber immerhin sind wir nun wieder an einem Punkt eines losen Kontakts.


    Jedenfalls waren wir uns letztendlich einerseits sehr nah, andererseits kennen wir uns leider in Wahrheit kaum. Leider haben wir kaum über Gefühle geredet, aber es ist eine irgendwie ganz merkwürdige gegenseitige Anziehungskraft da und mir liegt einfach etwas an ihm. Ich weiß nicht, ob es meinerseits für eine Partnerschaft überhaupt noch reichen würde, für eine Freundschaft definitiv (er "braucht Zeit").



    Nun also die Fragen (vorausgesetzt, wir treffen uns wirklich nochmal):


    Wie würde es wohl ankommen, wenn ich ihn offen frage, ob es ihm Angst macht, wenn ich ihm zu nah komme - und er deshalb weggelaufen ist?


    Vorausgesetzt, das würde nicht gleich wieder einen Rückzug provozieren - könnte man mit einem BA einen "Deal" für eine Beziehung machen? Er soll offen sagen, wenn er Abstand braucht und dann kriegt er den auch problemlos.
    Oder werden die Betroffenen selbst davon so überrumpelt, dass sie garnicht anders können als sich spontan "falsch" und eben auch verletzend/respektlos zu verhalten?


    Wie kommt es an, wenn man so einem Menschen offen Mitleid für sein Problem ausdrückt? (denn das habe ich)



    Überhaupt würden mich "Tipps" interessieren, wie man mit so einem Menschen am besten umgeht? Es ist klar, kein Druck aufbauen, trotzdem die eigenen Bedürfnisse nicht zu weit zurück stellen. Aber mehr als solche "Floskeln" finde ich irgendwie nicht.


    Danke Euch und viele Grüße,
    Sandra

  • Liebe Sandra!


    Ich kann dir nur von meiner eigenen Erfahrung berichten. Denk jedoch immer daran, dass jede Geschichte, jeder Mensch und jeder Fall einzigartig ist, auch wenn alles oft recht ähnlich ist…


    Bezüglich deiner Aussage, dass ihr kaum über Gefühle geredet habt, glaube ich, dass das ein Klassiker bei den BÄlers ist. Oft haben sie gar keinen richtigen Zugang zu ihren Gefühlen und darüber zu reden ist quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Zumindest habe ich das so erlebt, dass ein Mann den ich kenne nur dann über so was sprechen kann, wenn er komplett betrunken ist…


    Ich finde es auch sehr gut, wenn du dich damit beschäftigst, was DU brauchst und möchtest. Vielen von uns geht es ja so, dass wir unseren bindungsängstlichen Partner behandeln wie ein rohes Ei und selbst völlig auf uns vergessen. Behalt dir das unbedingt bei gut auf dich so achten – egal wie eure Geschichte weitergeht. Und so hart das auch klingen mag: Denk auch gut darüber nach, ob du wirklich bereit bist, dich auf so eine Geschichte einzulassen. Wie du ja hier im Forum vielleicht schon gelesen hast, gibt es nicht so viele Happy Endings und in jenen Fällen, wo es eins gibt ist der Weg steinig und gewunden und ein Endlosmarathon durch die Hölle.
    Nun zu deinen anderen Fragen: Natürlich kannst du ihn fragen, ob es ihm Nähe Angst macht. Ich glaube den meisten BÄlern ist es schon bewusst, dass sie damit nicht umgehen können. Auch wenn sie dieses „nicht-umgehen-können“ weniger als Angst wahrnehmen. (Den Mann den ich kenne, hat mal gesagt „tut mir leid, aber sobald Gefühle mit im Spiel sind, kenne ich nur noch einen Gedanken und der ist „Flucht“). Aber ich denke warum sollte man das nicht offen ansprechen? Ich habe für mich mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass die meisten Dinge sowieso früher oder später auf den Tisch kommen – und je länger man ein Thema runterschluckt, desto heftiger kommts dann rauf. Das ist zur Zeit auch mein großes Projekt…


    Wegen dem Deal glaube ich auch, dass das von jeder Person selbst abhängt. Ich weiß nur aus eigener Erfahrung, dass der Mann den ich mit BA kenne, sich darauf nie im Leben einlassen würde. Da kommen zuvor hunderte von Ausreden (z.B. es könne keine Beziehung zu mir haben weil ich kein Rindfleisch mag, er aber am liebsten das isst).


    Abschließend noch meine „goldene“ Regel, die ich über alles zu stellen versuche im Umgang mit BÄlern: Die andere Person wirklich und von ganzem Herzen so akzeptieren wie sie ist – mit dem Wissen, dass eine Beziehung unmöglich ist – sie trotzdem lieb haben und mit Liebe annehmen – und bei alledem versuchen, sie immer wieder um die Unterstützung zu bitten, die du selbst brauchst, damit du
    mit der Situation umgehen kannst…


    Liebe Sandra, ich hoffe, das hilft dir irgendwie weiter – ich glaub, vieles ist ein bisschen schwammig von dem, was ich geschrieben habe…


    Alles Gute für dich :) Tini

  • Zitat

    Aber ich denke warum sollte man das nicht offen ansprechen? Ich habe für mich mittlerweile die Erfahrung gemacht, dass die meisten Dinge sowieso früher oder später auf den Tisch kommen – und je länger man ein Thema runterschluckt, desto heftiger kommts dann rauf. Das ist zur Zeit auch mein großes Projekt…


    Eben, was ich aus meinem BAler-Geschichte draus gelernt habe, das ich die Männer nicht in die Watte packe, das hat einer jetzt ein paar mal erlebt, hat sich beschwert, das er nicht dafür kann :wink: Hab ihm zugestimmt und gesagt, wenn ich zu lieb bin, dann falle ich rein. Und gleich am Anfang, wenn ich merke das was nicht stimmt anspreche. Er unterstützt mich wo ich jetzt Hilfe brauche und er kann auf mich zählen, das ich ihn unterstütze, was draus wird, das weiss ich nicht.

    Um in der Welt etwas zu bewirken, bedarf es liebevoller Emotionen, nicht kaltherziges Denken!


    Wenn du mein Licht erst kennst, dann weißt Du, wie hell dein Tag sein kann und wie hinreißend die Freude die Du, durch mich erfährst.

  • Vielen Dank für Eure Antworten, vor allem Dir, Tini, für die langen netten Zeilen!


    Ja, im Grunde bin ich jetzt mit ihm "gleich auf", so dass ich selber nicht weiss, was ich will. Ein Teil von mir sagt, "ja" und ein anderer "weiss", ich würde mich ins sprichwörtliche Unglück stürzen. :colors:


    Na, mal sehen. Liegt ja auch sowieso nicht nur bei mir.


    Ja, dass ich nicht nur Samthandschuhe anziehen sollte, habe ich gemerkt! Habe ihm mal geschrieben, dass ich seine Rückzieher (einfach Funkstille) sch... finde - darauf kam natürlich garnichts (logisch!).
    Ne Woche später schrieb ich ihm, er hat keinen Grund nun beleidigt zu sein - und am nächsten Tag hatte ich eine Antwort. :mrgreen:


    Aber das kann man halt nicht mit allem machen.
    Wie will man sich so einen Menschen "greifen", wenn er sich in die Arbeit oder andere Ausreden flüchtet? Das kann man ja nicht so einfach als "Fehler" vorhalten, obwohl man sich vielleicht genauso sitzengelassen fühlt (und in Wahrheit ja auch wird).


    Kann man hoffen, dass sich das "Fluchtverhalten" einfach von selber zumindest bessert, wenn er zusehends spürt, dass es dafür garkeinen Grund gibt?


    Danke Euch und liebe Grüße,
    Sandra

  • Zitat

    Habe ihm mal geschrieben, dass ich seine Rückzieher..


    Das macht mein Kamerad um mit seinen Gefühlen zu vereinbaren, hab ihm gestern was geschrieben und weg war er :flower: Nur heute kann ich damit umgehen :-)


    Zitat

    ...und am nächsten Tag hatte ich eine Antwort.


    Das passiert bei mir auch das er auf einmal antwortet, dann wenn ich nicht erwarte, ich sag ihm schon er soll aus dem Schneckenhaus rauskommen :flower:

    Um in der Welt etwas zu bewirken, bedarf es liebevoller Emotionen, nicht kaltherziges Denken!


    Wenn du mein Licht erst kennst, dann weißt Du, wie hell dein Tag sein kann und wie hinreißend die Freude die Du, durch mich erfährst.

  • Hallo Sandra! Im Endeffekt doktort man doch nur an Symptomen herum. Die zugrunde liegende Erkrankung kann man als Außenstehender nicht heilen.
    Das Fluchtverhalten wird sich nicht bessern. Objektiv betrachtet gab es dafür ja nie einen Grund. Wie das bei Phobien halt so ist. Die Angst ist und bleibt dennoch da. Leider.

  • Danke, Angie. Klare Ansage.



    Gibt es eigentlich eine Erklärung, warum diese Menschen so eine extrem "lange Leitung" haben?


    Grübeln die da so viel und lange drüber - oder wird das "Problem" eher so oft ausgeblendet?


    Ich meine, es scheint ja fast üblich zu sein, dass abgetaucht wird, bis der andere schon denkt, man hört nie wieder was - und auf einmal kommt doch wieder eine Nachricht.



    Danke und viele Grüße,
    Sandra

  • Hallo Sandra :)



    Zitat von spock


    Na, mal sehen. Liegt ja auch sowieso nicht nur bei mir.


    Wenn ich dazu meine Meinung sagen darf: Doch, es liegt auch bei dir. Klar, du hast schon Recht, dass es nicht NUR an dir liegt und wenn der BÄler mal wieder Panik hat und wegrennt, kannst du egal was auch immer tun und es bringt nichts. Aber ich glaube, du solltest dir trotzdem darüber klar werden, ob du die Sache beenden willst (und dann musst du da auch konsequent daran arbeiten) – oder ob du sagt, du willst bei ihm bleiben (mit all der Schwierigkeiten was das so mit sich bringt und dem Bewusstsein, dass es hart wird und viel Arbeit für dich, damit klar zu kommen). So sehe zumindest ich das ;)



    Zitat von spock


    Kann man hoffen, dass sich das "Fluchtverhalten" einfach von selber zumindest bessert, wenn er zusehends spürt, dass es dafür garkeinen Grund gibt?


    Ganz ehrlich? Nein, das glaube ich nicht. Viele Betroffene habe seit ihrer Geburt nichts anderes gemacht, als wegzulaufen, die haben das nie anders gelernt. Natürlich macht das traurig und manchmal hofft man unweigerlich, dass es sich bessert. Aber ich denke, dass das von alleine nicht weggeht. Nur durch konsequente Selbstarbeit, nur wenn der BÄler das wirklich von ganzem Herzen so will. Vielleicht kann er ein kleines bisschen besser damit umgehen mit der Zeit, aber ich denke, das bleibt minimal. Obwohl… ich bin mir auch nicht sicher – vielleicht heilt es mit der Zeit doch noch ein bisschen aus (sollte das bei manchen Menschen so sein, dann glaube ich jedoch, dass das erst nach vielen, vielen Jahren (vielleicht 15, 20 Jahre…) so ist)…. Ich glaube, auch das ist eine Frage, die du für dich selbst klären solltest im Umgang mit ihm.


    Zitat von spock


    Grübeln die da so viel und lange drüber - oder wird das "Problem" eher so oft ausgeblendet?


    hmm.. sehr gute Frage. Ich vermute, es ist ein bisschen was von beiden. Sie denken ja über ihren Partner nach, kommen da aber zum Schluss, dass es nicht funktionieren kann und sie selbst – also die BÄler – schlechte Menschen sind und es keinen Sinn hat. Das ist dann zu viel für sie und sie blenden das durch diverse Sachen aus (neuer Partner, schlichtes Vergessen vom bestehenden Partner, Alkohol, Drogen, Arbeit,… - da gibt es sicher ganz viele verschiedene Möglichkeiten, sich nicht damit beschäftigen zu müssen).


    Ich hoffe, du findest für dich Antworten :)
    Alles Liebe, Tini