Typische Verhaltensweisen außerhalb einer Beziehung

  • Hi ich bin neu hier und möchte aktiv an meiner Bindungsangst arbeiten. Leider finde ich es sehr schwierig. Ich weiß nicht, wie ich da ansetzen kann. Mein Problem ist, dass Beziehungen gar nicht erst zustande kommen, da der Mann vorher schon wegläuft. Ich denke nicht, dass es Bindungsphobiker waren, denn sie hatten vor mir schon längere Beziehungen. Ich denke, es muss etwas anderes sein.


    Daher wollte ich wissen, ob es denn auch außerhalb einer Beziehung Merkmale/Verhaltensweisen gibt, die einen Bindungsphobiker ausmachen? Vielleicht möchte ich mit diesen Verhaltensweisen anfangen mich dieser Angst anzunähern.


    Ich habe Sozialphobie, wobei ich mich da nicht mehr so phobisch sehen würde. Ich weiß, dass ich eine Verlassenheitsangst habe. Was sind noch so typische Verhaltensweisen im Alltag, die einem vielleicht gar nicht so bewusst sind?

  • Hey du,


    Jetzt könnte ich hier ein Buch schreiben, klar.
    Tatsächlich gibt es aber nur eine Frage die sinnvoll ist und einen Lösungsansatz, der überhaupt helfen kann:


    Macht du eine Therapie? Eine passende?

    I can buy myself flowers

    Write my name in the sand

    Talk to myself for hours

    Say things you don't understand

    I can take myself dancing

    And I can hold my own hand

    Yeah, I can love me better than you can

  • Hello, Via!
    "Typisch" ist ja immer sehr relativ...weiß nicht, ob es dir wirklich hilft, wenn hier Menschen von ihren höchst individuellen Symptomen berichten...aber gut, liste mal einige meiner persönlichen "Symptome" der BA außerhalb einer Paarbeziehung auf...vielleicht findest ja echt eine Art Bestätigung für dich, bzw. in Folge die Erkenntnis, dass eine Therapie - wie Radieschen schrieb - die einzig sinnvolle, wegbereitende Maßnahme ist:


    * es klingelt überraschend an meiner Türe....PANIK!!! (Wer kann das sein? Wie schau ich aus? Wie schauts in meiner Wohnung aus? Was will dieser Mensch von mir?) Meist stell ich mich tot, wenn das passiert.
    * ein Freund/Freundin ruft an und sagt: "Ich bin grad in deiner Nähe, wollen wir uns treffen?"....PANIK!! (Ich brauch viel zu lang, um mich zurecht zu machen - mich gewissermaßen zu "rüsten" - um als coole, spontane Alte rüberkommen zu können)
    * jemand schlägt mir ein zeitlich überschaubares, planbares Treffen - sagen wir mal kommendes Wochenende - vor...und ich bin unfähig, zu- oder abzusagen. Gedanken in etwa: Keine Ahnung, ob ich dann bereit dazu sein werde. Meist sag ich zu, weil ich ja "normal" wirken will, dennoch behalte ich mir stets im Hinterkopf, welche Ausrede ich anwenden könnte, um im Falle des Falles doch kurzfristig absagen zu können.
    * nach einer straffen Arbeitswoche, die bei mir immer mit viel Kontakt und In-Beziehung-Sein mit Menschen zu tun hat, bin ich nur mehr ruhebedürftig und will keinen Homosapienssapiens mehr sehen. Mehr noch: nicht einmal BEGEGNEN!
    * bin gern allein unterwegs, im Wald z.B. und fühl mich sehr nervös und unsicher, wenn ich dort auf Menschen treffe.
    * ich fahre lieber ein Stück weiter zum Großeinkauf, als mich dem Risiko auszusetzen, im nahen, örtlichen Supermarkt jemandem Bekannten über den Weg zu laufen.
    * ich kann erst über Probleme oder Schwierigkeiten mit mir nahen Menschen sprechen, wenn ich für mich alleine schon "durch" bin...also hinterher. Niemals im akuten, aufgewühlten Zustand.


    So long..
    Liebe Grüße,


    Katyes

    But the more you hold on to me
    The less you can have of me
    The more you hold on to me
    The less I am yours to keep
    (Wallis Bird "in dictum")

  • Katylein wir sind so ähnlich.
    Kann ich fast alles so unterschreiben.


    Ich weiß oft auch nicht wie ich Menschen hallo sagen soll.
    Hand geben, umarmen, Küsschen, einfach hallo?
    An meinen Partner gehe ich auf den Boden schauend vorbei und fange erst einige Meter in der Wohnung an zu reden.
    Wenn ich zu Gruppen stoße - Panik. Am besten kurz in die Runde winken.


    Bevor ich Bahn oder Unahn fahre, laufe ich lieber Stunden. Ist mir total egal wie lange.
    Beim fliegen oft Panik.

    I can buy myself flowers

    Write my name in the sand

    Talk to myself for hours

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    And I can hold my own hand

    Yeah, I can love me better than you can

  • Ja ich mache eine Therapie. Bindungsangst wurde da bisher nicht angesprochen. Jedoch ist mein Verhalten bei Interesse eines Mannes mit starken körperlichen Symptomen wie Erröten, Zittern, Fluchtgedanke sehr stark, sodass es schon gar nicht zu einer Annäherung kommt.


    Außerhalb einer Beziehung habe ich Verhaltensweisen wie:
    Wenn es unerwartet an meiner Tür klingelt. "Wer wagt es ohne anzurufen vorbeizukommen? Ohje es ist nicht aufgeräumt. "
    Auf der Arbeit merke ich, dass ich mal gut drauf bin, an anderen Tagen aber wieder auf Distanz gehe. Ich denke mir dabei irgendwie, ich möchte mich nicht zu gut mit den Kollegen verstehen, sodass sie 1. nicht meinen, mich immer als erstes für etwas zu fragen, was auf Dauer nervt. 2. das sie anfangen mir private Fragen zu stellen. Da ist dann ein großes Mißtrauen Kollegen etwas privates anzuvertrauen, weil ich immer denke, irgendwann kehren die meinen Rücken und dann wissen sie zuviel über mich.
    Wenn ich mir denke, dass ich mir was schönes einkaufen gehe, versteht mir schon die Lust, wenn ich da bin, obwohl ich vorher mich noch unbedingt mal chick neu einkleiden wollte. Laufe sonst eher unauffällig rum.
    Bei zuvielen Terminen denke ich mir auch, dass mir meine Freizeit flöten geht. Ich habe immer das Gefühl, Zeit für mich allein zu brauchen.
    Meine Familie rufe ich eigentlich nie an, da wir uns sowieso nie was zu erzählen kann. Ich sehe keinen Sinn darin. Die Gespräche beschränken sich auf 5 Minuten, wenn überhaupt.
    Fremde Menschen finde ich total uninteressant und beobachte sie eher aus der Ferne. Lerne sie so gesehen passiv durch Zuhören kennen und mache mir so mein Bild. Dann entscheide ich für mich, ob diese Person keine Gefahr darstellt, sympatisch ist und es wert ist, sie näher kennenzulernen.
    Menschengruppen, auch kleine bereiten mir Unbehagen.
    Ich würde gerne mal ausgelassen feiern gehen, aber ich kann einfach nicht aus mir raus und gelassen sein. Somit bleibe ich zuhause, bevor mir Leute vorwerfen, ich hätte schlechte Laune. Dabei ist es die Angst, die mich so lähmt. Die schlechte Laune kommt dann dadurch, dass man mir vorwirft schlechte Laune zu haben.

  • Das Buch Jein habe ich gelesen. Konnte mich in wenigen Passagen wiederfinden. Die Frage, die ich mir stelle ist, was kann man konkret gegen diese Bindungsangst tun? Ich merke, dass ich derzeit einen starken Fluchtreflex habe, wenn mir was unangenehm ist. Ich versuche daher, sobald es mir bewusst ist, einen Schritt langsamer zu gehen, länger in der Situation zu bleiben. Nur was kann ich noch tun?

  • Via?!


    Vielleicht, dich mit all den vermeintlichen Unzulänglichkeiten nehmen und trotzdem - nein, deshalb - selbst lieben? (haha...als wärs so einfach)
    Das mit dem Shoppen kenn ich soooo gut! Ich habe deshalb ca 20 gleiche Kleidungsstücke im Kasten...alle gekauft mit der Intention, doch mal etwas Ausgefalleneres zu tragen. :lol:
    Mein Credo ist seit einiger Zeit, ca. 2 Jahre, "mach dich täglich 1x bewusst lächerlich" - dann verschiebt sich diese strenge,super-ernste Perspektive auf mich selbst nämlich. Jedesmal wieder erfahre ich: Ich lebe noch! Ich bin trotzdem noch ganz! Kann mir immer noch in die Augen schauen! Bin gut drauf!


    Szenarien: jemanden bewusst mit falschem Namen ansprechen, ungeschminkt zur Arbeit gehen, im Supermarkt die Kassierin in ein Gespräch verwickeln - obwohl hinter mir 4 Menschen ungeduldig mit den Hufen scharren, im eigenen Ort Fremde nach dem Weg nach Hause fragen, Smalltalkern sagen "ich versteh überhaupt nicht, wovon du sprichst"...etcetc.


    Humor ist eine immens wichtige "Medizin" auf dem Weg zur Selbstheilung, wie ich finde.


    Hug! :wink:

    But the more you hold on to me
    The less you can have of me
    The more you hold on to me
    The less I am yours to keep
    (Wallis Bird "in dictum")

  • Humor habe ich genug, nur leider verschwindet er, wenn ich nervös werde. Ich merke, dass ich auch sehr stark privates auf der Arbeit vermeide. Ich hätte schon Probleme damit mit einem Freund hier durch den Ort zu laufen. Mich könnte ja jemand sehen, der mich kennt.

  • Viele Merkmale, die Ihr so auflistet, erinnern mich an introvertierte Menschen. Und Introvertiertheit ist doch eine total normale und zu akzeptierende Eigenschaft, auch wenn es in unserer Gesellschaft extrovertierte Menschen leichter haben.


    Vielleicht könnte es ja helfen, über Erfahrungen Introvertierter Menschen zu lesen, wie die ihren Frieden damit gemacht haben und das auszuprobieren. Und die restlichen Eigenschaften, die dann noch übrig bleiben, die haben dann vielleicht einen größeren Zusammenhang zu BA als die anderen. Es ist doch nicht alles, was anders ist, unnormal oder nicht richtig.