Wie Betroffenen mit der Bindungsangst konfrontieren?

  • Hallo zusammen,


    ich brauch dringend Rat.

    Es geht um einen Mann, bei dem ich jetzt erst begriffen habe, dass er unter Beziehungsangst leidet.


    Wir kennen uns schon seit Jahren. Wir hatten ein sehr enges (platonisches) Verhältnis. Wir haben alles zusammen gemacht über Jahre hinweg. Es gab kaum einen Tag, an dem wir uns nicht gesehen haben. Wir haben uns blind verstanden. Wir hatten beide Interesse aneinander. Nur hat sich keiner von uns getraut, den ersten Schritt zu machen. Je länger wir gewartet haben, desto schwieriger wurde es. Irgendwann hat es sich ergeben, dass wir zu einer WG zusammengezogen sind (ich muss zugeben, dass ich mich ihm dabei etwas aufgezwungen habe). Die WG hat gut funktioniert.

    Dann habe ich endlich meinen ganzen Mut zusammengenommen und ihm gesagt, was ich für ihn empfinde. Seither ist nichts mehr, wie es mal war. Es gibt kein „wir“ mehr. Wir leben nur noch nebeneinanderher und machen immer weniger gemeinsam. Er gibt mir das Gefühl, ihm völlig gleichgültig geworden zu sein. Er weigert sich, mit mir zu reden. Je mehr ich ihn darum bitte, wieder etwas gemeinsam zu machen, desto mehr weicht er mir aus. Wenn ich dann aber tatsächlich darüber nachdenke auszuzuziehen, reagiert er eingeschnappt. Er scheint wohl doch nicht zu wollen, dass ich ausziehe. Wenn ich ihm sage, es würde nur ein Wort von ihm genügen, dass ich bleibe, schweigt er.

    So geht es nun schon eine ganze Weile. Wir scheinen nicht miteinander, aber auch nicht ohneeinander zu können.


    Ich bin mir inzwischen sicher, dass es sich bei ihm um eine Bindungsangst handelt. Er ist sich dieser aber nicht bewusst. Ich möchte ihn darauf ansprechen, weiß aber nicht wie. Ich kann seine Reaktionen inzwischen gar nicht mehr einschätzen und habe Angst, dass danach alles endgültig auseinander geht.


    Meine Fragen v.a. an die Betroffenen:


    Wie wurdet ihr mit dem Thema Bindungsangst konfrontiert? Habt ihr es selbst erkannt oder wurdet ihr darauf hingewiesen? Wie hat es sich in dem Moment für euch angefühlt? Was hat euch geholfen, es zu akzeptieren? Kann ich etwas tun, das ihm die Konfrontation mit dem Thema etwas erleichtert?



    Ich glaube nicht, dass er die Angst tatsächlich spürt, sondern eher der Typ ist, der dann nichts mehr fühlt. Ein offenes Gespräch ist unmöglich. Er blockt alles ab, was auch nur ansatzweise unangenehm werden könnte.


    Unabhängig, was aus uns beiden wird, würde ich ihm aber sehr gerne helfen, da ich ja sehe, wie sehr er sich eine Beziehung wünscht.


    Was sind eure Erfahrungen?


  • Hi Toni,


    Es tut mir leid dass es dir da grade nicht gut zu gehen scheint.

    Hier im Forum kannst du sicherlich einige liebe Menschen finden, die deine Geschichte gut nachempfinden können.


    Leider muss ich sagen, dass es dir meiner Ansicht nach nicht „zusteht“ da irgendwen mit möglichen Diagnosen zu konfrontieren, die du selber gestellt hast.

    Ich finde das sehr übergriffig und fachlich auch einfach nicht korrekt, weil du gar nicht wissen kannst, warum dieser Mensch ist wie er ist.

    Du würdest vielleicht auch nicht schön finden, wenn dir eine Laie Diagnosen anhängt?


    Was du machen kannst und auch solltest (sowieso) ist dich zu kommunizieren.

    Also deine Gefühle, was dich in der Beziehung verärgert, oder dir sogar Angst macht?

    Was deine Wünsche sind, oder auch unantastbare Grenzen (also was duldest du überhaupt nicht) und wo sind vielleicht Kompromissbereiche?

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  • Genau das ist der Punkt, warum ich hier frage. Ich möchte nicht übergriffig sein und ihm eine Diagnose aufzwingen. Ich möchte aber dennoch, dass er sich mit dem Thema beschäftigt, weil ich glaube, dass es ihm helfen kann. Er soll danach selber entscheiden können, ob er der Meinung ist, dass es auf ihn zutrifft und wenn ja, ob er etwas unternehmen möchte. Er ist mit der jetzigen Situation ja auch unglücklich und ich habe das Gefühl, dass ihm der Ansatz fehlt, wie er da raus kommen kann.

    Ich werde es akzeptieren, wenn er für sich entscheidet, sich nicht weiter mit der BA beschäftigen zu wollen. Ich habe nur Angst, dass er es zu sehr als „Angriff“ wahrnimmt und danach wieder mehr Distanz zwischen uns herrscht.

    Ich will es aber auch nicht unversucht lassen, weil ich darin tatsächlich eine Hoffnung sehe - insbesondere für ihn.


    Wie es mir in der jetzigen Situation geht habe ich immer wieder versucht, ihm zu erklären. Er hat darauf aber immer nur schweigend mit anschließend mehr Distanz reagiert.


    Ihm die „Diagnose“ zu geben, war erstmal für mich wichtig, weil es mir damit leichter fällt, mit seinem Verhalten umzugehen - auch wenn ich es fachlich eigentlich nicht beurteilen kann. Ich bin mir aber durchaus bewusst, dass ich das trennen muss. Ich weiß, dass ich nicht erwarten kann, dass er die „Diagnose“ annimmt, nur damit es mir besser geht.


    Deshalb frage ich hier ja auch nach Erfahrungen, was sich BÄ wünschen.

    Ist es besser, gar nicht von außen damit konfrontiert zu werden? Wenn doch, wie? Gibt es eine Chance, ohne zu sehr damit überfordert zu sein - dass es eben nicht als Diagnose wahrgenommen wird, sondern als gutgemeinte Hilfestellung?

  • Wie wäre es, wenn du ihm mitteilst wie du dich fühlst, am besten in „Ich-Botschaften“ denn „Du-Botschaften“ wirken immer sehr anklagend. Also zb „Ich habe das Gefühl du schiebst mich weg“ anstatt „Du schiebst mich weg und deshalb gehts mir schlecht“.


    Du könntest ihm dann auch mitteilen, dass du schade findest wie es sich zwischen euch entwickelt hat und dass du dir wünschst es wäre wie früher.

    Dann könntest du ihn fragen, wieder das sieht und ob er mit dir zusammen versuchen möchte eure Beziehung wieder zu kitten.


    Ich an deiner Stelle würde vermeiden ihn da in Richtung Paarbeziehung zu drängen, egal ob du glaubst er möchte es eigentlich auch.

    Er weiß um deine Gefühle und nun ist es an ihm zu entscheiden, wie er damit umgeht.

    Rechne damit, dass ihr allenfalls zurück zu der „alten Beziehung“ findet.

    Alles andere würde ich wahrscheinlich über kurz oder lang eure Beziehung (egal in welcher Form) zerstören.

  • Aber du weißt doch auch gar nicht, OB er sich mit irgend einem Thema beschäftigen möchte.


    Menschen mit Problemen in Beziehungen haben diese häufig nur, weil jegliche Abgrenzung unmöglich ist. Weil es überhaupt keine Werkzeuge für sie gibt, sich selbst in Beziehungen eben nicht zu verlieren. Sich nicht anpassen zu müssen, die eigenen Bedürfnisse zu schlucken, um den kaum vorhandenen Selbstwert irgendwo zu „vertuschen“.


    Es gibt da gar nicht EINE Diagnose, das ist das große Problem. Und oft hat es beste Gründe, dass der Großteil der Problematik gar nicht bewusst wahrgenommen wird.

    Vermeidungen und Unterbewusstsein haben ihre Gründe. Das sind Schutzmechanismen.

    Du hilfst nicht, wenn du versuchst diese einzureißen. Dann wirst du wahrscheinlich einfach auf Gegenwehr stoßen. Wenn überhaupt.

    Vielleicht stößt du im Bewusstsein auch auf ein „Interesse“, während das Unterbewusste den Mörtel anrührt um die Mauern zu erweitern.


    Wenn du in der Kommunikation von dir abweichst, und dich auf deinen Partner fokussierst, sehe ich da null Chancen. Das ist aber unabhängig von der Beziehung, das ist meine ganz pauschale Meinung zu einer gelungenen Kommunikation.


    Wenn er Leidensdruck hat und SELBER und in Eigeninitiative etwas verändern möchte, ok.

    Du kannst ihm nur mitteilen, was DU brauchst, was DU möchtest, was DU fühlst und wo DU hin möchtest :-)

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  • Hallo!

    Vielleicht bist Du verwundert und fühlst Dich unverstanden mit den ersten erhaltenen Antworten. Wenn man, als besorgter Wegbegleiter eines Menschen, mit schwer nachvollziehbarem Bindungsverhalten, in diesem Forum ankommt, ahnt man oft noch nicht, dass man selbst ein, nicht wesentlich kleineres, Päckchen zu der Thematik mitbringt, was voller Überraschungen steckt.

    Das mal nur am Rande zur Erklärung, weil ich es, obwohl ich schon ne Ecke weiter bin, oft immernoch als sehr ernüchternd empfinde, wie man als neues, verschrecktes Häschen hier aufgenommen wird. Im Grunde gehen hier alle gleich ans Eingemachte. Und wenn Du Dich in den nächsten Stunden und Tagen intensiv durch die unterschiedlichen Beiträge ackerst, verstehst Du schnell, warum das genau so auch sinnvoll ist.

    Also willkommen 😊

  • Ja, da hat Insomnia recht. Ist halt schwer wenn man schon so lange im Thema ist die kleinen Schritte am Anfang noch mitzugehen. Ist nicht so gemeint. Wir bräuchten hier mal ein sanftes und einfühlsames Begrüßungskomittee. Ich selbst bin auch schon zu lange dabei :D Sorry! Und willkommen. Hier kannst du aber dennoch sehr kompetente Hilfe bekommen, wenn du den Anfang überstehst---ähem :hilfe:

  • Danke euch. Ich habe ja nach eurer Meinung gefragt, da darf sie auch gerne direkt geschrieben werden.
    Habe dennoch das Ganze erstmal ein bisschen sacken lassen müssen, bis ich antworte. Wahrscheinlich habt ihr recht. Was für mich als "der richtige Weg" erscheint, muss nicht auch tatsächlich "der richtige Weg" sein. Vielleicht trifft ja auch hier der Spruch zu "gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht."

    Vielleicht war in meinem Anliegen auch mehr Egoismus enthalten, als ich es mir zugestehen wollte...

  • Hallo Toni,


    die Frage für mich ist erstmal, was du dir von einer Konfrontation erhoffst? Selbst wenn du ihm mitteilst, dass er in deinen Augen Bindungsangst hat, was für einen Erfolg erhoffst du dir? Ich glaube es ist nicht wichtig, was für eine "Diagnose" er hat, sondern es ist viel wichtiger, seine Signale zu deuten. Er zeigt dir, dass er gerade nicht in der Situation ist, dass er viel Nähe mit dir möchte. Es kann sein, dass er die entspannte Art mit dir mochte und dass er Angst hat, dass sich nun vieles ändert zwischen euch. Das muss nicht zwingend Bindungsangst sein, es kann auch einfach sein, dass ihr verschiedene Ziele habt. Klar möchte er nicht, dass du ausziehst, eine neue Bleibe oder einen anderen Partner zum gemeinsam leben zu finden ist immer hart...aber das bedeutet nicht gleich, dass er dich liebt und sich nicht traut. Bindungsangst betrifft bei vielen auch enge Kontakte im Freundeskreis...tägliche Unternehmungen und gemeinsam wohnen sind schon Kompetenzen, die gar nicht jeder mit Bindungsangst hat...Ich würde ihn lassen, fokussiere dich mehr auf dich und versuche nicht, ihn zu "heilen"..Er fühlt sich bestimmt bedrängt und das mag niemand...Einfach entspannt alles laufen lassen und dann schauen, was passiert wäre mein Tipp...Liebe kann man nicht erzwingen, auch nicht mit "Diagnosen"...Ganz liebe Grüße!

  • In der Kürze ist es leider schwierig, alles zu erklären. Es gab durchaus Phasen, dass wenn ich mehr Abstand zu ihm genommen habe, er versucht hat, mir näher zu kommen. Sobald ich es aber zugelassen habe, war er wieder auf der Flucht. Es gab auch eine andere Frau vor einem halben Jahr. Bei ihr lief es genauso. Es deutet durchaus sehr viel darauf hin. Ich weiß, mein Text liest sich eher so, als ob ich einen Grund suchen würde, warum es zwischen uns nicht klappt.


    Hintergrund meiner Frage war vielmehr, dass ich in vielen Artikeln gelesen habe, wie wichtig für Betroffene erstmal die Erkenntnis ist… Mein Anliegen war, dass er einen Ansatz hat, woran es liegen könnte, warum keine Beziehung bei ihm funktioniert.

    Mit Egoismus meinte ich, ob bei mir unbewusst vielleicht auf die Hoffnung bestand, dass das die Situation auch zwischen uns wieder etwas verbessern könnte. Ich weiß es nicht.

  • Es gibt sowas wie eine Komfortzone. Vielleicht ist genau dieses platonische Zusammensein als WG die Dosis an Nähe zu Dir, die er noch ertragen kann.


    Die schlechte Nachricht, ist, dass alles was über die Komfortzone hinausgeht seine Warnlampen angehen lässt. Unter Umständen kann auch Dein Verständnis und konstruktive Lösungsvorschläge sich für ihn schon als "zuviel" anfühlen. Ihn irgendwie auf das Thema BA bringen zu wollen , könnte schon ein Übergriff für ihn sein.


    Du bist also einer ziemlich schlechten Position. Als Arbeitshypothese würde ich mal zur Probe annehemen, dass es für Dich da sehr wenig Möglichkeiten gibt, an ihn heranzukommen und ihn näher zu Dir ranzubekommen. Dieses Maß an Nähe ist es und wird es vermutlich auch immer bleiben.


    Die Gefühlslage, in der BAs stecken, ist oftmal sehr ambivalent und nach Außen hin auch sehr paradox. Da gibt es oft eine Mischung zwischen einerseits Schuldgefühlen wegen der Abweisung und andererseits sehr starken Abgrenzungswünschen und Ängsten vor Vereinnahmung.


    Das beschissene an der Sache ist, dass man als Partner praktisch null Handhabe hat. Eben wegen diesen paradoxen Zuständen ist es praktisch unmöglich, sich irgendwie richtig zu verhalten. Es gibt eigentlich nur ein richtiges Verhalten, dazu gleich mehr.


    Die Frage, die sich dann anschließt, ist, ob Du wirklich in dieser Situation bleiben willst, in der er der Herrscher über den Grad von Nähe ist und Dieser Grad Dir viel zu wenig ist.


    Es ist glaube ich völlig normal, dass man zu Anfang nach Erklärungen sucht. Das ist vermutlich auch einen Art Schutzmechanismus. Das Hirn oder der Kopf will und muss einfach diese völlig absurde Situation verarbeiten und erklären können, deshalb entstehen dann glaube ich diese Grübeleien und Erklärungsversuche. Man liest ein Buch nach dem anderen, hängt tagelang im Forum rum, und fragt sich: "warum zum Teufel ist er so wie er ist, und wie kann ich mich verhalten, damit es besser wird?"


    Jetzt kommen wir langsam zum Kern der Sache. Ich denke, Du wirst das hier schon sehr oft gelesen haben. Dieser Fokus auf ihn und die Erklärungsversuche sind auch ein Schutz davor, sich mit den eigenen Ängsten zu beschäftigen. In dem Du ständig gedanklich um ihn kreist, stellst Du eine Art künstlichen Kontakt zu ihm her, da der reale Kontakt ja nicht möglich ist.

    Ich glaube, dass man in dieser Situation sehr sehr viele eigene Themen in den Partner projiziert, weil die Psyche das irgendwie auf den anderen Menschen auslagert. Es ist anscheinend auch eine Schutzstrategie.


    Wenn wir mit einem Menschen zusammen sein wollen, der das nicht will oder nicht kann, und nicht davon ablassen können, dann sind die viel wichtigeren Fragen warum WIR SELBST eigentlich nicht aus der Situation herausgehen. Hier könnte man jetzt erforschen, welches Programm an Liebe man eigentlich innerhalb der frühen Kindheit gelernt hat. Wenn das stark damit zu tun hatte, dass man sich für Liebe anstrengen musste und sich anpassen musste, die eigenen Beürfnisse zurückstellen musste, könnte hier schon der Schlüssel dafür liegen. (Thema: Ich bin nicht gut genug)


    Selbst wenn man die genauen Sachverhalte der Kindheit nicht 100% therapeutisch aufarbeitet und erklären kann, so ist in der Gegenwart auf jeden Fall die Beschäftigung mit dem eigenen Selbstwert sehr sinnvoll. Denn der ist das Ergebnis im hier und heute.

    Das Festhalten und zusammensein Wollen mit unerreichbaren Partnern ist meiner Meinung nach in einem ungenügenden Selbstwert begründet. Dummerweise ist es auch noch selbstwertschädigend obendrein, da man ja permanent zurückstecken muss.


    Wenn du also die erste Phase des "Ihn erklären Wollens" langsam überwindest, dann kommt der weitaus interessantere Teil: die Erforschung Deiner selbst.


    Das einzig richtige Verhalten (Meiner Meinung nach) im Bezug auf die BA Beziehung ist Abstand - Distanz. Denn je weiter Du in der Distanz bist, desto mehr kannst Du Deinen Selbstwert erforschen und Dich um Dich kümmern.

    Die Krux ist natürlich, dass eine aktive und bewusst entschiedene Distanzierung nicht mal eben so vom Himmel fällt, weil man ja eben gerade nicht in der Lage dazu ist.


    Ich denke hier zählen ganz stark die kleinen Erfolgserlebnisse, wenn man den großen Schritt noch nicht geschafft hat. An den kleinen Erfolgen kann man lernen, dass man auch mal Herr der Lage ist und seine Grenzen gewahrt hat.


    Das war jetzt ganz schön viel Text. Ich habe sehr allgemein geschrieben. Vielleicht kannst Du Dich ja mit einigen Aspekten identifizieren.

  • Ich finde diese Erklärung sollte ein gepinnter Beitrag für alle Neuankömmlinge sein. Er hat meiner Meinung nach die perfekte Mischung aus vorsichtigem Verständnis und klarer Botschaft, die ein Mensch benötigt, der noch ganz jungfräulich und überfordert hier ankommt.

  • Ich hätte so gerne eine klare Antwort, warum ich nicht gehe. Irgendwie ist es Hoffnung, obwohl ich nicht so wirklich weiß, worauf ich eigentlich hoffe. Ich war schon so oft an dem Punkt zu gehen, aber immer in diesem Moment ist er dann wieder ein komplett anderer und scheint irgendetwas in mir zu triggern, das mich dann doch wieder nicht gehen lässt.


    Dass die letzte Zeit nicht förderlich für mein Selsbtwert war, ist mir bewusst. Ich habe mich ein Stück weit selbst verloren, indem ich mich ständig ihm anpasste. Inwieweit der Selbstwert Grund ist, dass ich noch bleibe, kann ich so direkt nicht beantworten.


    Ich habe für mich beschlossen, erstmal in der WG zu bleiben, aber mit Abstand - also jeder macht sein Ding (und ich richte damit meinen Blick wieder mehr auf mich selbst). Wenn daraus wieder eine funktionierende Freundschaft entsteht, ist es gut. Ansonsten wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als getrennte Wege zu gehen...

  • Hallo Toni70, ich finde, du hast wundervolle Fragen gestellt. Schade, dass du keine einzige Frage beantwortet bekommen hast, oder ich habe es übersehen. In deinem Beitrag deutet für mich nichts darauf hin, dass du selber ein Problem hast, nach dem du suchen und es bearbeiten müsstest. Es ist völlig normal und nachvollziehbar, dass du mit seinem uneindeutigen Verhalten Probleme hast. Wie soll man denn seelisch beschaffen sein, um mit so einem Verhalten zurechtzukommen? Menschlich völlig abgestumpft, oder was? Selbstverständlich sehnst du dich nach Klarheit und Eindeutigkeit, und in meinen Augen hast du es verdient zu erfahren, und er steht in der moralischen Pflicht, dir mitzuteilen, was das mit euch ist und werden soll.


    Ich versuche mal deine Fragen zu beantworten, soweit ich es kann. Ich habe aber keine große Erfahrung mit dem Thema.


    Ich finde es OK, einen nahestehenden Freund auf ein Problem hinweisen zu wollen, dass er offensichtlich hat. Auch dazu sind Freundschaften da. Ich finde an dieser Absicht nichts verkehrt. Du bist ja auch nicht übergriffig, sondern man sieht, du willst ihm wirklich helfen. Und auch das ist ein völlig normales Bedürfnis, das gesunde Menschen haben. Da muss man nicht in sich hineinhören, welche inneren Konflikte man hat, weil man einem Menschen helfen möchte, der einem was bedeutet. Das ist in meinen Augen völliger Quatsch. Eher im Gegenteil: wenn du dieses Bedürfnis nicht hättest, DANN solltest du dir Gedanken machen, ob mit dir was nicht stimmt.


    Ich finde, du hast das Recht, ihn zu konfrontieren, aber nicht die Pflicht. Du kannst frei entscheiden. Klar, die große Frage ist, WIE ihn am besten konfrontieren? Es ist grundsätzlich schwer, einem Bindungsängstler diese Thematik nahezubringen. Wenn es dir nicht gelingt, wie du es dir wünschst, hast du nicht unbedingt einen Fehler gemacht, sondern diese Aufgabe ist einfach sauschwer!


    "Du ich mache mir Gedanken, weil ich habe beobachtet, dass du ..... (dich so und so verhältst). Ich will dir nicht zu nahe treten, aber ich mache mir ein wenig Sorgen (um dich), ob du da vielleicht ein Thema haben könntest? Was meinst du?"


    Oder:

    "Weißt du, ich kann schlecht damit umgehen, dass du dich mal so und mal so verhältst. Ich brauche klarere Verhältnisse. Ich weiß nicht, woran ich bei dir bin. Ich möchte gern auf deine Bedürfnisse Rücksicht nehmen, aber ich muss auch auf mich selber achten. Und wenn du dich so und so verhältst, bringt mich das ziemlich durcheinander, weil ich nicht weiß, was ich damit anfangen soll. Ich würde gern mit dir darüber reden, dass ich das (besser) einordnen kann."


    Du hast jedes Recht dieser Welt, von ihm zu erfahren, woran du bei ihm bist. Wenn er mauert, ist das für dich natürlichermassen sehr belastend. Letztendlich hast du eine schwere Entscheidung zu treffen, wenn du nicht an ihn rankommst. Du akzeptierst die Situation, wie sie ist, und versuchst das beste, daraus zu machen. Vermutlich wird es dir damit nie richtig gut gehen. Das liegt nicht daran, weil du selbst irgendwelche inneren Konflikte hast, sondern es liegt an der Situation, NICHT AN DIR.

    Oder du "verlässt" ihn. Möglicherweise kommt er dann an. Wenn du ihm klar machst, unter welchen Bedingungen du bereit bist, Eure Freundschaft oder Beziehung wieder aufzunehmen, kann ihn das vielleicht motivieren, sich zu ändern und sich endlich mit dem Thema, dass er hat, auseinanderzusetzen. Die Verlustangst, die Bindungsängstler haben, kann da bei manch einem sehr motivierend wirken.

    Aber es ist ein "Risiko". Es kann auch dabei herauskommen, dass du ihn "verlierst", bzw., dass er nicht zurückkommt, oder nicht bereit ist, sich so zu ändern, dass eure Freundschaft/Beziehung auch für dich gut ist. Es ist deine Entscheidung! Du kannst entscheiden, wie du willst. Möchtest du mit ihm glücklich sein, musst du rigoros die Bedinungen stellen, oder du verzichtest auf ihn, wenn er dir nicht entgegenkommt. Oder du lebst damit, dass dich sein Verhalten immer mal wieder verletzen wird, akzeptierst das, und behältst ihn in deinem Leben, auch wenn er sich nicht ändert.

    Oder du könntest versuchen, ihn weiterhin in deinem Leben zu behalten, aber auf distanziertere Weise, also mit selteneren Kontakten und weniger nah, beispielsweise nicht bester Freund, sondern loser Bekannter. Dann ist er in deinem Leben noch vorhanden, aber seine Verletzungen sind dann weniger groß und vielleicht für dich tolerierbar.


    Grüsse :)

  • Tonie70, noch eins. Manchmal, wenn man jemanden mit etwas konfrontiert, sieht es so aus, als wenn nichts davon bei demjenigen ankommt. Das ist aber nicht immer der Fall! Ich habe eine Zeitlang als Lebensberaterin gearbeitet, und dabei beobachtet, dass Dinge, die ich den Ratsuchenden versucht habe zu vermitteln, manchmal scheinbar überhaupt nicht angekommen sind. Ohne das Thema noch einmal anzusprechen, kommt es immer wieder vor, dass ich nach 6-8 Wochen sehen kann, dass meine Rückmeldung doch angekommen ist! Offensichtlich arbeitet es im Unterbewussten weiter, auch wenn man das Thema gar nicht mehr anspricht. Erstaunt hat mich die Konstante, dass es immer 1,5 bis 2 Monate gedauert hat, bis die neue Erkenntnis, die ich versucht habe zu vermitteln, beim Gehirn des anderen ankommt. Vielleicht also arbeitest du dich stückchenweise vor? Präsentierst nicht gleich alles, sondern in verdaulichen Portionsgrößen, wartest 2 Monate, wiederholst dann den "Lernstoff", und wenn du siehst, er hat was gefressen, präsentierst du ihm das nächste Lernkapitel. Nur eine Idee. LG :)

  • Hallo zusammen,


    ich sehe das etwas anders als Lalilala.


    Toni70 Du machst sehr deutlich, wie schwer es Dir fällt Dich von ihm zu lösen und dass Du das Gefühl hast, Dich selbst ein Stück weit zu verlieren. Das sind schon ordentliche Alarmzeichen, dass Du in eine emotionale Schieflage gekommen bist. Man spürt aus Deinen Beiträgen heraus regelrecht, wie belastend die Situation für Dich ist, was mir sehr leid tut.


    Und er ist eben mehr für Dich als nur ein enger Freund. Du hast tiefere Gefühle für ihn. Dadurch hätte es auch eine andere Qualität, wenn Du ihn auf seine vermutete Bindungsangst ansprichst. Wäre er "nur" Dein bester Freund, fände ich es durchaus okay, wenn Du ihn die Thematik ansprechen würdest.


    Ich habe selbst BA. Wenn mich ein guter Freund oder eine gute Freundin darauf angesprochen hätte, dann wäre ich für die Beobachtung sehr dankbar gewesen. Hätte das gleiche eine Frau getan, die mehr für mich empfunden hat, würde ich mich sehr getriggert fühlen und mich noch mehr zurückziehen. Heute ist das anders: Ich bin mir meiner Angst bewusst. Wenn mir heute - egal wer - sagen würde: "Hey, ich glaube, Du hast Bindungsangst", würde ich ganz entspannt antworten "Ja, stimmt. Was hat mich verraten?". Vor zwei Jahren hätte ich aber noch anders reagiert, vermutlich eingeschnappt. Es war für mich auch ein wichtiger Schritt, selbst zu erkennen, was los ist.


    Das ist natürlich meine ganz subjektive Sichtweise, aber es könnte durchaus sein, dass er ähnlich empfindet.

  • Hallo Mylo, und wenn dich damit eine Frau konfrontiert hätte, für die du mehr empfindest, nicht sie für dich, wie wäre es dann?


    Zu Toni70's Fall: Man braucht keine Bindungsangst und kein eigenes, hausgemachtes Problem, um von einem Bindungsängstler in eine Schieflage gebracht zu werden. Nicht jedes "Opfer" eines Bindungsängstlers hat selber ein Problem. Auch bindungsgesunde Menschen können an einen Bindungsängstler geraten und dadurch Leid erfahren. Im Unterschied zu Menschen mit Bindungsproblemen machen Menschen ohne Bindungsprobleme eine solche Situation aber nur eine begrenzte Zeit mit, und schaffen es durchaus, sich aus der Situation zu lösen. Auch ein Mensch ohne Bindungsthematik löst sich nicht gern von einem lieb gewonnenen Menschen, und überlegt sich den Schritt gut. Ich sehe kein Alarmzeichen darin, dass es Toni70 nicht ganz leicht fällt, sich von ihm zu lösen. Das fällt einem nur dann wirklich leicht, wenn man keine Gefühle hat, auch nicht freundschaftliche, oder anders gesagt, wenn man gar keine Bindung hat. Dann muss ja auch keine Bindung gelöst werden. Toni70 hat keine Angst davor, ggf. auszuziehen, sondern möchte lediglich nicht vorschnell aufgeben.


    Warum können Menschen mit Bindungsangst sich eigentlich nicht vorstellen, dass es Menschen ohne Bindungsprobleme gibt, sondern unterstellen regelmässig jedem, die gleiche Problematik zu haben wie man selbst?

  • Ich glaube nichts ist eindeutig schwarz oder weiß, meistens liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen.

    Natürlich macht es etwas mit mir, wenn eine mir nahestehende Person sich plötzlich scheinbar um 180 Grad dreht. Ich halte erstmal daran fest, weil ich verstehen will. Ja, es ist dabei ein schleichender Übergang dahinzu, dass es für mich ungesund wird. Ich habe dies aber schon vor einiger Zeit erkannt und ziehe mich emotional bereits zurück, was mir auch immer besser gelingt. Ich halte es durchaus für realistisch wieder zu einer guten Freundschaft zu kommen, auch wenn sie nicht mehr so eng sein wird, wie sie mal war.

    Trotzdem bleibt er für mich wichtig und ich möchte, dass es einen Weg, der für uns beide einigermaßen gut ist. Wenn ich jetzt gehe würde, glaube ich, dass er erstmal in ein tiefes Loch fallen würde. Ich gehe zwar davon aus, dass nun als Antwort kommt, ich bin nur für selbst verantwortlich, ich möchte es aber dennoch versuchen, diesen Weg zu finden.