Rolle des Vaters bei weiblichen Personen mit Bindungsangst

  • Die ganze Zeit dachte ich eher an meine Mutter, die meiner Meinung nach ursächlich für meine Bindungsproblematiken ist (keine emotionale Zuwendung, keine Gefühlsäußerungen seitens meiner Mutter, kein Eingehen auf meine Bedürfnisse, keine Resonanz, meine Mutter ist selbst traumatisiert...). Über einen Beratungstermin wurde ein wenig das Familiensystem angeschaut und ich hatte auch Gelegenheit, die "Zustände" bei meinen Eltern aus nächster Nähe nochmal live zu erleben.


    Dabei bin ich ins Grübeln gekommen wegen der Rolle meines Vaters in Bezug auf meine Bindungsprobleme. Ich ertrage es kaum wie meine Mutter mit meinem Vater umgeht. Meine Mutter ist absolut kalt, berechnend, verletzend ihm gegenüber und sie ist wohl eher die Bindungsängstliche, die flüchtet, während mein Vater wie ein getretenes Tier wirkt, welches sich meiner Mutter andient, egal wie mies sie ihn behandelt. Mich hat es so entsetzt, das mit anzusehen, dass ich ihn alleine darauf angesprochen habe, wieso er das mit sich machen lässt und dass er sich wie einen Sklaven behandeln lässt. Er meinte, er fänd das gar nicht schlimm und wich dem Thema dann aus. Beim nächsten Zusammensein in der Familie piesackte und beleidigte meine Mutter ihn wieder und mein Vater fing wieder an, gegen sie zu schießen (er macht dann eher Vorwürfe, aber nur sehr indirekt bzw. über andere Themen). Ich merke aber extrem, wie es ihn kränkt. Mir gegenüber behauptete er aber, es würde ihn nicht stören. Ich denke, dass das eine Lüge ist, denn ich hatte schonmal sehr deutlich meine Mutter darauf hingewiesen, dass ihr Verhalten extrem beleidigend ist (da machte sie sich über die Sprachkenntnisse meines Vaters lustig) und damals meinte mein Vater dann auch gegenüber meiner Mutter, dass ihn sowas verletze).


    Ich verstehe nicht, warum ich da überhaupt den Vermittler spielen muss und warum mein Vater so unselbständig ist und sich wirklich wie ein Tier treten lässt und in seinem Leid aufgeht. Er betreibt auch 'gerne' Sportarten, bei denen er sich quälen kann, muss sich oft Dinge beweisen, macht sich den Körper damit kaputt usw. Er scheint mir sehr masochistisch veranlagt zu sein.


    Nun habe ich mich gefragt, ob sein Verhalten vielleicht nicht sogar noch ursächlicher für meine Bindungssachen sein könnte, als es das verletzende Verhalten meiner Mutter ist. Immerhin ist er ja der gegengeschlechtliche Part und ich suche mir ja als Frau auch Männer als Partner.


    Nun wundert es mich aber, dass ich mir Männer suche, die eher so distanziert sind, wie es meine Mutter ist. Trotzdem hab ich den Eindruck, dass ich mir das Verhalten meines Vaters viel zu wenig angeschaut habe. Es belastet mich einfach extrem, dass er sich nicht wehrt und alles mit sich machen lässt. Seht ihr da einen logischen Zusammenhang zu meinen Bindungsproblemen (früher Bindungsängste, Probleme mit zu viel Nähe, heute eher anklammerndes Verhalten bzw. Angst vor Verlust)? Beobachtet ihr bei euren Eltern auch so ein komisches Partnerverhalten? Neulich konnte ich auch beobachten, dass mein Vater offenbar extreme Ängste hat, meine Mutter zu verlieren, weil er total am Rad gedreht hat, als sie in der Stadt nach 5 Minuten nicht am vereinbarten Ort war. Es scheint bei meinen Eltern auf jeden Fall auch eine Bindungsproblematik zu geben (einer klammert, einer rennt weg).


    Was mir auch noch aufgefallen ist, ist Folgendes: Mein Vater erkennt mich als Mensch ebenso wenig an, wie meine Mutter es tut. Egal über was ich mich mit ihm unterhalte, er weiß prinzipiell alles besser, wobei er nicht großmaulig oder besserwisserisch auftritt, sondern es scheint für ihn einfach selbstverständlich zu sein, dass er alles weiß und ich nichts. Bei einer Sache wussten wir beide nicht weiter, ich recherchierte im Internet und sagte ihm dann, wie wir das Problem lösen können. Er glaubte es mir einfach nicht. Er brachte keine Begründungen, sondern meinte nur, dass das nicht sein könne und beharrte weiter darauf, dass das Problem nicht lösbar sei.

    Auch bei anderen Dingen bin ich meinem Vater mittlerweile inhaltlich weit überlegen. Das wird einfach ignoriert bzw. nicht darauf eingegangen, so als würde das, was ich weiß und sage, überhaupt nicht existieren. Ich sehe meine Eltern nur noch selten, aber dies ist mir beim letzten Treffen stark aufgefallen und ich weiß nicht, ob das jemals anders war, aber dieses Mal fiel es mir extrem auf. Egal was ich sagte, es wurde von meinem Vater nicht wirklich zur Kenntnis genommen bzw. er ging nicht darauf ein, sondern brachte allenfalls seine Sicht ein.


    Ich sehe da keinen direkten Zusammenhang mit meinen Bindungsproblematiken, jedoch mit Problemen, die ich im Alltag habe, wo ich ziemlich schnell getriggert werde, wenn man mir nicht glaubt. Eine Behandlerin brachte mich dann auf den Zusammenhang und meinte "so wie bei Ihrem Vater!". Das war mir vorher nicht bewusst. Ich habe das Gefühl, mir fehlt die Liebe von meiner Mutter, aber auch sowas wie die Anerkennung durch meinen Vater.


    Bin gespannt, was ihr darüber denkt bzw. wie das bei euch ist.

  • Es scheint mir fast so, als würde ich mich mit meinem Vater identifizieren und möglicherweise deshalb in eine Rolle gehen, in der ich auf Menschen treffe, die dazu tendieren, abzutauchen bzw. in die Rolle zu gehen, wo ich alles mit mir machen lasse?

    So, als wollte ich eigentlich, dass sich mein Vater wehrt, aber weil er es nicht kann, versuche ich es stellvertretend in Re-Inszenierungen? (in Partnerschaften leide ich ja wirklich aufs Extremste, wenn ich nicht die Nähe bekomme, die ich mir wünsche. In anderen Situationen kämpfe ich immer wieder gegen Leute, die am längeren Hebel sitzen.. ich frage mich, ob das auch nur eine Bearbeitung der Vergangenheit meines Vaters sein könnte... das wäre schrecklich, denn was wäre dann noch mein 'eigenes'?)


    Falls ja, so würde das bedeuten, dass ich meinem Vater seine Probleme selbst überlassen müsste und seinen Schmerz. Dass ich seine Verantwortung bei ihm lasse. Das war mir bis letzte Woche überhaupt nicht bewusst. Die letzten Jahre hatte ich mich immer nur mit der fehlenden Zuwendung durch beide Elternteile befasst, dass mein Vater dabei eine größere Rolle spielen könnte, war mir nie bewusst.


    Habt ihr, außer Familienaufstellen, eine Idee, wie man da weiterkommen könnte? Vermutlich ist es aber gar nicht so schlecht, dass mir das nun bewusst geworden ist. Ich frage mich nur, wie einem das jahrelang nicht bewusst sein kann bzw. warum es mir erst jetzt auffällt. Ich habe schon immer die traurige Stimmung von meinem Vater aufgenommen, aber dass das Auswirkungen auf meine Beziehungen hat, kam mir so nicht in den Sinn. In meinem Augen war immer meine Mutter die "Schuldige" in Bezug auf meine Traumatisierungen.

  • Mir geht die Bedeutung meines Vaters für meine aktuellen Bindungsprobleme immer noch im Kopf herum. Bei einem Familienbesuch sind mir die Mechanismen dort wieder so richtig verdeutlicht worden und ich verstehe einfach nicht, wie man sich als erwachsener Mann tagtäglich so dermaßen beleidigen lassen kann und zwar richtig übel beleidigen mit Worten, die genau in die Wunde treffen, die sogar genau so gewählt zu sein scheinen, dass sie genau in die Wunde treffen, aber er lässt es mit sich machen. Manchmal fällt er dann auch ins Beleidigen oder wird laut, aber 99% der Zeit nimmt er diese Dinge hin. Ich begreife es nicht.


    Ich glaube mittlerweile wirklich, dass ich diese Art 'Retterinstinkt' dort her habe und mir deshalb so oft kaputte Männer mit Alkohol- und Drogenproblem suche, weil ich diese irgendwie an Stelle meines Vaters retten will.


    Immer noch bin ich der Meinung, dass ich ganz dringend seine Verantwortung bei ihm lassen muss und auch seinen Schmerz nicht übernehmen sollte! Er kann oder will es nicht ändern und ich bin nicht dafür zuständig, meinen Vater zu retten. Genauso wenig wie ich alkohol- oder drogenkranke Menschen 'retten' und heilen kann. So sehr es mir auch im Herz schmerzt und so sehr ich es möchte, weil ich deren Schmerz so sehe und nicht aushalte.


    Ich muss mich noch weiter damit beschäftigen, aber ich frage mich, wie ich jemals lernen soll, diese innerliche Verantwortungsübernahme zu lösen? Ich muss aushalten, dass meine Mutter so dermaßen bösartig ist und zwar nicht nur zu mir (im Gegensatz zu meinem Vater wehre ich mich und gehe in den Angriff bzw. hab mich auch emotional von ihr komplett zurückgezogen, so dass sie mich nicht mehr erreichen kann) und dass mein Vater sich wie ein Opfer verhält und immer weiter auf sich eintreten lässt!!! Das macht mich so brutal wütend! X( :| Als würde er sich wie ein Opfer hinlegen und drum betteln, dass er noch einen ins Gesicht getreten bekommt. :( :( Um dann aber doch im nicht-Kontakt mit meiner Mutter zu sein. Mich macht diese Familienkonstellation gerade absolut wütend. Beide hängen so in ihren Mustern drin, niemand sieht ihre wahren Gefühle und ich sauge alles schon seit Kindesalter in mir auf. :|


    Ich möchte das lernen, die Verantwortung an meinen Vater zurückzugeben, aber was ist er dann noch? Praktisch eine jämmerliche Figur, die ich kaum noch achten kann. Früher hab ich immer meine Mutter verteufelt und meinen Vater als den Guten gesehen. So simpel ist das aber alles nicht.


    Wieso lässt er das alles mit sich machen? Wieso übernimmt er nicht die Verantwortung? Und wieso bin ich so verdammt blöd, diesen ganzen Gefühlswust in mir aufzunehmen? Seine Trauer, seine gekränkte Ehre? Er hat offenbar Null Selbstrespekt, lässt sich wie ein Sklave niedertreten und benutzen. Das ist so schrecklich mit anzusehen.

    Ich glaube, wenn ich stärke und selbstsichere Männer in mein Leben ziehen will, muss ich irgendwie diese Sache mit meinem Vater auflösen. Wahrscheinlich geht es ja 'nur' um eine innere Lösung, aber wie funktioniert das?