Ich glaube, meinen Weg zu einem gesunden Selbstwert suche ich bei allem gegenwärtig etwa in der Mitte.
Zitat von Tinadreena
Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen ihren Selbstwert entweder isoliert aus sich selbst (d.h. ihrer Selbstschau/dem Selbstbild) beziehen zu müssen meinen, oder aber aus ihrer Funktion innerhalb der menschlichen Gesellschaft und deren Wertesystemen (Erfolg, Selbständigkeit, Unabhängigkeit, Stärke und ähnliche standardisierte Begriffe).
Natürlich kann man versuchen, seinen Selbstwert ausschließlich durch Selbstschau und -bewertung zu gewinnen.
In der grundsätzlichen Tendenz ist diese Idee ja auch keine schlechte. Wenn man sich selbst nun gar nicht leiden kann, nutzen die liebsten Mitmenschen und die schönsten Lebensumstände nichts. Man wird sich und alles andere mehr oder minder scheiße finden. Weiterhin ist man auch der erste und wohl leider auch der letzte Mensch in jeglicher Lebenssituation, der geburtbedingt immer und vollends die Möglichkeit hat, für sich zu sorgen. Möglicherweise ist man sogar dazu verurteilt.
Einen hübschen Selbstwert zu erreichen und Lebensliebe zu empfinden zu versuchen, indem man ausschließlich in Eigenregie ausschließlich auf sich Bezug nimmt, ist meiner Ansicht aber zum Scheitern verurteilt. Wir sind eben immer auch soziale Wesen (jedenfalls bin ich es), die nicht vollends unabhängig von anderen Wesen existieren (können? und/oder sollen?) Natürlich entsteht durch das Lob eines anderen Menschen Freude, die da vorher nicht war und die ohne den anderen auch nicht entsstanden wäre. Natürlich hebt die Zuwendung eines anderen Menschen die Stimmung auf eine Weise, die man mit sich selbst im Dunkelkämmerchen nur schwer nachbauen kann: Da mag man die Gummi-Puppe "Petra" noch so liebevoll schminken und anziehen, für hübsches Kerzenlicht und ein schick serviertes Gericht für zwei Personen sorgen und noch Leonard Cohen selbst zum Fideln in die Ecke stellen; echte Romantik will nicht aufkommen. Spätestens bei der Konversation mischen sich erste Zweifel in die Erwartung eines gelungenen Abends...
Gefährlich wird es natürlich, wenn man seinen Selbstwert ausschließlich durch andere zu beziehen gezwungen ist. Auch diese Vorgehensweise ist zum Scheitern verurteilt. Daher denke ich, Selbstwert und Lebensliebe sollten aus sich selbst und anderen in gesunder Mischung gewonnen werden. Das gesunde Mischungsverhältnis zu finden, ist dann wieder die Aufgabe eines jeden Menschen. Und bestimmt nicht ganz leicht.
Zitat von Tinadreena
Ich habe andern orts schonmal erwähnt, dass meiner Ansicht nach Selbstliebe sehr viel mit LEBENSFREUDE zu tun hat... zu wissen, was diese Welt einem wert sein kann....
Ich denke, man sollte darüber mal nachdenken, in all dem Selbstfindungs-Wust an egoverhafteten Beurteilungen...
Ein Mensch, der sich selbst liebt, liebt nicht eine ganz bestimmte Version seiner selbst. Er liebt alles.
Ein entspanntes und alles einschließendes JA zu seiner Existenz.
Jedenfalls glaube ich, dass Selbstliebe und Lebensfreude sich gegenseitig erheblich beeinflussen und sich gewissermaßen gegenseitig aufs Pferd helfen können (oder sich eben auch gegenseitig runtertreten). Vielleicht handelt es sich bei einem weiteren Verständnis auch um ein und denselben Bewusstseinsanteil. Jedenfalls wird man sich selbst nicht lieben können, wenn man seine Existenz nicht im Grundsatz als sinnvoll empfindet und seinen Platz in der Welt als - hm -irgendwie passend.
Zitat von Tinadreena
Ist es nicht so, dass man die pure Freude am Dasein vor allem dann empfinden kann, wenn man sie sich nicht erst durch Leistungen erarbeiten musste? Wenn man das geniessen kann, was sich einem ganz von allein bietet, jeden Tag und überall?
Hier würde ich für mich wieder den Mittelweg als goldenen vermuten - mit etwas größerem Anteil des "leistungsfreien" Glückserwerbs.
Auch hier gilt: Wer in seinem Wert ausschließlich davon abhängig ist, von anderen gute Leistungen bestätigt zu bekommen, lebt gefährlich. Die sog. Leistungsträger sind nämlich gar nicht stets die Fähigsten und "Besten". Voraussetzung für die Zugehörigkeit zu Ihnen sind nämlich auch Seilschaftsmanagement und Konformismus. Wohlgemerkt: Auch. Das heißt objektiv gute Leistungen werden gar nicht per se auch als solche anerkannt.
Deshalb ist es sehr gut, sich an einem schönen Sonnenaufgang ernsthaft erfreuen zu können. Der ist nämlich auf recht faire Weise zu erlangen. Auch Atompilze sollen zu den Naturschauspielen der bunteren Art gehören. Allerdings muss man sich dabei mit dem Freuen etwas beeilen, da nicht nicht allzu viel Zeit dazu bleibt.
Selbstwert und Lebensfreude gänzlich unabhängig von Leistung zu generieren birgt natürlich die Gefahr, sich mit einem Leben in der Regentonne "begnügen" zu müssen. Vielleicht ist das der einzige Weg zu maximalem Glück! Ich glaub, Diogenes war so drauf. Und das Krümel-Monster. Übel wird`s nur, wenn man neue Kniegelenke braucht. Oder eine neue Tonne.
heute vergeblich auf den Sonnenstrahl wartend,
Nestor