Beiträge von Mawa

    Hallo Flori!


    Wenn ich Angst habe, etwas nicht zu schaffen, dann hole ich mir ggf. Hilfe: ganz praktische oder therapeutische, je nachdem, worum es geht. Ich rede mit Freunden darüber und schaue, wie sie in der Situation gehandelt haben (wobei das für mich eher selten eine Hilfe ist, denke ich gerade). Ich lese. Vor allem aber rede ich mit denen, die genauso mit in der Situation stecken - also bei Dir wäre das Deine Frau. Einfach zum tabu für mich selbst erklären, aus bestimmen Situationen zu flüchten, sondern für mich ist selbstverständlich, dass ich bleibe: Damit meine ich z. B. auch, wenn jemand schwer krank ist. Da wird man auch als Angehöriger mit existentiellen Fragen konfrontiert und das in einer Situation, in der sehr viel praktisch zu tun ist. Das erfordert viel Kraft. Ich kann mich da nicht immer fragen, ob ich das schaffe und wie, sondern mache einfach. Und versuche auch in Zeiten, in denen ich ganz arg gefordert bin, mir so kleine Kraftquellen in den Tag einzubauen (z. B. einen kleinen Spaziergang).
    Bei mir war es früher viel zu viel Verantwortung, die ich tragen musste und der ein Kind gar nicht gewachsen sein muss. Ist auch ein Lernprozess dann, zu merken, als Erwachsene habe ich mehr Möglichkeiten als damals als Kind und auch, dass ich nicht alles schaffen können (kann kein Mensch) muss und trotzdem liebenswert bin.


    Wenn Du in der Zeit als Du noch bei Deinen Eltern gelebt hast, nicht gelernt hast, wie es gelingen kann, Verantwortung zu tragen (komplett kann man das dort sowieso nicht lernen, höchstens die Ansätze) und dann immer alles Deiner Frau überlassen hast, dann heißt es jetzt, Dich auf den Weg zu machen, es selbst zu lernen. Ich wundere mich manchmal, wie viele Menschen direkt von zu Hause ausziehen, um mit einem Partner zusammenzuleben ohne je überhaupt erst einmal gelernt zu haben, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Kann man auch in einer Partnerschaft lernen, gemeinsam, aber da besteht immer das Risiko, dass einer von beiden sich einfach davor drückt und der andere es mit übernimmt. Geht aber irgendwann nicht mehr gut dann.


    Verantwortung hat immer 2 Seiten: Die Pflicht, sich zu kümmern, aber damit eröffnet sich erst die Möglichkeit, sein Leben auch zu gestalten. Anders wäre es bequemer, aber man bliebe auch immer in Abhängigkeit.


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Jojo, hallo Missing,


    ich schicke Euch beiden 'mal einen lieben Extra-Gruß mit ganz viel Kraft für den Tag und einem Knuddler.


    Liebe Grüße
    Mawa

    Zitat von Sansyl

    Wie Recht Du hast!!! Und pervers wird es auch, wenn beide es ganz genau wissen und der BA jegliche Form von Kommunikation umgeht nur um nicht einzuknicken und seinen Gefühlen zu folgen. Selbstbetrug vom feinsten. Ich denke aber auch, dass sie mindestens genauso leiden wie wir...wenn nicht sogar noch mehr


    Genauso empfinde ich es auch, Sansyl. Und mich macht das einfach traurig, auch hilflos und verzweifelt.


    Liebe Grüße
    Mawa

    Was Du schreibst, Rafaela, dem kann ich mich nur anschließen.


    Zitat von RafaelaSpaeth

    Ich kenne zwei Paare - unabhängig voneinander- die schon sehr lange zusammen sind und in beiden Fällen war einer der Partner emotional "auf Abwegen". Beide wurden vom Partner aufgefordert auf ihren Abwegen weiterzuwandeln und herauszufinden was sie wollen. Beide sind zurückgekommen. Ziemlich schnell. Das ist natürlich ziemlich außergewöhnlich und es hätte ja auch schief gehen können, hat aber die Partner nicht entzweit und niemand ist "schuld".


    Dies finde ich spannend. Es schenkt größte Freiheit und gleichzeitig muss derjenige seinen Teil der Verantwortung voll übernehmen.


    Haben sie ihren Partnern nur gesagt, dass sie herausfinden sollen, was sie wollen oder auch, wie sie selbst zu der Beziehung stehen, also dass sie selbst die Beziehung gern weiterführen möchten?


    Darüber werde ich noch etwas nachdenken, wie ich mir eine solche Haltung, wie die Partner gegenüber ihren Partnern, die emotional fremd gegangen sind, in Kontakten stärker zu eigen machen möchte und kann.


    Liebe Grüße
    Mawa

    Hallo Flori!


    zum Zusammenleben gehört dazu, Verantwortung zu übernehmen: Für sich selbst. Für das Respektieren des anderen. Für das (all-)tägliche Aushandeln, wie man die Beziehung lebt. Für die Kinder. Das ist in jeder Beziehung so und nimmt zu, je länger man zusammen ist und je mehr man miteinander teilt. Ohne dies wird aber keine Liebesbeziehung funktionieren.


    Ich schreibe mal, wie es für mich ist: Für mich heißt das, mich frei zu fühlen, gerade weil ich diese Verantwortung übernehme. Ich habe mich dafür entschieden. Mache das freiwillig. Sehr gern. Es mag auch Zeiten geben, da bedrückt mich das, klar. Oder ich weiß nicht immer, ob ich dem gewachsen bin. Dann muss ich schauen, was ich tun kann, damit ich es schaffe. Das gilt für mich nicht nur für eine partnerschaftliche Liebesbeziehung, sondern auch in einer Freundschaft oder zu einer lieben Schwester. Es ist das Miteinander und das Füreinander-da-sein. Kann unendlich schön sein. Das ist für mich Liebe, zusammen damit, sich daran zu freuen, wie der andere ist und wie man selbst in der Beziehung ist und wie beide wachsen.


    Darf ich fragen, ob Du einmal längere Zeit allein gelebt hast auch? Wie war es da? Wie hast Du da Deinen Alltag gelebt? Wie ging es Dir da mit der Verantwortung, die Du für Dein Leben hast?


    Deine Eltern haben Regeln aufgestlellt, Dir Grenzen gesetzt. Das ist eine Aufgabe von Eltern. Inwieweit sie zu streng dabei waren oder nicht, kannst nur Du herausfinden. Gegenüber Deiner Frau und Deinen Kindern verhältst Du Dich, als ob sie Dir ähnlich Regeln aufstellen, gegen die Du rebellierst. Schau Dir mal an, welche Regeln / Grenzen das waren als Du Kind / Jugendlicher warst und was für Regeln / Grenzen heute existieren. Vor allem, welche Rolle Du damals und welche Du heute dabei hast.


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Flori,


    dass Du zwei Mal (einmal davon über lange Zeit) fremdgegangen bist, das ist natürlich hart und Deiner Frau gegenüber absolut unfair. Es können natürlich gegenüber einem anderen Menschen Gefühle entstehen, man merkt, das passt viel mehr. Das ist alles andere als mein Ideal, doch ich denke, das gibt es. Das gibt es vor allem dann, wenn ein Mensch eine Beziehung eingeht und dann in der Zeit der Beziehung sich einer weiterentwickelt, beim Eingehen der Beziehung in einem wichtigen Lebensbereich nicht so weit war wie später oder aber erst durch die andere Frau spürt, da ist noch etwas ganz anderes in seinem Leben wichtig, was er bisher ausgeblendet hat. Wichtig finde ich, jedoch darüber zu reden in einer Beziehung - einfach, wenn man merkt, eine andere Frau wird einem wichtig oder aber sowieso auch dann, wenn man merkt, in der Beziehung läuft etwas, womit man sich nicht wohlfühlt und womit man nicht klarkommt. In der Therapie kann sicherlich sehr wichtig sein, wie kannst Du mit Deiner Frau (oder falls Eure Beziehung nicht wieder aufgenommen werden kann, in zukünftigen Beziehungen) gut mit Deiner Partnerin im Gespräch bleiben. Und auch, wie kannst Du innerhalb einer Beziehung etwas verändern versuchen? Denn so sollte es ja laufen, dass eine Beziehung ständig im Fluss bleibt, sich jeder darin weiterentwickeln kann, man miteinander wächst. Wenn das Zwei nicht hinbekommen, wird entweder die Beziehung irgendwann langweilig und stirbt oder aber einer entwickelt sich weiter und verzweifelt daran, dass der andere stehen bleibt.


    Du schreibst, es war keine Liebe zu den anderen Frauen. Wäre es das gewesen, dann hätte ich gesagt, das ist unendlich traurig für die Beziehung zu Deiner Frau, das gibt es aber im Leben. Eben zum Beispiel durch eine solche Entwicklung.
    Aber bei Dir ist es offensichtlich anders. Du liebst keine andere, fühlst Dich aber mit irgendetwas in Deiner Beziehung zu Deiner Frau unwohl.


    Warum wolltest Du kein zweites Kind?
    Du schreibst, Du bist sehr traurig jetzt, aber auch frei. Und beim Fremdgehen hast Du Dich auch frei gefühlt.
    Ich denke, da könntest Du ansetzen - auch in der Therapie. Was ist das für eine Freiheit, die Du Dir wünschst? Eine, frei von Verpflichtungen? Die gibt es als Erwachsener natürlich nicht. Da könntest Du schauen, warum Du Dich von Verpflichtungen so eingeengt fühlst. Welche Rolle spielten Verpflichtungen als Kind / Jugendlicher für Dich? Was bedeuten Verpflichtungen heute für Dich? Kannst Du einen Unterschied von heute zu damals wahrnehmen? Oder was ist diese Freiheit für Dich? Wodurch fühlst Du Dich frei?


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Rafaela,


    eifersüchtig bin ich auch nicht sehr, aber dennoch mit großer VA. Ich reagiere dann eher mit Panik und depressiv.


    Ich habe dieses Buch hier http://www.buch.de/buch/15196/…n__klett_cotta_leben.html gelesen. Es ist einerseits ganz gut, denke ich. Ich habe damit einmal zusammengetragen, was mir für Auslöser meine Verlustangst einfielen. Das war überwältigend viel - war mir zwar vorher schon einzeln klar gewesen, aber so geballt hatte ich mir das nie vor Augen geführt.
    Leider hat das Buch zumindest mir nicht geholfen, mit meiner VA besser klarzukommen. Aber das geht bei der Stärke der Ursachen wohl auch nur mit Therapie, die ich ja mache.


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Ratsuchend!


    Zitat von Ratsuchend

    ja, ich weiß sehr genau, warum alles so war, wie es war. Warum sie so geworden ist, werden musste, wie sie war. Aber wir sind insbesondere in den letzten Jahren uns wieder näher gekommen. Ich konnte sie gehen lassen, ohne dass auch nur eine Frage unbeantwortet wäre. Es wurde alles gefragt, es wurde alles gesagt.


    Mit meiner Großmutter hatte ich früher keinen so guten Kontakt. Im hohen Alter dann bekam sie auf die Welt eine andere Sicht, war zu spüren. Ich hatte noch ein paar Jahre mit ihr, die sehr friedlich waren. Es machte nicht weg, wie es vorher war, aber es versöhnte. Als alle sie aufgaben, aber ich nicht und sie noch ein paar Monate lebte, war das für sie noch eine sehr wichtige Zeit, da sie noch eine wichtige Begegnung hatte. Als sie dann starb, war ich traurig, konnte sie jedoch auch in Ruhe gehen lassen.
    Meine Mutter schreibt für mich ihre Lebenserinnerungen auf. Es ist ihre Art, mir mitzuteilen, was ihr wichtig ist noch mir zu sagen. Das wühlt mich sehr auf. Wie ich damit klarkomme, weiß ich noch nicht, finde es aber gut.


    Zitat von Ratsuchend

    Mir hat kreativer Ausdruck immer sehr geholfen, zumindest einen akuten Schmerz zu lindern. Gedichte oder Geschichten schreiben. Für mir war es, als ob ein Eitergeschwür aufgeschnitten wäre. Der größte Dreck kann abfließen und danach setzt die Heilung ein. Damit kommt man aber nur an die Metastasen ran. Um an die Quelle des großen Schmerzes zu kommen, ist entweder ein besonders einschneidendes Erlebnis notwendig oder die Mithilfe einer Therapie. Gerade Ängste und Schmerzen beflügeln die Kreativität, mehr als Psychopharmaka.


    Psychopharmaka stehe ich auch sehr kritisch gegenüber, nahm daher nie welche, obwohl ich mehrfach welche hätte nehmen sollen. Kreativität braucht es auch, um neue Wege für sich zu finden. Das Bild, was Du hier verwendest, wie Verletzungen reagieren, das trifft es gut. Ich schreibe auch - allerdings nicht in größter Not, sondern immer erst, wenn ich schon stabiler bin.


    Zitat von Ratsuchend

    Heute erschrecke ich, wenn ich einige meiner frühen Gedichte lese. So finster, so verzweifelt, so hoffnungslos.


    Was ich ganz interessant finde. Ich habe so vor 16 Jahren einen Text geschrieben, in dem es um das Erwachsenwerden geht. Um das Loslassen. Das Loslassen von der Jugend. Loslassen von nicht mehr Notwendigem. Von zentnerschwerer Last, die auf einem lastet und deren Ursache man nicht kennt. Das man sich Hilfe suchen muss. Das es Zeit bedarf. Das man statt dem Blick zurück immer mehr dem Blick nach vorn suchen soll...Und als ich den Text jetzt wieder las, war mir, als hätte ich damals einen Blick in die Zukunft geworfen. Denn all das, was ich damals schrieb, ist heute mein Thema. Ich habe die zentnerschwere Last erkannt und mich von ihr befreien können. Die Vergangenheit kann ruhen. Loslassen und neu orientieren. Verlustangst ist damit sehr wahrscheinlich überwunden. Bindungsangst könnte eine Rolle spielen, wenn sich wieder eine Beziehung anbahnen könnte - wegen Angst vor neuer Enttäuschung. Bin aber optimistisch. Habe zumindest eine Frau kennen gelernt, mit der ich schon eine gute Freundschaft habe. Und die Dinge anders, langsamer, entspannter angehe als sonst. Ich hätte gerne eine neue Beziehung, muss sie aber nicht haben.


    Ich glaube auch, dass manches unbewusst schon sehr viele Jahre vorher in einem arbeiten kann, bevor es dann einem klar wird und sich ein anderer Weg des Umgangs damit finden lässt.
    Was ich nicht verstehe: Wenn Du Angst vor erneuter Enttäuschung hast und daher Bindungsangst, was ist da für Dich der Unterschied zur Verlustangst?
    Die Frau, von der Du hier schreibst, ist das die, bei der Du in einem anderen Beitrag nun geschrieben hast, dass dies wieder das alte Muster für Dich wäre und Du da jetzt eine Grenze gesetzt hast? Oder ist es ein anderer Kontakt? Ich wünsche Dir, dass es sich gut entwickelt.


    Zitat von Ratsuchend

    Wegen durch Ängste zerbrochenen Beziehungen sind wir alle hier...Und du scheinst deinen Ängsten ja auch schon sehr gut auf der Spur zu sein.


    Ja, schon sehr lange. Manchmal habe ich jedoch das Gefühl, ich renne immer hinterher. Bin also z. B., wenn die Angst klein genug ist, zu spät, um noch eine Familie gründen zu können. Und was mir auch Kopfzerbrechen macht, das ist mitzubekommen, wie viele natürlich schauen, wie waren bei dem Menschen vorherige Beziehungen und davon abhängig machen, sich auf diesen Menschen einzulassen oder nicht. Ich kann es einerseits verstehen, andererseits bliebe ich dann lebenslang ohne Chance auf ein Leben, wie ich gern leben möchte mit Partner.


    Zitat von Ratsuchend

    Der Tod war schon mein Begleiter, als ich noch nicht laufen konnte. Real und im Stillen in den Erinnerungen meiner Mutter. Der Tod wurde stets tabuisiert. Irgendwann wurde ich selbst das Tabu, wurde Teil der schwarzen Szene. Suchte dort nach Antworten und lebt quasi den Tod. Er war immer präsent. Ich war oft auf Friedhöfen - der Ruhe wegen. Als Kind war er mein Spielplatz, während meine Mutter das Grab pflegte. Ich wurde zum Einsiedler. Enttäuscht und verletzt von den Menschen. Erst als ich das Tabu - den Tod meines Vaters - ansprach, wurde ich von dem jahrelangen Alptraum, der damit verbunden war, erlöst. Ich habe als Kind Erzählungen, die nichts miteinander zu tun hatten, fälschlicherweise miteinander verknüpft - und damit selbst das Drehbuch für meinem Alptraum mit Dauerkarte geschrieben. Nach dem klärenden Gespräch wendete der Traum sich zum Guten - und ich träumte ihn danach nie wieder.


    Ich finde schlimm, was ein Schweigen anrichten kann. Mit Dir hätte viel früher gesprochen werden müssen. Von Dir aus hättest Du das als Kind oder Jugendlicher nicht gekonnt. Gut, dass Du es später geschafft hast. Aber warum merken Menschen nicht, dass oft viel furchtbarer ist, was durch Schweigen entsteht als das, was sie befürchten, was geschehen würde, würde man miteinander darüber reden.
    Auch mit mir wurde nicht geredet über den Tod eines mir sehr geliebten Menschen.


    Zitat von Ratsuchend

    Ich habe den Verlust von Menschen durch Tod damit verbunden, dass ich auch Menschen in Beziehungen verlieren werde. Und so kam es immer wieder. Verlust- und Bindungsangst, eine verhängnisvolle Kombination.


    Das ist mir auch gut bekannt. Ich habe ja als Kind immer damit gelebt, dass ein geliebter Mensch an einer Krankheit hätte sterben können (die Gefahr war sehr real) - was dann auch geschah, aber ganz anders, noch viel schlimmer. In einer Beziehung habe ich nicht nur Angst, jemand geht, weil die Beziehung nicht gut klappt, sondern auch, dass demjenigen etwas passiert.
    Wie hast Du diese Kombination für Dich auflösen können?


    Zitat von Ratsuchend

    Aber irgendwann wollte ich nicht mehr die Finsternis sehen. Sie kannte ich nur zu gut. Ich wollte die Sonne sehen. Und so kämpfe ich mich zurück ins Licht. Und es wird immer heller. Erst heute verstehe ich viele Dinge, die mir schon vor Jahren gesagt wurden. Aber ich musste wohl erst noch ein paar Lektionen lernen.


    Dass Du dazu entschlossen bist, ist zu spüren. Es wird dann sicherlich auch viel noch geben, wo es dennoch dunkel ist oder Steine im Weg liegen, aber ich denke, Du wirst diesen Weg dennoch immer beibehalten oder schnell wieder finden jetzt. :) Ich glaube, je weiter man ihn geht, umso klarer wird er auch.


    Viele liebe Grüße
    Mawa

    Hallo Mary!


    Das geht gar nicht, dass der frühere Therapeut von Dir über die Grenzen der Therapie ging. Hast Du das gemeldet? Die Therapie ist auch sehr mit dazu da, dass eben Deine Grenzen geschützt sind und nicht, dass da jemand die Situation ausnutzt.


    Dass Du bei der jetzigen Therapeutin ein gutes Gefühl hast, freut mich. Hm, der Dr-Titel sagt aber nichts darüber aus, wie empathisch sie ist. Ist sie eine ärztliche Psychotherapeutin oder eine psychologische Psychotherapeutin? Ich persönlich würde nur zu psychologischen Psychotherapeutinnen gehen. Wer ärztlicher Psychotherapeut ist, macht ja erst einmal die ganze Medizin, um sich dann erst zu spezialisieren und die Psychotherapie drauf zu setzen. Das ist für mich weiter weg von dem, was für die Seele eines Menschen wichtig ist als wenn jemand Psychologie studiert und dann die Psychotherapie draufsetzt. Ein psychologischer Psychotherapeut hatte in seinem Werdegang viel mehr mit Psychologie zu tun als ein ärztlicher Psychotherapeut. Und vor allem aber halte ich das Risiko bei ärztlichen Psychotherapeuten, dass sie eher in Krankheitsschubladen denken (einfach, weil sie es so beigebracht bekommen) für größer als bei einem psychologischen Psychotherapeuten, bei dem stärker das Wie der Seele im Werdegang im Vordergrund steht. Aber auch da mag es individuell sehr große Unterschiede geben, je nachdem auf was für einen Menschen als Psychotherapeuten man trifft. Und wenn es passt, dann passt es.


    Ja, es ist sehr schwer, da jemanden zu finden, der gut ist und wo wirklich viel Vertrauen möglich ist. Es gibt sie aber. Nicht nur welche, die "irgendwie" gehen, sondern auch welche, die richtig, richtig menschlich und gut sind.


    Schau gut nach Deinem Gefühl in den nächsten Probestunden und hör da drauf. Ich drücke die Daumen, dass es eine Therapeutin ist, die Dir gut weiterhelfen kann, mit der es einfach passt.


    Viele liebe Grüße
    Mawa

    Hallo zusammen!


    Mary, ja, das hört sich wirklich gut an. Dass sie variabel die Therapien kombinieren und individuell für den Patienten nutzen kann, ist gut. Und auch, dass sie genau schauen will, ob sie Dir helfen kann.
    Wie ist denn Dein Gefühl ihr als Mensch gegenüber? Stimmt da die Chemie? Das finde ich noch wichtiger als alles andere. Nur wenn sehr viel Vertrauen wachsen kann, kann meiner Meinung nach die Therapie viel bringen.


    Ratsuchend, vielen Dank für die Gedanken, die Du dazu geschrieben hast. Ich will Dir darauf antworten, komme sicherlich jedoch erst am Wochenende dazu. Bin gerade viel unterwegs (Tagung usw.). Melde mich dazu aber auf jeden Fall noch!


    Liebe Grüße :)
    Mawa

    Hallo Ratsuchend!


    Zitat von Ratsuchend

    Ich habe meiner Mutter noch einen Brief in den Sarg gelegt. Darin habe ich die Dinge aufgeschrieben, die nicht so gut zwischen uns gelaufen sind. Habe mich aber auch darin bei ihr bedankt und geschrieben, dass ich ja jetzt weiß, warum alles kam, wie es kam. Damit habe ich ritualisiert auch einen Teil des Traumas im wahrsten Sinne des Wortes begraben.

    Das finde ich eine sehr gute Idee. Ich kann mir gut vorstellen, wie damit viel losgelassen werden kann. Es bleibt da als Erinnerung. Aber die Fragen nach dem quälenden Warum, die hast Du Dir beantwortet und loslassen können, wenn ich Dich richtig verstanden habe?


    Zitat von Ratsuchend

    Vielleicht wäre das was für deinen Freund? Wenn er darüber nicht so richtig sprechen möchte / kann, wäre das evtl. eine Möglichkeit? Aufschreiben und in einem Briefumschlag in einen Fluss werfen oder verbrennen?

    Es gab einmal eine Situation, von der ich wusste, dass sie ihn sehr triggern würde. Ich gab ihm vorher mit auf den Weg, er könne es aufschreiben und in den Fluss werfen oder in eine kleine Baumhöhle legen oder einfach an einen Ort gehen, der ihm Ruhe schenkt oder es jemandem erzählen - kaum, dass er zurück war, erzählte er es mir. Ich hatte ihm zuvor noch mitgegeben, er könne auch während er in der für ihn schwierigen Situation sei, schon daran denken, dass er ja hinterher die Möglichkeit habe, etwas von dem zu tun, was ich ihm erzählt hatte. Es hat ihm geholfen, es so durchzustehen, dass er nicht wieder wie ein paar Wochen zuvor ganz gelähmt war von den schmerzvollen Erinnerungen.


    Ich weiß, dass es oft noch Situationen gibt, in denen bei ihm der Schmerz sehr stark ist - viele Jahre später nun, so wie es ist ja, wenn ein Mensch traumatisiert ist.
    Auf seine Mutter hat er keine Wut, sondern sehr begründet zu Recht auf einen anderen Menschen aus seinem früheren nähesten Umfeld und auf andere, die den Tod seiner Mutter verschuldeten. Er hat immer viel zu viel sich selbst Verantwortung (schon als Kind auch) drauf gepackt. Und ich glaube, in ihm ist noch ein ganz großes Fragezeichen, wie seine Mutter sich auf einen bestimmten Menschen einlassen konnte. Das kriegt er nicht zusammen mit dem, wie seine Mutter sonst war. Ich weiß nicht, ob das überhaupt zu verstehen geht. Doch ich glaube, das macht ihm eine riesige Unsicherheit in Beziehungen. Und zum anderen eben die Angst, noch einmal einen geliebten Menschen so wie die Mutter zu verlieren. Wir haben leider keinen Kontakt mehr. Seine Angst aus beidem war bei uns ein großer Teil dessen, was zur Trennung führte.


    Und dazu ich mit meiner eigenen Verlustangst, weil ich beides, was er erlebt hat, natürlich nicht gleich, aber sehr ähnlich erleben musste in meinem Leben. Ich habe aber schon eine lange Zeit Therapie hinter mir und gehe zwar noch ängstlich-vorsichtig in einen Kontakt, habe aber einiges an Angst schon vorher hinter mir lassen können oder während des Kontaktes zu ihm geschafft zu überwinden und an dem Angstteil, der immer noch da ist, bin ich dran. Stabil bin ich da aber eben auch überhaupt noch nicht und das hat es natürlich auch in unserem Kontakt schwierig gemacht. Er selbst hat noch nie Therapie gemacht, die Wunde seiner Traumata ist also noch nicht einmal notdürftig versorgt worden in all den Jahren und bricht so sehr schnell immer wieder auf.


    Ich finde es sehr traurig, dass die Menschen, die früher dieses Leid anrichteten, auch jetzt dann noch mit ihrer Macht in das Leben reichen. Ich will ihnen diese Macht nicht lassen - schaffe das oft auch schon gut. Dass aber die Beziehung an unserer beider Ängste zerbrochen ist, macht mich sehr traurig.


    Zitat von Ratsuchend

    Mancher Tod ist unverständlich. Auch ich habe Tode von Menschen, die jung an Jahren waren und mir nahe standen oder die ich näher kannte, nicht verstanden...

    Wie bist Du dann damit klargekommen? Ich habe sehr früh den mir wichtigsten und liebsten Menschen auf sehr schlimme Weise und urplötzlich verloren und anschließend wurde sehr schlimm mit meiner Trauer umgegangen. Da steckt bei mir eine der beiden Ursachen für meine Verlustangst.


    Liebe Grüße
    Mawa

    Hallo Mary!


    Da hast Du ja einiges durch mit Ärzten und Therapeuten... Es deckt sich leider mit dem, was ich von vielen anderen aus der Selbsthilfe auch gehört habe und auch selbst erfahren musste. Aber es lohnt sich, genau zu suchen. Es gibt Ärzte, wenn auch sehr wenige, die ernst nehmen, was PatientIn sagt und sich informiert hat.


    Ja, ich habe Ärzte gefunden, mit denen ich auf Augenhöhe reden kann, aber es gibt nicht so viele davon. Eine Ärztin, zu der ich aber weit fahre, die aber sich sehr engagiert und einfach für mich und meine Mutter tut, was sie kann. Mit ihr kann ich ganz offen reden. Sie weiß auch, dass ich bei manchen Fachärzten zuvor bei einigen war, bis ich dann - übrigens mit ihrer Hilfe - jemanden fand, bei dem es gut lief.
    Meine Psychologin ist auf jeden Fall jemand, mit der ich auf Augenhöhe reden kann.
    Und auch ein Facharzt meiner Mutter, zu dem ich sie immer begleite.
    Und ich bin bei manchen Untersuchungen / Behandlungen darauf angewiesen, dass ich sagen kann, wie ich klar komme dabei trotz Angst. Das respektieren leider auch nur wenige, doch auch da fand ich nach langem Suchen eine Fachärztin und mit Hilfe meiner Psychologin klappte es auch in einem Krankenhaus bei einer OP, dass man beachtete, was für mich wichtig war.


    Gib da nicht auf. Es lohnt sich! Und Du brauchst ja, jeder braucht ja, Ärzte, die einen unterstützen.


    Viele Grüße
    Mawa

    Zitat von RafaelaSpaeth

    Ok, naja, in Therapie bin ich ja bereits. Ich würde am liebsten jeden Tag hingehen.

    Früher gab es bei mir auch solche Zeiten, in denen ich am liebsten täglich dorthin gegangen wäre. Wie oft kannst Du gehen, einmal in der Woche? Kannst Du Dir noch etwas anderes dazu suchen, was Dir hilft: Bewegungs- / Tanztherapie, Selbsthilfegruppe, Entspannungskurs oder etwas anderes, was Dir gut tut?


    Wenn Du für Dich aber den Eindruck hast, Du schaffst es nicht ohne Psychopharmaka, dann ist es (vorübergehend) für Dich vielleicht der Weg. Dann schau, dass Du etwas nimmst, was nicht so arg abhängig macht und dass Du einen Arzt findest, der da sehr überlegt vorgeht.


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Rafaela, hallo Ratsuchend!


    Bei einer echten Depression ist genau der Punkt schwierig, den Schmerz zu verabschieden.
    Ich habe aber auch immer darauf bestanden, alles in meinem Leben ohne Psychopharmaka durchzustehen und bin sehr froh darüber. Psychopharmaka lösen ja nicht das Problem.
    Wenn es allein nicht gelingt, den Schmerz loszulassen nach ein paar Monaten oder er so stark ist, dass er nicht auszuhalten scheint, würde ich statt Psychopharmaka zu nehmen lieber Therapie machen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass für manche auch Psychopharmaka - dann aber sehr genau überlegt zusammen mit einem erfahrenen Arzt, nötig sind, v. a. wenn der Zugang zur Therapie schwer fällt oder es so weh tut, dass sonst gar keine Therapie möglich ist.


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Ratsuchend!


    Zitat von Ratsuchend

    Meine Mutter hat mir schlimme Dinge erzählt, die eine Frau normalerweise keinem Mann erzählt. Und plötzlich war es mir, als liege ein offenes Buch vor mir. Ich verstand plötzlich ALLES. Warum sie so war, wie sie war. Warum sie nicht anders sein konnte.

    Ich finde das so enorm wichtig, dass ihr darüber reden konntet. Und nichts könnte es Schlimmeres geben, als dass es da Tabus gäbe, man spräche nicht darüber - die Sprachlosigkeit ist Teil, schlimmer Teil des Ganzen. Es mag sehr hart sein, aber wie sonst soll ein Vertehen und damit ein gutes Miteinander möglich sein? Du schreibst sehr treffend, dass Du plötzlich ALLES verstanden hast. Es gibt nur die Chance darüber zu reden. Ich meine damit nicht, überall und jedem davon zu erzählen, aber da, wo es vom Thema her hingehört und / oder mit den Menschen, mit denen der Kontakt näher ist. Ich habe über ganz, ganz viele Jahre absolut niemandem etwas erzählt aus meiner Kindheit. Dann in der Therapie und es war irre schwer. Heute sage ich es als Fakt überall dort, wo es für mich hingehört, weil man versucht zu verstehen, was der andere erfuhr, um ihn heute besser zu verstehen - da ist bei mir auch kein Ohnmachtsgefühl mehr da wie früher, sondern es ist für mich ganz normal, auch diesen Teil aus meinem Leben nicht auszuklammern. Wirklich viel erzähle ich aber nur zwei, drei Menschen, die mir sehr nah stehen.


    Zitat von Ratsuchend

    Ich und meine Geschwister hatten Körperkontakt mit ihr, als sie den letzten Atemzug tat. Ich hatte das Empfinden, sie würde abgeholt. Ich sagte zu ihr, wir lassen dich nun gehen, du wirst erwartet. Wenige Minuten später hörte sie sanft auf zu atmen. Es war, als stünde die Zeit still. Der Raum war wie von Energie erfüllt. Ich kann nicht alle meine Empfindungen schildern, weil es auch als Spinnerei abgetan werden kann - aber wir alle hatten das gleiche Empfinden. Wir alle haben in dem Moment die Angst vor dem Tod verloren. Wir hatten kurz vor und nach ihrem Tod Dinge erlebt, die im Nachhinein Sinn machen. Der Tod hatte sich still angekündigt. Vom Alter war er zu erwarten gewesen, aber so plötzlich dann doch nicht. Rückblickend hatte ich ähnliche Erfahrungen kurz vor dem Tod nahestehender Menschen und Tiere - ich denke, das hat wirklich was mit meiner Empathie zu tun. Und dies wird mir immer deutlicher. Glücklicherweise ist mein Therapeut diesbezüglich sehr aufgeschlossen, da er auch Hospizbetreuung macht.

    Ich halte besondere Erfahrungen, die mit dem Sterben oder dem Tod zusammenhängen, keinewegs für Spinnereien, sondern glaube, dass Menschen gerade in Extremsituationen etwas erfahren können, was sonst über die steuerbaren Gedanken und Empfindungen nicht möglich ist (außer z. B. wenn Menschen sich beispielsweise durch Meditation in einen besonderen Zustand versetzen können).
    Dass Du gemeinsam mit Deinen Geschwistern Abschied von Deiner Mutter nehmen konntest und Ihr als engste Familie so nah beisammen gewesen seid, das ist sicherlich sehr prägend und ich kann die tiefe Ruhe erahnen - gerade auch, wenn Du so viele mit Deiner Mutter hast in den Jahren zuvor besprechen können und Du sie verstehen konntest, aber auch erleben, wie ruhig sie von dieser Welt gehen konnte. Dass es Dir Deine Angst genommen hat, das finde ich bewegend.


    Zitat von Ratsuchend

    Mein Muster der VA war gekoppelt mit einem Helfersyndrom - so dass ich mir das Leid anderer Leute, mir nahestehender Leute "gern" zu eigen machte. Auch davon konnte ich mich etwas lösen.


    Ich möchte dahin kommen, dass ich meine Empathiefähigkeit behalte, dabei aber gleichmütig, gelassen - nicht gleichgültig - bleibe. Bislang habe ich mich zu sehr in Leid ziehen lassen. Der Anfang ist gemacht.

    Finde ich eine gute, gesunde Einstellung von Dir: Mitmenschlichkeit und dabei auf die eigenen Grenzen und Kräfte zu achten.


    Zitat von Ratsuchend

    Und es ist nicht so, dass ich denke, gut, dass meine Mutter tot ist. Nein, ich vermisse sie. Aber erst durch ihren Tod konnten wir Kinder Dinge in uns erkennen und auflösen. Spät zwar, aber nicht zu spät. Und ich bin an diesen Dingen gereift, wie mir einige Leute gesagt haben.

    Ich verstehe schon, wie Du das meinst. Es ist traurig einen geliebten Menschen von dieser Welt gehen lassen zu müssen und es fällt einem immer wieder noch etwas ein, was man mit demjenigen gern getan hätte zusammen, erzählt oder gefragt hätte und es ist nur noch in Gedanken möglich. Doch zugleich steht weder ein Zorn auf etwas, was derjenige tat noch eine Ohnmacht darüber, was andere dem Menschen taten im Weg bei liebevollen Erinnerungen an den Menschen.


    Zitat von Ratsuchend

    Ich hab' gut reden, denn ich habe das "schöne" Gesicht des Todes sehen dürfen. Ich bin mir bewusst, dass der Tod auch eine "hässliche" Seite hat - und damit ist natürlich kein einfacher Umgang möglich. Und ich habe schon als Säugling dieses "hässliche" Gesicht sehen müssen. Und habe 25 Jahre gebraucht, um es erlösen zu können in einem Traum, der bis dato ein Alptraum, ein immer wiederkehrender Alptraum war.


    Wäre für deinen Freund eine Familienaufstellung sinnvoll? Hat er jemand, mit dem er darüber reden kann? Ich denke, das ist sehr wichtig, dass er damit nicht allein bleibt.


    Der Tod eines Menschen kann sehr friedlich sein - so erlebte ich es bei meiner Großmutter. Er kann aber auch so grausam sein und wie soll man dann je begreifen, warum der Mensch sterben musste und je wieder Vertrauen bekommen zu Menschen, außer zu Einzelnen? Mein Freund und ich, wir mussten beide (unabhängig voneinander) diese schreckliche Erfahrung machen.


    Von Familienaufstellung halte ich nichts. Davon habe ich schon zu viele Menschen seelisch abklappen sehen. Ich denke, es ist nicht die Stabilisierung dabei, die bei solch einer Konfrontation mit der Familiensituation nötig wäre.
    Er erzählte nur Teile vor anderen. Mir deutlich mehr, aber auch da konnte er über vieles noch nicht erzählen.


    (Ich habe hier einiges wieder gelöscht - ist mir in einem öffentlichen Forum, in dem ich nicht weiß, wer mitliest, nicht geheuer.)


    Liebe Grüße
    Mawa

    Hallo Mary!


    Ich stelle mir eine Linie vor: links der Pol steht dafür, total untergebuttert zu werden, rechts der Pol dafür, über jemandem zu stehen. Mal der für Dich schlimmste Fall: Du würdest total untergebuttert. Was wäre denn dann? Und warum kannst Du nicht beim nächsten Mal z. B. auch in der Mitte sein: nicht untergebuttert, aber auch nicht andere übertrumpfen müssen. Oder noch ganz anders: in einem Miteinander mit anderen. Und es gibt doch so unheimlich vieles, wo es auch gar nicht auf Leistung ankommt - z.B. auch diese kleinen Dinge im Leben, von denen Du geschrieben hast neulich, dass sie Dir wichtig sind und dass Du das sehr schön findest, so etwas zu sehen.


    Ich habe mich sowohl mit der Vergangenheit als auch mit der Gegenwart befasst, viele Schicksalsschläge mit ihr zusammen durchgestanden. Ich hatte, als ich vor Jahren eine Therapeutin suchte, bei mehreren je eine Probestunde, aber es passte nicht zusammen. Bis ich dann zu ihr kam. Da wusste ich gleich: Sie ist es. Sie ist für mich ein ganz wichtiger Mensch geworden, wie eine Wegbegleiterin, ein Mensch, zu dem ich ein ganz großes Vertauen aufbauen konnte wie ich es vorher nicht kannte. Das ist für mich ein großes Geschenk und mit Abstand die allerwichtigste Erfahrung für mich, wie wichtig, das lässt sich kaum erahnen. Ansonsten: Selbstbewusster geworden, offener - beides sicherlich nicht wie jemand, der ganz andere Startbedingungen ins Leben hatte, aber viel mehr als ich es früher war und viel weiter gegangen als so manch einer, der andere Startbedingungen hatte. Und vor allem überhaupt die Kraft immer wieder gefunden, durchzuhalten, obwohl immer wieder Schicksalsschläge kamen. Gelernt, etwas besser auf mich aufzupassen (z. B. mir wenigstens eine halbe Stunde Auszeit zu nehmen mal zum Kraft tanken).


    Bei der Arzt- und Therapeutenwahl schaue ich genau hin. Ich bin für eine Angehörige und mich selbst wegen Erkrankungen darauf angewiesen, dass gut behandelt wird und musste leider erfahren, wie schlimm vieles bei Ärzten, Therapeuten und in Kliniken läuft - aber auch, wie gute es gibt. Das kann man jedoch nur merken, wenn man sich selbst sehr informiert und genau hinschaut. Meine Erfahrung (und die vieler, die ich aus der Selbsthilfe kenne) ist, dass ein Therapeut oder Arzt, der gut damit klar kommt, einen informierten Patienten vor sich zu haben, der auch nachhakt und der die Behandlung nicht als etwas ansieht, was mit ihm gemacht wird, sondern was Arzt und sie/er gemeinsam für sein Leben / seine Gesundheit tun, oft auch die sind, die fachlich am kompetentesten sind.
    Bei der Therapeutensuche würde ich nie einfach der Reihe nach Nummern aus dem Telefonbuch anrufen oder nur schauen, wer hat die Praxis um die Ecke, sondern immer vorab mich genau informieren, was für eine Therapie möchte ich selbst, kann ich mir vorstellen (bei mir war es Verhaltenstherapie, ich wollte keine Psychoanalyse), ob die-/derjenige sich auch gut auskennt mit den Problemen, die ich habe, überlegen, ob ich zu einem Mann oder zu einer Frau gehen möchte oder ob mir das egal ist, ob ich eher mit jemandem klar komme bei der Therapie, der jünger, gleichaltrig oder älter ist oder ob mir das egal ist und dann ganz genau schauen, ob die Chemie stimmt, z. B. dabei auch Fragen stellen zum Vorgehen oder wie die-/derjenige mit einer bestimmten Situation umgehen würde in der Therapie, die mir wichtig ist. Ich hatte in den Probestunden Therapeutinnen, die guckten mich völlig erschrocken an als sie etwas von meiner Lebensgeschichte hörten. Wie hätten sie mich je auffängen sollen? Oder andere lehnten Schritte, die ich gegangen war und die wichtig waren und bei denen ich später von meiner Therapeutin unterstützt wurde, völlig ab. Oder sie wirkten abweisend oder zu betüttelnd. Ich schreibe das, weil ich glaube, dass eine Therapie nur so gut sein kann, wie die therapeutische Beziehung funktionieren kann (das ist auch wissenschaftlich ganz oft belegt, aber auch meine Erfahrung) und weil ich Dir Mut machen will, bei der Therapeuten-, aber auch bei der Arztsuche lieber etwas länger zu suchen und ganz genau hinzuschauen, Dir vorher Gedanken zu machen und dann aber jemanden zu finden, mit dem Du wirklich gut arbeiten kannst in der Therapie oder auch in der medizinischen Behandlung bei Ärzten aler Fachrichtungen, die Du brauchst. Das ist für mich die wichtigste Erkenntnis aus jahrelanger Selbsthilfeerfahrung, dass ich da nicht einfach mehr zu jedem x-beliebigen Arzt trabe und Behandlung bei mir nur noch als Miteinander stattfindet. Lohnt sich! :)


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo zahir!


    Es ist auch ohne zu verurteilen möglich Dir selbst zu sagen, "das hat mir nicht gut getan als Kind". Wichtiger als Schuld zu geben, finde ich zu erkennen, das tut nicht gut und was brauchst Du stattdessen, damit es Dir gut gehen kann und wie kannst Du das erreichen.


    Viele Grüße
    Mawa

    Hallo Ratsuchend!


    Zitat von Ratsuchend

    Ich habe über die letzten zehn Jahre mit meiner Mutter über ihre Kriegserlebnisse gesprochen. Dadurch habe ich ihre Verhaltensweisen immer besser verstanden. Ich denke, hätte ich nur einen Bruchteil davon ertragen müssen, wäre ich zerbrochen (Flucht bei Minus 20 Grad übers Eis, jahrelange russische Kriegsgefangenschaft etc.). Durch die Gespräche hat sie sich Erleichterung verschaffen können. Und eine besonders schreckliche Schilderung hat mich getriggert. Heute weiß ich, dass ich diesen Schmerz von ihr übernommen hatte. Mein Therapeut meinte, diese Nähe hat auch was mit Neuronen-Spiegelung zu tun. Ihren Tod empfand ich als sehr heilig, als würde sie für ihre schweren Erlebnisse zumindest im Tod belohnt. Und ab da kam ich verstärkt mit Literatur zum Thema in Verbindung - unsichtbare Führung? Ich verstand immer mehr: Symbiosetrauma, transgenerationale Weitergabe, Kriegsenkel etc. Wir haben aber auch über ihr Altwerden und den Tod gesprochen. Als sie ging, war alles gesagt. Ich hatte mich schon vor Jahren bei ihr für alles bedankt, was sie für mich getan hat.


    Den Schmerz habe ich in einer Art Ritual an ihrem Grab aufgelöst (und auch durch innere Kind Meditationen). Ich sagte, du bist erlöst und du brauchst nun niemanden mehr, der deine Last für dich mit trägt. Und seitdem ist an dem Platz, wo ich diesen Schmerz gefühlt habe, eine Art Leere, die nun mit etwas positivem gefüllt werden kann. Klingt vielleicht etwas esoterisch, aber durch das, was ich seitdem erlebt habe, weiß ich, dass es nicht für alles eine Erklärung gibt - und es dennoch geschieht.


    Seitdem ich, durch die Familiengeschichte meines Freundes aufgerüttelt, begann, mich mehr damit auseinanderzusetzen, sehe ich, wie viele Kinder von Menschen, die im Krieg traumatisiert wurden, aber auch wie viele Kinder, von denen ein Elternteil Täter war, heute selbst davon sehr im Leben geprägt sind. Ich habe seither viel darüber gelesen und Gespräche geführt. Ich denke, dass dies sehr, sehr oft übersehen wird und nur sehr wenige Menschen ahnen, wie sehr dies geprägt hat.


    Dass Du mit Deiner Mutter so viel darüber gesprochen hast, das finde ich sehr wichtig und gut. Das geht leider zwischen vielen nicht. Die Spiegelneuronen-Erklärung ist die biologische Sicht auf die Empathie. Jedes Gefühl hat ja im Körper eine biochemische Reaktion. Dass Du diese Empathie hast, das finde ich sehr wertvoll. Ich denke nicht, dass der Weg sein sollte, stärker abzustumpfen. Das gibt es leider schon zu viel und führt zu Schlimmem. Finde viel wichtiger, sich die Empathie zu erhalten und gleichzeitig sich selbst zu stärken. Sodass Empathie nicht dazu führt, selbst vom Leid erdrückt zu werden. Das kann alles andere als einfach sein. Es ist auch für mich selbst eine wichtige Lebensaufgabe.


    Dann konnte Deine Mutter sehr friedlich von dieser Welt gehen und mit einem guten Gefühl auch zwischen Euch? Ich glaube, dann kann ich verstehen, was Du damit meinst, dass Du ihren Tod als heilig empfunden hast.
    Bei meinem Freund verlief das Leben seiner Mutter und wie sie starb leider ganz anders. Für ihn wurde so mit ihrem Tod die Traumatisierung noch schlimmer. :cry:


    Liebe Grüße
    Mawa