Ich muss leider ein bisschen länger ausholen, um das Problem besser zu beschreiben
Es ist halt ein Bereich, in dem man ziemlich verloren anfängt, wenn man da noch nie Berührungspunkte hatte. Bei uns ist die reguläre Einarbeitungszeit ein Jahr (!). Vorher ist man nie alleine für Rufbereitschaften in der Nacht, bei denen man dann alleine mit einem Arzt am Tisch steht. Die geben sich schon echt Mühe, mir alles zu zeigen, Fragen zu beantworten. Die Stationsleitung hat schon mal das Gespräch mit mir gesucht, weil sie das Gefühl hatte, dass ich mich nicht so wohl fühle und hat mir auch noch versucht Mut zu machen, dass diese Anfangszeit bei allen immer schwierig ist und das keiner von mir erwartet, dass ich gleich alles kann. Sie hat auch gesagt, dass ich jederzeit zu ihr kommen und das Gespräch suchen kann. Die sind schon wirklich echt nett.
Ich habe im November und Dezember jeweils eine Weiterbildung (mit Prüfung), die noch obendrauf kommt. Musste schon die ein oder andere Geräteschulung mitmachen (wir arbeiten mit Intensivgeräten, ECMO, IABP, DEFI, Spritzenpumpen, einer großen Röntgenanlage am OP- Tisch usw) ...
Als ich da angefangen habe, haben sie mich die ersten Wochen erst in die Funktionsdiagnostik gesteckt, denn ich musste erst Mal den Umgang mit 12 Kanal EKG, Langzeit EKG, Belastungs-EKG Geräten, Langzeit- Blutdruck Anlage, EEG Anlage bei beatmeten, sedierten Menschen auf der Intensivstation lernen und deren Auswertung um Notfallsituationen direkt zu erkennen, ich musste Blutabnehmen lernen, Zugänge legen lernen, das Monitoring anschließen und überwachen lernen (jede Untersuchung erfordert anderes Bekleben der Elektroden der Geräte zB etc.) Da hab ich die ganze Vorbereitung gemacht für die Arztsprechstunden. Da siehst du ne Menge Menschen am Tag ( was schon alleine eine enorme Umstellung ist, wenn ewige Jahre in der Langzeitpflege gearbeitet hast, jeden Tag nur die selben Gesichter siehst und die Menschen In und Auswendig kennst)...
Nach den ersten sechs Wochen bin ich jetzt im Aufwachraum, meistens alleine (kann aber jederzeit jemanden ansprechen aus dem OP Bereich, wenn ich Hilfe brauche) und mache jetzt die Vorbereitung der Patienten für die Eingriffe am Herzen (wir implantieren Schrittmacher, Klappen, machen Rechts und Linksherzuntersuchungen, Herzbiopsien, setzen Stents, Kardioversionen (also geplante Elektroschocks, die den normalen Herzrythmus wieder in Gang bringen) und die Notfallversorgung von akuten Herzinfarkten wenn die mit Rettung oder Hubschrauber direkt zu uns auf den Tisch kommen und die Überwachung nach den Eingriffen. Ich mach auch die Sedierung während der Eingriffe und überwache diese selbstständig und spritze eigenständig nach, wenn es nötig wird. Die letzte Station ist dann mein am Ende eigentlicher Arbeitsplatz, nämlich der im Herzkatheter OP, also die Assistenz am Tisch während der Eingriffe, steriles Abdecken der Patienten und die Dokumentation nebenher am Monitoring....
Das ist jetzt so ein kleiner Einblick in meine Arbeit
Eine "normale" Krankenschwester auf einer normalen Bettenstation, kommt mit solchen Dingen überhaupt gar nie in Berührung, vieles davon darf man ohne diese Weiterbildungen gar nicht machen, weil das ärztliche Tätigkeiten sind und werden auf einer Station auch gar nicht gemacht. Folglich muss ich den ganzen Bums jetzt erst Mal von Null an lernen und angeleitet kriegen und da bin ich oft brutal überfordert. Auch weil ich total hohe Ansprüche an mich selbst habe und am liebsten viel mehr können würde. Da kommt dann auch mein innerer Kritiker, der mir dann sagt, dass ich das nie können werde, dass die Leute mich sicher für dumm halten und als eine Belastung sehen, weil sie mich quasi wie einen Azubi gerade ausbilden müssen
Gleichzeitig arbeitet man da unter hohen Stress und Zeitdruck - in Notfallsituationen kannst halt nicht noch lange überlegen, da musst du handeln. Reanimationen gehören ja auch zum Aufgabengebiet oder die Leute kommen bereits akut beatmet und reanimiert mit dem Notarzt zu uns und wir kämpfen um deren Leben. Das ist halt jetzt nicht so wie im Krankenhaus, wo man "stabile" Menschen um sich hat, wo es um Grundpflege, Verbände, Medikamente, Essen austeilen etc geht und wenn mal was akut wird, einen Knopf drückt, dass das Rea Team dann kommt, denn wir sind jetzt das Rea - Team .
Da hatte ich nie ein Problem, nicht mal während der Ausbildung wenn ständig der Fachbereich gewechselt hat. Das jetzt ist halt für mich eine enorme Steigerung, der viel Verantwortung abverlangt und ich weiß nicht, ob ich dem mit meinem mickrigen Selbstvertrauen gewachsen bin
Das ist denke ich auch das Problem, die Angst zu versagen, nicht schlau genug zu sein, Fehler zu machen ...