Ich habe den Thread erst jetzt gelesen, weil ich mal eine Woche nichts ins Forum geschaut habe.
Zitat von Sara
Greeny, ich kann von außen nicht beurteilen, ob die Geschichte zwischen deiner Mutter und deinem BA-Vater so ist, wie du sie siehst bzw sehen möchtest. Basierend auf meinem (auch auf eigenen Erfahrungen beruhenden) Wissen ist oft die Gefahr groß, dass man die Geschichte der eigenen Eltern idealisiert sehen möchte.
Oft steht die pragmatische Herangehensweise eines Elternteils eigentlich für "konsequentes ignorieren der bestehenden Probleme". Auch wenn es scheinbar heftige Auseinandersetzungen gibt. Und dahinter verstecken sich oftmals eigene problemanteile des anderen Elternteils.
Das ist ehrlich gesagt so ein bisschen die Herangehensweise, die ich auch in meiner Therapie kennengelernt habe. Ich habe mich dabei mehrfach gefragt, ob meine Therapeutin mich für derart unbelesen, uninformiert oder unreflektiert hält, dass mir die Möglichkeit solchen Idealisierungsverhaltens oder solcher Problemvermeidungsmechanismen nicht bewusst oder bekannt wäre. Nichts davon ist doch eine bahnbrechende Erkenntnis, das habe ich alles schon zigfach für mich durchdacht und auch sowohl mit meiner Mutter als auch mit meinem Vater schon mehrfach unabhängig voneinander darüber gesprochen, wie ich diese Konflikte damals wahrgenommen habe.
Sie haben mir beide sehr offen erzählt, dass diese Konflikte sie sehr mitgenommen haben, weil sie wussten, dass Konfliktlösung bei derart unterschiedlichen Konfliktlösungstypen sehr schwierig ist. Sie haben aber auch beide sehr überzeugend gesagt, dass sie trotzdem nie an der Liebe oder der Beziehung gezweifelt haben (ja, ich weiß, kann man auch wieder sagen, dass sie ihre eigene Geschichte idealisieren wollen oder nur deshalb nicht gezweifelt haben, weil Verdrängung im Spiel war...), weil diese Liebe an so vielen Stellen zum Ausdruck kam und das Fundament stabil war/ist. Es ist nicht so, dass meine Mutter nur pragmatisch an die Sache herangegangen ist, es flossen auch immer mal Tränen und sie hat ihre Traurigkeit zum Ausdruck gebracht, wenn es derartige Konflikte gab. Aber sie konnte eben dennoch unterscheiden, wie er wirklich zu ihr stand und für sie fühlte und wo die BA zum Ausdruck kam, weil sie eben nicht derart selbstunsicher war, dass sie an sich oder ihrer Wahrnehmung gezweifelt hätte. Und wie gesagt, mein Vater hat sich dann auch immer spätestens am nächsten Tag nochmal mit der Sache (allein und/oder mit meiner Mutter) auseinandergesetzt. Wann, wenn nicht bei solchen Voraussetzungen, sollte man es denn dann versuchen, gemeinsam hinzubekommen?
Zitat
Ich fürchte, dass die "echte" Antwort nicht "ich möchte nicht alles im Voraus planen" gelautet hätte, sondern "ich weiß noch nicht, ob ich Lust habe etwas mit euch zu unternehmen". Die Frage ist, ob man eine solche Antwort als Kind bzw Partner "hören möchte"? Denn wenn man sie hört, müßte man eigentlich Konsequenzen ziehen und die Beziehung überdenken oder sich zumindest mit Schmerz auseinandersetzen.
Ehrlich gesagt finde ich das widersprüchlich. Viele Partner haben doch mit dem Problem zu kämpfen, dass sie sich die Ambivalenz aus einerseits liebevollem Verhalten und andererseits Distanzbedürfnis nicht erklären können und beginnen, an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln, sich fragen, ob der andere sie nur veräppeln will, was sie falsch gemacht haben usw. Wer sich seiner selbst nicht sicher ist, bei dem geht der Selbstwert schnell noch mehr in den Keller und es entwickelt sich eine ungesunde Dynamik. Ist es im Gegensatz dazu aber nicht gerade der selbstbewusste Umgang mit solchen BA-Mustern, zu erkennen, dass auf Grund der BA Konflikte unvermeidlich sind, diese aber deshalb nicht zu persönlich zu nehmen und an sich heranzulassen, weil man das Verhalten einordnen kann und deshalb nicht an sich selbst zweifelt?
Wie sähe denn sonst ein selbstbewusster Umgang mit einem BA-Partner aus? Bei dir klingt das für mich so, als ob jeder, der pragmatischer im Sinne von "das ist seine BA, das nehme ich jetzt einfach so hin" damit umgeht, das nur deshalb tut, weil er selbst etwas verdrängt und nicht wahrhaben will. Würde er es nicht verdrängen, müsste er die Beziehung überdenken und womöglich einen Cut machen. Ist das nicht um eine Ecke zu viel gedacht? "Ich empfinde nicht genug" z.B. heißt bei vielen BÄ ja gerade nicht, dass es an der Liebe fehlt, sondern dass die Ängste zu stark sind. Das zu erkennen und nicht meschugge zu werden, wenn kurz darauf wieder eine liebevolle Aussage kommt, ist doch erstmal die Herausforderung im Umgang mit BÄ. Bei dir klingt es aber so (deine Übersetzung: "ich weiß noch nicht, ob ich Lust habe, etwas mit euch zu unternehmen"), als ob dahinter dann doch zu wenig Liebe oder Sympathie stünde, was sich der BA-Partner nur nicht eingestehen will, um sich nicht mit Schmerz auseinandersetzen zu müssen. Da beißt sich doch die Katze in den Schwanz.
Beziehung überdenken: da frage ich mich - auch auf die Gefahr hin, dass das wieder als idealisierend verstanden werden kann -, ob das eine gute Lösung gewesen wäre, wenn diese Konflikte mit der Zeit immer seltener geworden sind und es in den letzten Jahren fast gar nicht mehr dazu kam. Ich denke nicht, dass meine Mutter mit ihrem sicheren Gefühl, dass es an der Liebe nicht mangelt und man das schaffen kann, wenn durch über viele Jahre wachsendes Vertrauen Ängste abgebaut werden, so falsch gelegen hat. Es wäre zu privat, hier darzulegen, welchen außerhalb der Beziehung liegenden Belastungen sie alles standgehalten haben und wie oft sie sich jetzt mit kleinen Gesten oder persönlichen Überraschungen und Geschenken ihre Liebe zeigen, wie sie begeistert ihre Unternehmungen oder Reisen planen und nichts davon in Frage steht oder kurzfristig ins Wasser fällt. Solche Aussagen, für den nächsten Tag noch nicht planen zu können/wollen, kommen auch gar nicht mehr vor, weil meines Erachtens eben auch damals nicht "ich weiß nicht, ob ich Lust habe", sondern "ich weiß nicht, ob ich mich dann danach fühle oder eher für mich sein will" die richtige Übersetzung war.
Man kann das immer so deuten, dass es eigentlich nicht das Wahre ist und man sich eben damit arrangiert hat, vieles aus Selbstschutz nicht sehen will. Aber ist es wirklich so unvorstellbar, dass, wenn auch der BA bereit ist, sich im Nachhinein mit seinen Verhaltensmustern bei Konflikten auseinanderzusetzen, solche Ängste mit langjährig gewachsenem Vertrauen und einer gewissen Hartnäckigkeit, sowas nicht unter den Teppich zu kehren, abgebaut werden können und diese durch BA bedingten Beeinträchtigungen der Beziehung dann auf ein Minimum zurückgehen? Wenn man sich den Rückgang der Konflikte nur mit Arrangieren und Verdrängen erklären kann, finde ich das ehrlich gesagt auch traurig und bedenklich. Ich frage mich wirklich, wie denn dann eine erfolgreiche Bewältigung aussehen soll. Ist die dann immer eingebildet oder verklärt?
Zitat
Wenn jemand mit dir nicht gemeinsam essen möchte, dann doch nicht, weil es an der Zeit scheitert (auch wenn er das sagt), sondern einfach weil er keinen Bock auf diese gemeinsame Zeit mit dir hat. Da ist nix unlogisch dran, sondern das ist innerhalb des BA Musters perfekt logisch: kein Wunsch auf Gemeinsamkeit bei gleichzeitigem innerem verbot das offen zu kommunizieren. Das ist genau, das BA Muster. Aber das zu hören, tut natürlich mehr weh als das "grübeln über die fehlende Logik des dabeisitzenbleibens" (was der andere vermutlich leicht widerwillig machen wird, aber aus dem inneren verbot, sich auch nicht traut, aufzustehen und zu gehen).
Es ist unlogisch, wenn genau dieser Kumpel eine halbe Stunde vorher von sich aus gefragt hat, ob wir etwas Essen gehen wollen. Hat er eine halbe Stunde vorher gefragt, weil er keinen Bock auf diese gemeinsame Zeit mit mir hat? Dann sitzen wir da, ich bestelle und ihm fällt plötzlich ein, dass er doch nicht mehr so viel Zeit hat. Der gleiche Kumpel fragt in manchen Wochen mehrmals, ob wir was unternehmen wollen, es ist dann auch immer schön. In anderen Wochen gar nicht und er reagiert dann bei Meldungen meinerseits nur sehr reserviert. Ohne äußeren Anlass oder mehr beruflichen Stress. Willst du wirklich behaupten, das ist dann fehlende Sympathie/kein Bock, wenn es derart in die Extreme geht? Nicht vielleicht ein in ihm selbst ablaufender Prozess, der dadurch zum Ausdruck kommt? Ich schnalle das schon, wenn jemand wirklich keine Sympathie für mich hat und nicht will. Das ist dann aber auch nicht heute so und morgen ganz anders. Dann habe ich auch schon Freundschaften auslaufen lassen oder beendet. Aber hier ist es doch gerade diese hier so oft besprochene Ambivalenz, und wenn jetzt jeder BA-Partner aus einem "ich will dich nicht mehr sehen" schließen würde, dass es eindeutig an der Liebe und Sympathie fehlt, würden wir doch gerade negieren, dass die BA den BÄ dazu treibt, einmal liebevoll und ein anderes Mal ganz kühl zu sein, oder nicht?
Es klingt ein bisschen so, als ob der BÄ einem nur wegen eigener Verdrängung so ambivalent erscheint, es in Wahrheit aber schon auch so meint, wenn er "kein Bock" signalisiert, und dass die BA sich nur dadurch zeigt, dass er es nicht so kommunizieren kann ("das ist das BA Muster"). Dagegen spricht meines Erachtens aber dieses ganz krasse Abrutschen in die Extreme. Zwischen meiner Freundin und mir sind in der letzten Woche z.B. auch einige Dinge passiert und hat sie mir - schöne - Dinge gesagt, die so nicht geschehen wären, wenn mein Eindruck so falsch und ihr die Beziehung so verhältnismäßig egal wäre, was ich nur nicht wahrhaben will. Das kann in einer Woche wieder anders sein, und genau das würde bei einem Nicht-BÄ eben nicht passieren.
Falls ich schon in der Schublade bin, schmerzlichen Erkenntnissen durch Idealisierung ausweichen zu wollen, wird natürlich auch das hier Geschriebene wieder so rüberkommen, das ist mir klar. Ich bin mir allerdings einiger schmerzlicher Erkenntnisse bewusst. Dieses ungesunde Konfliktverhalten meiner Eltern war sehr schädlich für mich und ich hätte das nicht so mitbekommen sollen, ja. Daraus aber zwangsläufig den Schluss zu ziehen, dass es in ihrer Beziehung keine tatsächliche Bewältigung und keinen tatsächlichen Abbau der Ängste gegeben haben kann, sondern ich mir das nur der Schmerzvermeidung wegen so zurechtbiege, finde ich einfach zu weit hergeholt und zu simpel, nur weil das Standard-Erklärungsmuster vielleicht auf einzelne Aspekte zutrifft.
Tut mir leid, wenn ich mich jetzt nur an meinem persönlichen Fall aufgehalten habe, aber ich hatte das Bedürfnis darauf noch zu reagieren. Ansonsten freue ich mich über die angeregte Diskussion und werde mir das demnächst mal in Ruhe durchlesen und antworten.