Hallo an Euch,
ich finde schön, dass dieses Thema nochmal aufgegriffen wurde. Ich stimme zwar nicht mit Evas Ansicht überein, aber auch mir bereitet es manchmal Unbehagen, wie über Menschen mit Bindungsangst gesprochen wird hier. Außerdem wurden in der Diskussion auch Punkte angesprochen, die hier zwar oft geäußert werden, aber ich glaube nicht, dass sie uneingeschränkt wahr sind.
Aber der Reihe nach:
Zitat von eva
Eine Person die bemerkt dass sie sich in einen Bindungsängstlichen verliebt hat - sollte besseres zu tun haben als über diesen zu meckern. Bindungsängstliche verlieben sich in bindungsängstliche. Aus Prinzip. Natürlicher, sinnvoller psychischer SELBSTSCHUTZ.
Mir leuchtet nicht ein, warum das immer und grundsätzlich so sein soll. Ich denke schon, dass man diese Frage für sich überprüfen muss, wenn man die Erfahrung macht, Partner eines solchen Menschen gewesen zu sein, aber ich weiß nicht, warum es auf jeden zutreffen sollte. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass die Wahrscheinlichkeit, selber Bindungsangst zu haben sich erhöht, je länger man in solch einer unbefriedigenden Beziehung geblieben ist. Ohne eigene Angst wäre man früher ausgestiegen. Aber dass eigene Bindungsangst Voraussetzung für's Verlieben ist, das glaube ich nicht.
Zitat von SugarLea
Und ich ( auch du nicht!) bist dazu da, um ihm seinen Wert klar zu machen, den muss er nämlich selbst in sich finden. Er braucht keine Bestätigung von dir um seinen Wert zu erkennen, der braucht eine Therapie um diesen in sich selbst wieder zu finden! Menschen, die sich ihren Wert von Außen bestätigen lassen, fallen in sich zusammen wie ein Kartenhaus, wenn diese Bestätigung dann mal ausbleibt. Und das tut sie bei solchen Menschen schon bei Kleinigkeiten.
Ich stimme zu, dass niemand einem anderen dessen Wert bestätigen muss, im Sinne einer Verpflichtung, außer Eltern ihren Kindern gegenüber. Aber ich glaube nicht, dass man Selbstwertgefühl als Erwachsener ausschließlich aus sich selbst heraus entwickeln muss.
Ausgerechnet von meinem BA-Ex hab ich gelernt, dass nicht nur meine praktischen Wünsche, sondern auch emotionale Bedürfnisse wichtig genug sind, um über sie zu reden oder um etwas zu bitten. Ich war geradezu geschockt, als er mich zum ersten Mal fragte, ob er was für mich tun könne, "nur" weil ich einen blöden Tag hatte und etwas traurig war. Aus meiner andern langen Beziehung war ich gewohnt, dass ich vielleicht ein bisschen getröstet werde, oder dass mir gesagt wird, dass ja alles nicht so schlimm ist und der nächste Tag besser wird. Aber dass die Frage, was ich jetzt will, offen gelassen wurde, dass ich selbst entscheiden sollte, dass hat mich in dem Moment überfordert, weil man in meinem Elternhaus mit Gefühlen "vernünftig" umging, und weil meine vorherige Partnerin auch eher praktisch veranlagt war. Ich konnte das also nicht beantworten, weil es neu für mich war, dass jemand meine emotionalen Wünsche genau so wichtig wie praktische Wünsche nahm. Und aus diesem Grund war ich es nicht gewohnt darüber nachzudenken, was ich mir wünschte. Jemanden aus sachlichen Gründen um etwas Praktisches zu bitten, damit hätte ich kein Problem gehabt, aber diese Erfahrung war neu.
Er hat bestimmte Aspekte von mir anfangs wichtiger und ernster als ich selber genommen. Und wegen seiner Beharrlichkeit glaubte ich es ihm auch, dass dieser Teil von mir es wert ist, ihm Beachtung zu schenken und diesbezügliche Wünsche zu äußern. Und bis zur ersten Krise, von der an ja meist alles den Berg runter geht, verging genug Zeit, dass ich das glauben und verinnerlichen konnte. Und es ist noch immer Teil von mir, obwohl der Ex weg ist.
Für mich ist das auch ein Selbstwertaspekt. Deshalb glaube ich, dass man Selbstwert nicht im luftleeren Raum und aus sich selber heraus lernen muss, sondern dass man das von anderen Menschen lernt. Wenn man wie ein schwarzes Loch ist, das nicht gefüllt werden kann, dann ist es natürlich ein Problem. Aber wenn man anhand dessen, wie einen andere gut behandeln lernt, wie man sich selber besser behandelt, dann ist das aus meiner Sicht Selbstwert lernen. Und warum das manchen gelingt und anderen nicht, was da für eine zusätzliche Voraussetzung gegeben sein muss, das weiß ich nicht, und das fände ich eine interessante Frage.
Zitat von Angieohnee
Hatten hier nicht viele, ich eingeschlossen, eine Phase, in der das Eingestehen der Niedertracht des BA, aus welchen Gründen auch immer, auf einen so heftig zurückgefallen wäre, dass man es zu dem Zeitpunkt noch nicht ertragen konnte?
Das ist ein Beispiel für die Art von Äußerungen, die ich problematisch finde, weil zu stark verallgemeinernd. Ich finde es legitim zu sagen, dass der eigene Ex niederträchtig war, aber ich finde es nicht richtig zu sagen, dass alle Bindungsängstler "niederträchtig" sind, das ist ein sehr negativ konnotiertes Wort. Wie SugarLea anderswo sagte, BA ist nicht BA, und deshalb möchte ich nicht alle so über einen Kamm scheren. Meiner war aus meiner Sicht vor allem verantwortungslos und vielleicht auch feige. Aber niederträchtig im Sinne von böse war er nicht.
Und sollte man hier als Mensch mit Bindungsangst neu sein und im Forum einen der Threads erwischen, wo der Ton vorwiegend so ist, dann denke ich auch, dass man sich hier nicht sehr willkommen fühlen wird. Andererseits haben hier viele tatsächlich sehr gelitten, und da ist es verständlich, dass emotional geschrieben und nicht immer differenziert wird. Wie man das letztendlich lösen könnte, keine Ahnung. Aber da sind ja die alten Diskussionen mit RAK oder so, der sich ja anscheinend ziemlich aus seiner Bindungsangst rausgearbeitet hat, der bestimmte Diskussionen hier aber auch ähnlich empfand.