Hallo AnnaLena,
genau heute vor einem Jahr sind wir das erste Mal wieder verabredet aufeinandergetroffen, nach seiner ersten Flucht. Ich wollte damals ungeklärtes klären, verzeihen und Wunden heilen.
Er hat mich nach diesem Treffen erneut verführt, und ich habe mich darauf eingelassen, weil ich neue Hoffnung hatte, ich Dummi.
Es ist krass, wenn ich bedenke, was sich daraus für ein schicksalhaftes Jahr für mich ergeben hat. Aber ich habe damals getan, wozu es mich innerlich drängte - und diese Entscheidung bereue ich deswegen nicht. Ich werde zukünftig aber anders entscheiden.
Zitat von AnnaLena
Zärtlichkeit und Nähe. Die aber - das weißt Du selber - hättest Du nie richtig ausleben können.
Ich hätte wahrscheinlich nicht das von ihm zurückbekommen, was ich mir gewünscht hätte. Aber er hat mir blöderweise Anlass zu Hoffnung gegeben.
Ich hätte meine Gefühle dennoch ausleben können und das wohl auch besser getan - mir kam da aber die Angst vor seiner (erneuten) Zurückweisung dazwischen.
Mein sonstiger Mut hatte sich an genau dieser Stelle in Angst verwandelt. Das ist das einzige, was ich bereue: Dass ich mir auf dieser Ebene keinen angemessenen Ausdruck verliehen habe.
Zitat von AnnaLena
Das heißt dann aber auch Du hast Sehnsucht nach der unerfüllten Sehnsucht?
Nein. Ich hatte Sehnsucht nach ihm, nach seinem Körper, seinem Geruch, seiner Haut, seinem Lachen, seinem Lächeln, seinem Blick, nach dem Klang seiner Stimme. Nach einer bestimmten Art von zaghaften, zärtlichen Berührungen, zu denen er in der Lage war.
Ich hatte gestern abend ein Gespräch mit einem guten Freund von mir.
Er sieht vieles sehr rational und realistisch und gibt mir dadurch auch jedes Mal neue Denkanstösse.
Irgendwie glaube ich allmählich, dass Mitleid mit einem BÄ bzw. diese "mütterlichen" Gefühle tatsächlich deplaziert sind.
Ich habe ihn bisher immer wieder als Opfer (seiner Erziehung/seiner Vergangenheit) gesehen.
Aber im Grunde kann ein erwachsener Mensch, der sich nicht um sein eigenes Glück kümmert und trotz wiederkehrender Probleme immer wieder dieselben Fehler macht (ja damit sogar anderen wiederholt schadet), nicht mehr als Opfer betrachtet werden. Vergangenheit hin oder her.
Selbst wenn er einen kreuzunglücklich anschaut - dieses Unglücklichsein (egal worauf er es zurückführt) hat er am Ende doch sich selbst zu verdanken. Gilt ja genau so für einen selbst.
Ich merke allmählich, wie ich dahingehend immer nüchterner werde.
Ich hatte es mit jemandem zu tun, der keinerlei Rücksicht auf mich genommen hat, ja, sowas vermutlich einfach nie erlernen und verinnerlichen konnte. Der nicht nur für seine Gefühle erblindet ist (was ohne Frage sehr bemitleidenswert war), sondern dem es objektiv gesehen vor allem an gewissen inneren Werten fehlt und an sozialen Fähigkeiten. Emotionale Intelligenz und achtungsvoller, warmherziger Umgang, Konfliktfähigkeit und couragiertes Handeln z.B. - dazu gehört auch, über seinen Schatten springen zu können. Sowas beherrscht nur ein Mensch, der verantwortungsbewusst ist und ein reifes Selbst besitzt.
Was mein BÄ während unserer "Beziehung" und auch danach demonstriert hat, war schlicht und einfach menschlich unreifes Verhalten, für das es in einem solch fortgeschrittenen Alter eigentlich keine Entschuldigung mehr geben darf. Ich hab zu sehr auf das Kind in ihm geschaut.
Erwachsene Menschen mit chronischen Beziehungsstörungen könnten durchaus selber etwas an ihrem Verhalten oder an ihren Problemen ändern: wenn sie nämlich einfach die richtigen Konsequenzen ziehen würden aus dem, was das Leben ihnen immer wieder vor Augen hält, und sich stellen würden. Mutig wären, anstatt sich feige auf Kosten anderer durchzumogeln.
Es ist ein Fehler, zu hoffen, dass man als Bezugsperson diesen mangelnden Mut mit dem eigenen Mut auffangen kann.
Meiner sagte anfangs, er habe "schon viele Herzen gebrochen", und er sagte auch, dass er glaube, er habe einen "Defekt". Er liess auch mal eine Warnung vor sich selbst durchklingen. Da ist also bei ihm durchaus ein sehr klares Wissen über das eigene destruktive Potential vorhanden. Insofern ist da doch auch eine volle Mündigkeit vorauszusetzen. Und dass solche Menschen wissen, was sie tun und welche Folgen es hat (auch für die betreffenden Bezugspersonen), hat hier schon mal jemand gesagt.
Er wusste auch, was er tut - erst recht, da ich ihm die Folgen, die sein Handeln für mich hat, mehr als deutlich erklärt habe - was ihn nicht davon abgehalten hat, es trotzdem wieder zu tun.
Verantwortung zu tilgen mit Erklärungen wie "er hat es doch vielleicht nicht so gemeint" oder "er kann es halt nicht anders", das kann man aber nur bei jemandem machen, der tatsächlich nicht weiß, was er tut. Und selbst da muss man ja die eigene Verletzlichkeit ernst nehmen, klare Grenzen setzen und Konsequenzen daraus ziehen, um Eigenverantwortung zu leben.
Jeder Erwachsene ist in erster Linie selber verantwortlich dafür, was er im Leben noch lernt und wie er sich entwickelt, insbesondere was die Nachreifung angeht.
Meine Aufgabe, die ich mir gewählt habe, ist, mir über meine Schwachstellen bewusst zu werden, um in Zukunft einiges anders zu machen - meiner Intuition und meiner Wahrnehmung stärker zu trauen, mehr hinter mir zu stehen, mich unabhängiger zu machen, weiser zu handeln, mich ernst zu nehmen, mich nie mehr missbrauchen zu lassen - und eben damit auch Verantwortung für mich zu tragen.
Ich möchte jetzt zuerst mal dafür sorgen, dass ich, wie Du schon sagtest, meine Gefühle (an)erkenne und auslebe, sie nutze und sie dorthin lenke, wo sie für mein Leben gut aufgehoben sind.
Das Verhalten dieses Mannes konnte mich von mir selbst entfremden, es war ein Spiegel für mich, der mir meine Schwachstellen gezeigt hat und mich zu meiner Aufgabe geführt hat.
Ich glaube, den kleinen, verlorenen, unsicheren Jungen in ihm, der in seinem Schmerz verstummt und erstarrt ist, den hab ich irgendwie von Anfang an wahrgenommen und immernoch mit liebevollen Gefühlen in Erinnerung. Den Erwachsenen in ihm finde ich eher ignorant, selbstsüchtig, verantwortungs- und rücksichtslos, der schreckt mich ab.
Irgendwie ist dieses Bild sogar richtig zutreffend, da doch ein öfter formulierter Satz von meinem BÄ war, andere Menschen würden ihm unterstellen, er habe "zwei Gesichter".