Hallo Leute,
mit meinem BÄ hat sich einiges verändert.
Wir hatten einige Monate keinen Kontakt, er hat mich gehen lassen weil er wußte wie ich litt. Obwohl ich in dieser Zeit ein komplettes Gegenstück kennen lernte, der mir alles gab wonach ich mich bei meinem BÄ sehnte, schwächte das Gefühl zu ihm nicht ab. Als er sich dann irgendwann wieder meldete und sagte, daß es ihm genauso ginge, habe ich das neue Ding beendet. Viele hier nicken jetzt sicher, weil sie den Verlauf allzu gut kennen. Aber die Situation hat sich etwas verändert.
Als ich einer neuen Bekannten von meinem BÄ berichtete, eröffnete sie mir plötzlich, daß sie sein Verhalten komplett verstehen könnte.
Aus dem Telefonat wurde mehrstündiges Gespräch, in dem sie mir ihre Geschichte erzählte, eine Geschichte über eine On-off-Beziehung, die sich über viele Jahre erstreckte, mit den grausigsten Szenen der Bindungsangst.
Sie erklärte mir, wie diese Angst sich anfühlt. Ich berichtete ihr von meinem Wissensstand über Bindungsangst.
Wir lasen dann quasi parallel das Buch "Jein", welches mich zum Teil erschrocken hat (als es um meine eigenen Empfindungen ging). In Kombination mit den Berichten einer Betroffenen habe ich heute eine andere Einstellung.
Ich habe dem BÄ dieses Buch geschenkt, er hat es gelesen. Seit dem scheint ein Knoten geplatzt zu sein. Natürlich sind die Symptome nicht wie ausgelöscht, aber wir verbringen mehr Zeit miteinander. Langsam bin ich soweit sensibilisiert, daß ich es schon vorher merke, wenn sein Problem auftaucht. Ich lasse ihn dann einfach in Ruhe. Ich habe gerafft, daß ich ihn dort nicht rausholen kann, daß er es mit sich selbst ausmachen muß. In dieser Zeit konzentriere ich mich auf mich selber, auf Freunde, auf längst aufgeschobene Tätigkeiten, auf Sport, auf Spaß, ohne schlechtes Gewissen. Und je mehr ich ihn in Ruhe lasse, desto schneller meldet er sich wieder. Wir beide müssen Vertrauen lernen. Ich, daß sein Gefühl für mich tatsächlich existiert, und daß er zu mir zurück kehrt, wenn es vorbei ist. Er, daß er seiner Angst nicht allzu sehr trauen darf, weil sie nur kurz anhält. Und daß ich in dieser Zeit keine Erwartungen an ihn stelle, daß er kein schlechtes Gewissen haben muß.
Das nimmt ihm Druck, und jeder Betroffene wird wissen, daß Druck das Hauptproblem darstellt.
Ich kann verstehen, Ratlos, daß es Dir eine Genugtuung war, den BÄ mitzuteilen, daß Du glücklich bist ohne sie. Aber Du darfst nicht vergessen, daß ihr Leidensdruck größer ist als Deiner, weil ihrer vermutlich den Rest ihres Lebens anhalten wird, wenn sie nichts ändern. Und darum appelliere ich an alle Betroffenen: Bitte laßt Euch helfen. Schließt nicht länger die Augen, nehmt Euer Leben in die Hand. Auch wenn es beängstigend ist, es ist auf Dauer einfacher als sein Leben lang zu leiden und anderen Leid zuzufügen (was Euch ja wieder bestätigt).
Mein BÄ beschreibt seine Angst so, daß, wenn man ein Tier in die Enge treibt, es flüchtet. Läßt man es sich aber an die Gegebenheiten langsam gewöhnen, dann kommt es Schritt für Schritt aus seinem Versteck. Wer diese Geduld und das Fingerspitzengefühl nicht hat, der sollte tatsächlich die Beine in die Hand nehmen und laufen, und sollte sich auch keine Katze aus dem Tierheim anschaffen.
Ob aus meiner Geschichte eine Erfolgsgeschichte wird kann ich jetzt noch nicht absehen. Momentan geht es mir sehr gut, ich kann mich mit dieser Vereinbarung sehr gut arrangieren.
Ein chinesischer Spruch sagt: "Will man etwas fangen, muß man es zunächst loslassen". Keine Angst, liebe Bindungsängstliche, "fangen" steht hier nur als Synonym für "Nähe", was es für Euch nicht besser macht ;o)
Aber jeder sollte sich das mal zu Herzen nehmen.
Viel Spaß bei Eurer Hochzeit, Ratlos, und ich drücke die Daumen für besseres Wetter!!