Mein aktueller BÄler hat auch eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe. Banales Beispiel: Er sieht, daß ich beim Friseur war, auch wenn das schon ein paar Tage zurückliegt und bloß die Spitzen abgeschnitten wurden. Den Unterschied zu vorher erkenne ich ja nicht mal selbst! Ist vielleicht auch kein Zufall, daß die meisten BÄler, mit denen ich zu tun hatte, von anderen manchmal für schwul gehalten wurden.
Aber auch Stimmungen und Charaktereigenschaften von mir hat er sehr gut erkannt. Verletzlich habe ich mich dennoch nicht gefühlt, denn all das trug bei ihm zu meiner Idealisierung bei. Er hat quasi an mir nur das Positive erkannt/erkennen wollen. Manchmal lag er allerdings auch daneben, wenn er nämlich Wunschbilder, die er gern leben würde, auf mich projiziert hat.
Ich wünschte, er würde auch mal meine Schwächen sehen. Wir sammeln hier ja die "BÄ-Sprüche". Ich vermute, auch die Partner von BÄlern haben wahrscheinlich typische Sprüche, die sie immer wieder sagen. Meiner ist beispielsweise: "Ich bin doch auch nur ein normaler Mensch!". Im Sinne von: Ich habe auch Gefühle! Ich habe auch Ängste! Ich fühle mich auch mal schwach! Aber das zu erkennen würde ihnen ja das Gefühl geben, sich um mich kümmern zu müssen, und wegen ihres geringen Selbstwertgefühls glauben sie ja leider nicht, daß sie das können...
Diese Sensibilität, so faszinierend sie sein mag, nervt mich auch. Erstens gibt sie mir das Gefühl, den BÄler wie ein rohes Ei behandeln zu müssen. Das ist leider nicht meine Stärke... Depressionen sind ja letztlich übersteigerte Empfindungen, die jede/r kennt, und ich denke ständig, oh Gott, bloß nix Falsches sagen, er nimmt ja alles 3x mal so schwer wie normale Menschen...ich weiß nicht, wie man mit solchen Menschen Konflikte austragen kann, ohne daß sie gleich anfangen zu weinen oder sich zurückziehen, in depressive Zustände abdriften. Zweitens vermindert diese Sensibilität ja offenbar die Beziehungsfähigkeit. Manchmal denke ich, mir wäre vielleicht auch ein grober Klotz als Mann recht, der zwar niemals bemerken würde, wie es mir geht, der aber handelt und mich unterstützt, wenn ich ihm sage, was ich brauche. Und nicht einfach wegläuft, weil er davon so überfordert ist.