Bindungsangst in verschiedenen Lebensbereichen

  • Bei wem zeigt sich eine BA eigentlich auch in anderen Lebensbereichen, als nur in puncto Beziehungen, Liebe?
    Meist wird es ja nur damit in Verbindung gebracht, aber sie kann sich ja auch anderswo darstellen. Stefanie Stahl beschreibt es in Jein! Sehr aufschlussreich u. interessant. Z. B. häufiger Wechsel von Arbeitsstellen, weil man sich nirgendwo festsetzen kann, man mag keine Verträge abschließen (zu verbindlich und eine für einen BA zu lange Laufzeit), Wohnungen werden oft nicht komplett eingerichtet uvm.


    Ich habe mich nie als BA (weder aktiv noch passiv) gesehen. Aber in vielen Punkten, die sich anspricht, habe ich mich wiedergefunden. Ich wusste früher nur nie, warum es bei mir so ist.


    Warum z. B. wollte ich mir nach meiner Ausbildung keinen festen Arbeitsplatz suchen, wie jeder normale Mensch sich eine berufliche Existenz aufbauen und sichern. Gezielt nur auf Monate befristete Verträge abgeschlossen und jedes Mal war ich erleichtert, wenn der Job sich dem Ende neigte (AUCH, wenn es mir dort eigentlich gut gefallen hatte).


    Ich habe es gemieden, soweit möglich, Verträge zu schließen, egal welcher Art: Versicherungen - auf viele Jahre, undenkbar. Zeitungen abonnieren, niemals. Eine ETW zu kaufen geschweige denn ein Haus zu bauen, wäre für mich niemals infrage gekommen, bis heute nicht. Der lose Gedanke daran hat mir ungeheuren Druck gemacht, immer nur zur Miete - da kann man im Zweifelsfall auch schnell wieder weg; und dann auch nichts fest installieren, Möbel zum Aufstellen und schnell wieder abbaubar, bloß nichts festschrauben. Name auf der Klingel - ungern.


    Ich wusste, dass i-was nicht stimmt, merkwürdig ist mit mir, aber ich wusste nicht, was es war. Und mir war auch klar, dass ich mich teilweise selbst ruiniert habe; aber ich konnte es nicht ändern.


    Wie ist das bei Euch?


    Viele Grüße, Hanna

  • Liebe Hanna,


    deine Schilderungen erinnern mich stark an meine Gedanken, nachdem ich das Buch "Nah und doch so fern" gelesen hatte. Dieses Buch hat mir erst so richtig verdeutlicht, dass auch ich zu den Menschen gehöre, die sich in mancher Hinsicht nicht so gerne festlegen. Hier sind einige Beispiele:


    1.) Ich war die meiste Zeit meines Lebens bei Zeitarbeitsfirmen tätig. 2 feste Jobs hatte ich bisher, aber beide nicht soooo lange und beide waren der Horror für mich. Ich war es aus der Vergangenheit gewohnt, im Großkonzern viele Freiräume zu haben und konnte mich dann nicht an die strengeren Regeln in kleineren Firmen anpassen. Jetzt bin ich wieder über Zeitarbeit im Großkonzern und fühle mich wohl, denn das Gehalt ist mittlerweile nicht mehr so niedrig wie früher.


    2.) Auch ich bin kein Fan von Verträgen. Habe immer noch ein Kartenhandy. Demnächst will ich mir aber ein Smartphone kaufen, damit ich die neuesten Fotos meines Baby-Neffen sehen kann :-D . Versicherungen besitze ich seit geraumer Zeit 5, aber erst seit letztem Sommer... vorher hab´ ich mich jahrelang nicht wirklich damit beschäftigt (erst als ich mal eine gebraucht habe).


    3.) Ich wohne auch zur Miete und habe früher immer wieder gesagt, dass ich mir niemals ein Haus oder eine Wohnung kaufen würde. Ich hatte keine Lust, jahrelang irgendwelche Schulden abzustottern und viel Verantwortung zu übernehmen. Was Häuser angeht, denke ich immer noch so... als alleinstehende Frau brauche ich nicht viel Platz, aber eine Eigentumswohnung hätte ich mittlerweile schon ganz gerne. Leider habe ich das ganze Geld, was ich vor meinem Auszug bei meiner Mutter verdiente, alles fürs Vergnügen ausgegeben und in den ersten Jahren nach dem Auszug so wenig verdient, dass Sparen nicht möglich war. Mit etwas Glück schaffe ich es vielleicht in 5-6 Jahren, mir etwas Eigenkapital anzusparen. Und meine Wohnung ist natürlich auch eher spartanisch ausgestattet :wink: .


    LG
    Reni

  • Hallo liebe Reni,


    Zitat von Reni

    Liebe Hanna,


    deine Schilderungen erinnern mich stark an meine Gedanken, nachdem ich das Buch "Nah und doch so fern" gelesen hatte. Dieses Buch hat mir erst so richtig verdeutlicht, dass auch ich zu den Menschen gehöre, die sich in mancher Hinsicht nicht so gerne festlegen. Hier sind einige Beispiele:


    1.) Ich war die meiste Zeit meines Lebens bei Zeitarbeitsfirmen tätig. 2 feste Jobs hatte ich bisher, aber beide nicht soooo lange und beide waren der Horror für mich. Ich war es aus der Vergangenheit gewohnt, im Großkonzern viele Freiräume zu haben und konnte mich dann nicht an die strengeren Regeln in kleineren Firmen anpassen. Jetzt bin ich wieder über Zeitarbeit im Großkonzern und fühle mich wohl, denn das Gehalt ist mittlerweile nicht mehr so niedrig wie früher.

    Ja, das habe ich auch lange Zeit getan. Ich wollte mich i-wie nicht festlegen auf eine auf Lebenszeit bzw. Jahre angelegte feste Arbeitsstelle; das war für mich damals unvorstellbar. Und zum Anderen war der Grund: als Angestellte einer Zeitarbeitsfirma bewegte ich mich sozusagen in einer Pufferzone; ich gehörte nirgendwo richtig zu. Die Leihfirma hat mich lediglich vermittelt, es bestand somit keine wirkliche Beziehung zwischen ihr und mir und der Kunde, der mich als Urlaubsvertretung, Krankheitsvertretung o. a. angefordert hatte, zu der Firma gehörte ich ja in Wirklichkeit auch nicht; ich war ja nicht deren Festangestellte, eben nur ausgeliehen. Dies gab mir ein Gefühl der Leichtigkeit, der Nichtzugehörigkeit, ein Zustand, in dem ich sehr gut leben konnte; alles andere war für mich zu viel Druck, festgelegt, eingeengt, ich hätte es nicht ertragen. Vom Kopf her war es mir i-wann bewusst, dass das eigenartig ist und klar, auch, dass man so keine gesicherte Zukunft aufbauen kann. Verdienstmäßig war es bei mir auch eher sehr bescheiden und es gab ja auch keine Weiterentwicklung. Lange Jahre habe ich so gelebt und mich damit fast selbst existentiell ruiniert - krass!


    Warum hast Du es so lange in Zeitarbeitsfirmen ausgehalten?[quote]


    Liebe Grüße, Hanna

  • Bei mir war das anders. Ich hätte schon gerne eine Festanstellung gehabt. Als ich in meiner ersten Zeitarbeitsfirma angestellt war, hoffte ich auf eine Übernahme in den Einsätzen, die ich über die Zeitarbeit bekommen hatte. Damals war ich schlicht und einfach zu faul, um mich anderweitig zu bewerben. Außerdem hatte ich damals noch kein Internet und hätte meine ganzen Unterlagen mit der Post schicken müssen, das ging ganz schön ins Geld. In der zweiten Zeitarbeitsfirma ging es dann so weiter. Irgendwann wurde es mir zu bunt, ich las Stellenanzeigen und schickte Bewerbungen an andere Firmen. In meinen festen Jobs merkte ich, dass man in kleineren Firmen meistens viel weniger Freiräume hat. Damit kam ich schwer zurecht. Ich hab´ eben gleich zugegriffen, als mir etwas angeboten wurde. Nach jahrelanger Tätigkeit bei der Zeitarbeit wollte ich nur raus und schnell was "Richtiges" haben.


    Das ist übrigens ein guter Vergleich zu meinem Beziehungsleben. Nach jahrelangem Singleleben ließ ich mich auf zwei Männer ein, die mir nicht gut taten und merkte, dass das Leben als Single doch nicht so schlimm war wie ich dachte.


    Jetzt hätte ich schon gerne wieder eine Festanstellung - aber eben nicht um jeden Preis. Es muss schon passen. Und wenn die Firma nicht passt, bleibe ich lieber Zeitarbeiterin.