Autorenempfehlung: Stan Tatkin

  • Hallo in die Runde,


    ich möchte gern einen Autor empfehlen, der mir bei meiner Auseinandersetzung mit vermeidendem Bindungsstil sehr geholfen hat.


    Als ich begann, mich mit dem Problem zu beschäftigen, fand ich zum Thema „avoidant attachment“ nur Texte, die eher weniger zu meinem Exfreund zu passen schienen. Sie beschrieben kalte, rücksichtslose Menschen. So habe ich ihn aber trotz aller Probleme nicht erlebt.


    Durch Zufall stieß ich auf ein Interview mit Stan Tatkin, dessen Beschreibung von Menschen mit vermeidendem Bindungsverhalten sehr viel verständnisvoller war, als alles andere, das ich bis dahin gefunden hatte. Es passte auch besser zu meinen eigenen Erfahrungen.


    Stan Tatkin hat sein eigenes Konzept für Paartherapie entwickelt. Es basiert auf Neurobiologie und Bindungstheorie. Bisher gibt es drei Bücher, von denen zwei auch ins Deutsche übersetzt worden sind. Eines wendet sich an Therapeuten. Die andern Beiden sind eher Ratgeber, einer zum Thema Beziehung im Allgemeinen, das andere zum Thema Dating. Letzteres ist recht neu und wurde wahrscheinlich noch nicht übersetzt.


    Sein Artikel „Addiction to allone time” http://www.mishpaha.org.il/kva…diction-to-Alone-Time.pdf fand ich recht aufschlussreich, um mehr vom Innenleben meines Exfreunds zu verstehen.


    Tatkin bestreitet die These, dass man sich erst selbst lieben müsse, bevor man eine Beziehung führen könne. Lieben sei etwas, das man mit und von andern Menschen lerne, idealerweise von seinen Eltern, und das man nicht allein für sich selbst lernen könne. Menschen mit vermeidendem Bindungsstil benötigten möglicherweise erst eine Therapie, bevor sie eine Liebesbeziehung führen könnten.


    In einem seiner Bücher schreibt er, dass er sich selber von vermeidend über ängstlich zu sicherem Bindungsstil entwickelt habe, und er glaube, deshalb seine Klienten besser verstehen zu können. Auslöser für sein Interesse an der Thematik war seine erste, schmerzhafte Scheidung. Vorher hatte er mit Klienten mit Persönlichkeitsstörungen gearbeitet.


    Ich könnte mir vorstellen, dass seine Vorstellung von einer Partnerschaft Fluchtreflexe bei allen Menschen mit Bindungsangst auslösen würde. So genau wie ich es nirgends sonst gefunden habe, beschreibt Tatkin was sich in verschiedenen Situationen (Kennenlernen, Streit usw.) hormonell und neurologisch abspielt, und wie man das Beeinflussen oder gegensteuern kann. Außerdem beschreibt er, was den Umgang mit Menschen verschiedener Bindungsstile erleichtern kann. Mit nichts davon wird man einem Menschen mit Bindungsangst grundlegend helfen können. Aber vielleicht kann es den Umgang mit jemandem erleichtern, der schon an sich arbeitet, ein gewisses Maß an Nähe zulassen kann und auch das Ziel einer festen und sicheren Partnerschaft hat.


    Mich hat es während meiner Beziehungserfahrung mit meinem Exfreund darin bestätigt, dass meine Wünsche an eine Beziehung normal sind.