Wie ziehe ich es durch?

  • Ich habe jetzt eine Weile überlegt, wo ich posten soll.


    Im Liebeskummerforum, weil ich jemanden so gerne mag, der meiner Meinung nach bindungsängstlich ist und um den ich schleiche und er um mich - ich aber so gerne mehr hätte, es aber einfach nie dazu kommt, weil er blockiert.


    Oder im Forum der Bindungsängstlichen, weil es auch nicht von ungefähr kommt, dass ich um einen herumschleiche, der nicht richtig zieht, sich windet und dann aus sicherer Entferung doch wieder winkt, weil er Angst hat oder schlichtweg kein Interesse. Und ich da nicht von weggkomme.


    Oder im Loslassforum, weil das das ist, was mein Kopf sagt. Loslassen.
    Weil da einfach kein Schuh draus wird.


    Ich habe mich für letzteres entschieden.
    Weil ich mir wohl ansonsten die Zähne ausbeiße oder für immer blockiert bleibe für anderes.
    Das bringt einfach nix.


    Das nervige ist, vom Kopf her ist alles so klar. Es fühlt sich nur nicht so an. Und ständig kippe ich wieder um.


    Gerne würde ich jetzt ganz viel über ihn berichten. Weil ich im Grunde hoffen würde, dass mir irgendwer noch Mut macht.
    Wenn das einer will, gerne. Ich schreibe dann alles auf. :-D


    Ich glaube aber, dass ich loslassen muss. Das, was der Kopf mir sagt, sollte ich auch umsetzen. Und ich bekomme es nicht hin.


    Ich hab ihn gelöscht aus dem sozialen Netzwerk. Ich hab die Telefonnummer gelöscht. Ich habe mich nicht mehr gemeldet. Ich habe ihm lebwohl gesagt.
    Ich wollte es loswerden im Kopf.
    Aber es geht nicht.
    Ich trage ihn mit mir rum. Im Kopf.
    Mal mehr mal weniger, aber weg ist er nicht.


    Weil er in schönen regelmäßigen Abständen wieder von sich hören lässt.


    Dann möchte er in den Urlaub fahren mit mir. Haarsträubend, wir schaffen es ja noch nichtmal, uns zu treffen. Oder nur selten.


    Dann sagt er, dass er Angst hätte vor mir. Weil ich so nett sei. Am meisten würde ihm aber Angst machen, dass wir uns so ähnlich seien.


    Dass wir ja so gut wie zusammen seien. Klar. Deswegen sabotiert er auch fast jede Verabredung.


    Es ist zum Verrückt werden, jedesmal bin ich dann gleich wieder voll drauf, das Kopfkino geht los und ich bekomme wieder Hoffnung.
    Es ist wie eine Droge, von der ich nicht richtig wegkomme.


    Klar, von der Sache her ist es ganz einfach:
    Ich müsste ja nicht auf seine Kontaktversuche eingehen, ich könnte ihn einfach ignorieren und irgendwann würde er vermutlich aufgeben und sich nie wieder melden und dann hätten wir gar keinen Konakt mehr und irgendwann wäre es auch wieder gut bei mir.


    Schöne Theorie. :)
    Aber für mich eben nur eine Theorie.


    Wie macht ihr das?
    Habt ihr Tipps?
    Wie zieht man es durch?
    Gibt es ein Mantra, gibt es irgendein Gedankennetz, an dem ich mich entlanghangeln kann?
    So kann es ja nicht weitergehen.


    *seufz* :?


    LG
    Hexl

  • Hallo Hexl,


    Willkommen im Forum.


    Es ist ein riesen Schritt, sein eigenes Beteiligtsein anzuerkennen, vielleicht sogar die eigenen Gründe zu kennen. Magst du davon mehr berichten?


    Loslassen war solange ein Problem für mich, solange ich damit einen Verlust gleichgesetzt habe. Habe ich (massive) Verlustängste, dann kann ich auch nicht loslassen. - Ein allgemeingültiges Rezept gibt es leider nicht.


    Was verbindest du mit dem Begriff "Loslassen"?


    Viele Grüße
    Idun

  • Hallo Idun!


    Mit Loslassen meine ich im aktuellen Fall zwar die Hoffnung darauf, dass es mit diesem Menschen noch jemals irgendein "mehr" gibt.


    Aber im Grunde hast du Recht. Loslassen ist für mich mit einem Verlust verbunden. Loslassen ist für mich Verlust, Verlust ist Schmerz.


    Dass ich ein bindungsängstlicher Typ sein könnte, ist mir erst in den letzten zwei, drei Jahren langsam gedämmert.
    Ich glaube, ich war es immer schon.


    Das hat sicherlich mit meiner Kindheit zu tun.
    Mit meiner depressiven, aggressiven (nicht körperlich aber psychisch) von Stimmungsschwankungen geschüttelten Mutter und meinem passiven Vater.
    Mit der miesen Ehe meiner Eltern, die bis heute andauert und bei der ich in meiner Kindheit ständig zwischen den Fronten war.
    Dass ich einerseits sehr behütet und umsorgt war und gleichzeitig völlig niedergemacht und zerrieben wurde und nie sicher sein konnte, woran ich gerade war und was im nächsten Moment passieren würde.


    Manchmal weiß ich aber auch nicht, ob ich nicht übertreibe. Vielleicht war auch alles gar nicht so schlimm.


    Ich habe ja bereits Beziehungen gehabt. Es fällt mir nur so schwer, mich auf die "richtigen" einzulassen. An denen, die nicht wollen, die nicht passen, die mich dementsprechend auch nicht so richtig tief berühren, an denen klebe ich im Kopf wie ein babbiges Gutsel.
    Bei den anderen fällt es mir so schwer. Da wird mir richtig übel, ich bekomme Kopfschmerzen und Beklemmungen. Wenn ich diese Phase überwunden habe, gehts dann aber.
    Meist kommts aber gar nicht so weit, weil ich mich für die netten, interessierten, verbindlichen, zuverlässigen gar nicht richtig interessiere.
    Es ist echt schwierig.


    So wirklich klar wurde mir das in den Jahren nach der Trennung von meiner großen Liebe.
    Die Trennung war für mich einmal tot und zurück und es war schwer, wieder zu mir zu finden.
    Ich war dann ein paar Jahre alleine, bis ich mich wieder richtig wohl mir mir gefühlt habe.


    Mein Verstand sagt mir: Du hast sowas einmal überlebt, also überlebst du es auch ein zweites Mal. Wenn es überhaupt nochmal so schlimm wird.
    Vom Gefühl her ist es aber: Sowas stehst du nicht nochmal durch. Sowas darf dir nie wieder passieren.


    Und ich glaube, damit stehe ich mir selbst im Weg.


    Ich habe Angst, mich wirklich einzulassen, weil ich da schon das (schmerzhafte) Ende im Blick habe und so kanns ja nun nicht wirklich funktionieren.


    Eigentlich möchte ich meine Angst loslassen.


    LG
    Hexl

  • Doch, für das Kind damals war es so schlimm.


    Viele Monate hat mich der Satz von Vaclav Havel begleitet: Hoffnung ist nicht die Überzeugung dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.


    Ja, diese Angst loslassen... da arbeite ich auch noch dran.


    Also übe ich mich in Achtsamkeit und Selbstfürsorge, im Grenzen setzen und Hinspüren. - Mit sich selbst achtsam sein, schließt "Beziehungen" aus, in denen ich schlecht behandelt werde. Das klappt mal mehr und mal weniger gut.


    Wenn ich mich nicht gut auf den netten, verbindlichen... Mann einlassen kann, dann liegt der Grund in mir. Mir macht die Nähe (noch) angst. Wie ist es bei dir?

  • ich kann erst loslassen, wenn ich eindeutig sehe, da wird nichts mehr draus, mitunter ist das erst, wenn ich von dem typen so sehr verletzt werde, dass ich angst um mich bekomme.
    wann diese schwelle ist, ist je nach person wahrscheinlich unterschiedlich.


    aber wenn deine sucht nach dieser droge so stark ist, wie du sagst, ist es wahrscheinlich eh egal ob du bleibst oder gehts, du würdest dir als nächstes genau das gleich muster wieder suchen.

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    "In pain and sorrow lies truth"
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    Magic Fortune Cookies

  • So.
    Ich habe mich eine Weile nicht mehr gemeldet.


    Von dem Kontakt habe ich mich gelöst.
    Was heißt gelöst, ich habe den Kontakt abgebrochen. Zumindest etwas.
    Ich habe ihm eine Mail geschrieben, alles reingepackt, was ich schon immer mal sagen wollte und mich von ihm verabschiedet.
    Klar, das hätte ich auch für mich selbst machen können, ohne Mail.
    Aber mir hilft das, wenn ich die Brücke zurück kaputt mache.
    Es kam auch nichts mehr von ihm seither. Das ist nicht der Typ, der eine Kritik abkann. Damit bin ich ihm garantiert zu nahe getreten. Im übertragenen und im direkten Sinn.


    Damit geht es mir heiter bis wolkig.


    Einerseits bin ich erleichtert, dass ich das getan habe für mich. Es ist eine Befreiung. Irgendwie ist so ein Kontakt ja doch wie ein Stachel, der vor sich hin eitert in einem.
    Andererseits hab ich auch einen Knoten im Bauch, weil es mich auch traurig macht.
    Weil da irgendwas war - ob eingebildet oder real - ich weiß es einfach nicht mehr.


    Nein, stimmt nicht. Da war schon was.
    Ach, ich weiß es nicht. Vielleicht auch nicht. Zu viele doppelte Botschaften, ich bin grundverwirrt und bin mir bei ihm nicht sicher, ob ich meinem Bauch noch vertrauen kann, ob ich unter Wahrnehmungsverzerrung leide. Vielleicht hatte er auch nie Bock.
    Es ist und bleibt ein Rätsel. Bei so einem Doubelbinder bleibt vermutlich jeder am Ende völlig irritiert und verunsichert zurück und man weiß überhaupt nicht mehr, was eigentlich los ist. Ob überhaupt etwas los war.
    Ob man jetzt selbst spinnt oder der andere oder alle beide.


    Allerdings habe ich in den letzten Wochen viel nachgedacht und bin überzeugt, dass er noch ein viel schlimmerer Beziehungskrüppel ist als ich.
    Ich glaube, er hat eine so große Angst, dass er immer einen bestimmten Mindestabstand einhält und bei einer Überschreitung sofort die Bremse reinhaut.
    Naja, ist letztlich egal.


    Es geht ja hier um mich.


    Ich habe auch Angst. Weniger vor der Bindung an sich, mehr vor dem Ende. Es ist letztlich mehr eine Verlassensangst als eine Bindungsangst. Und wenn ich mich nicht binde, dann kann ich auch nicht verlassen werden. Und dann kann mir auch nichts weh tun denn dies ist der einzige Schmerz, mit dem ich bis heute nicht vernünftig umgehen kann und der mit deshalb große Angst macht. Weil das ein unglaublicher Kontrollverlust ist und weil ich bereits weiß, wie tief man da seelisch stürzen kann und da unten ist es entsetzlich, da darf ich nie wieder sein.


    Idun, es ist nicht so sehr die Nähe, die mir Angst macht, glaube ich, sondern mehr die Angst vor dem Ende der Nähe. Und dass das dann wieder so weh tut, dass ich es kaum aushalten kann. Naja, sogesehen macht mir Nähe dann schon Angst. Weil sie mich verletztlich macht.


    Karli, du hast Recht. Wenn ich das Problem unbearbeitet lasse, dann werde ich mir den nächsten wieder nach dem gleichen Muster suchen.
    Dennoch, der eine muss erstmal weg. Aus meinem Leben, aus meinen Gedanken.
    Dann kann ich mich an die Wurzel des Problems machen.


    Danke, Catherina, für deine Geschichte.
    Ja, nicht loslassen können ist ein enormer Kraftakt.


    Ach es ist schon kurios.
    Kraft ist ja da.
    Also wäre ja auch die Kraft da, einen eventuellen Verlust zu ver-kraften.
    Stattdessen hängt man mit aller Kraft an etwas, das gar keinen Nährwert hat.


    Hm.


    LG
    Hexl

  • Zitat

    Idun, es ist nicht so sehr die Nähe, die mir Angst macht, glaube ich, sondern mehr die Angst vor dem Ende der Nähe. Und dass das dann wieder so weh tut, dass ich es kaum aushalten kann. Naja, sogesehen macht mir Nähe dann schon Angst. Weil sie mich verletztlich macht.

    Für mich habe ich die Erfahrung gemacht, dass beides miteinander verwoben ist.


    Wenn ich quasi im voraus bereits Angst vor dem möglichen Ende habe, weil ich den Schmerz des Beendet-Seins, des Alleinseins kaum aushalten kann, muss ich mich ja irgendwann mal ganz allein gelassen gefühlt haben. Vielleicht wurde ich auch im Stich gelassen (war bei mir so), verraten und verletzt. Ist der Schmerz übergroß, versucht man sich zu schützen - kann es sein, dass längst vergangenes nachhallt, nachwirkt ins Hier und Jetzt?