"Traumata: Beziehungen mit Wunden"

  • Habe ich eben beim Stöbern gefunden. Ist zwar für Fachpersonal, aber ziemlich interessant und nicht nur destruktiv. Braucht man ja manchmal auch. ;-)


    Hier ein Auszug: ( wer es ganz lesen will: http://www.neuerkerode.de/uplo…eziehungen_mit_Wunden.pdf )


    "Menschen mit Bindungsstörung verstehen
    Menschen binden sich also an ihre Bezugspersonen, es bleibt ihnen nichts anderes. Während die einen das Glück haben unterstützende Eltern zu haben, wachsen andere in unsicherer, bedrohlicher oder gar gewalttätiger Umgebung auf und müssen sich diesen Gegebenheiten anpassen. Sie müssen sich schlimmstenfalls an Gewalttäter und sadistische Menschen binden. Die innere Empörung, Wut und das Aufbegehren können sie nicht ausleben,
    die reale Abhängigkeit lässt das nicht zu. Da Bindungsmuster- und Störungen alle späteren Begegnungen und Beziehungen prägen,
    ist es für uns wichtig diese Störungen zu kennen und adäquat darauf zu reagieren.


    Bindungsstörungen


    • Bindungslosigkeit (jede Form von Bindung wird vermieden.
    • „Offenherzig“ (bis zur Promiskuität, jede/r Beliebige Person wird als „beste Bindungsperson“
    gewählt).
    • Übererregung (jede Trennung von der Bindungsperson wird vermieden).
    • Hemmung sich der Bindungsperson anzunähern
    • Rollenwechsel (das Kind muss die Elternrolle übernehmen).
    • Psychosomatische Auffälligkeiten, das Kind reagiert körperlich auf Irritation hoch erregt.


    Aber auch:


    • Unterwerfung,
    • „möglichst unsichtbar sein“


    Wir müssen die Betroffenen unterstützen aus ihrer Opferrolle herauszukommen, wir dürfen sie nicht all umfassend versorgen, sondern sie ermutigen Verantwortung und Fürsorge so weit wie möglich für die eigene Person zu übernehmen. Das heißt, das Ziel ist es eine tragfähige
    Beziehung aufzubauen, aber trotzdem „draußen“ zu bleiben. Die Betroffenen haben meist zu wenig emotionalen Abstand zu ihren Erfahrungen. Erwachsene
    mit einer sicheren Bindung können frei und eine einem kohärenten Sprachfluss über ihre Erlebnisse von Bindung, Verlust und Trauer mit ihren Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen sprechen, nicht aber Befragte mit Bindungsmustern im Zusammenhang mit ungelösten traumatischen Erlebnissen. (Main 1986).


    So begegnen uns Betroffene ohne Worte für ihre inneren Bilder und Gefühle, sie können sich nicht ausdrücken und reagieren erschreckt auf unsere Interventionen. Wenn wir dieses Verhalten als Abwehr oder gar Widerstand werten, bekommen wir keinen Zugang zu den Betroffenen. Wir müssen dieses Verhalten als Ergebnis aller schlimmen Erfahrungen anerkennen. Die Betroffenen müssen unterstützt werden, Worte und andere Ausdrucksformen
    für ihre innere Welt zu finden. Hier ist Geduld und Einfühlsamkeit gefragt. Menschen, die in ihrer Kindheit in den Genuss einer sicheren Bindung an mindestens eine Bezugsperson gekommen sind, haben ein ausreichendes Selbstwertgefühl, um sich mit anderen Menschen und ihrer Umwelt im „Hier und Jetzt“ differenziert auseinandersetzen zu können. Sie können auch in belastenden Beziehungssituationen relativ ruhig und sachlich bleiben. Menschen mit einer Bindungsstörung sind im Grunde unfähig, sich selbst und andere richtig einzuschätzen. Sie bekommen nicht (in ihrer Kindheit) richtig gespiegelt, wer sie
    sind und warum sie gemocht oder ablehnt werden. Sie können nicht erkennen, was für Menschen ihre Eltern sind und was diese wollen. Sie suchen nach etwas, was berechenbar und vorhersehbar ist. Im zwischenmenschlichen Kontakt, vor allem wenn er enger wird, geraten sie meist in ein Gefühlschaos zwischen Freude über die Zuwendung und panischen Ängsten vor Trennungen Zurückweisung und Bestrafung (Ruppert: Depressionen – Symptome, Ursachen und Verläufe aus Sicht einer systemischen mehrgenerationalen Psychotraumatologie 2003).
    Entsprechend ihres inneren Gespaltenseins und ihrer hohen inneren Anspannung verhalten sich Menschen, die Bindungstraumen erfahren haben, auch ambivalent im Kontakt mit Personen und Institutionen, die ihnen psychosoziale Hilfe anbieten. Sie wissen und spüren einerseits dass sie Hilfe brauchen, andererseits sehen sie andere Menschen auch schnell als Gegner und Bedrohung und haben zunächst wenig Vertrauen in sie. Dennoch suchen die Betroffenen auch nach Bindungsberuhigung. Das birgt wieder neue Gefahren, oft überfrachten sie ihre Bezugspersonen mit ihren Wünschen nach Nähe und Aufmerksamkeit, sind schnell enttäuscht und verletzt. Hier heißt es für die Profis: „Viel hilft nicht viel“, also statt vieler schneller Interventionen, die uns den Atem nehmen wird eher ein langer Atem, Kontinuität und Zuverlässigkeit benötigt. Traumatisierte Menschen habe kaum Gefühl für die eigenen Grenzen, manchmal öffnen sie sich zu sehr in der Hoffnung auf Schutz und Geborgenheit, auch Menschen gegenüber, die sie nicht kennen und ihre Enttäuschung ist dadurch vorprogrammiert, ihre innere Überzeugung „ich werde abgelehnt und bestraft“ wird bestätigt. Oftmals machen sie ihre Grenzen jedoch ganz dicht, ziehen sich in sich selbst zurück und isolieren sich gegenüber anderen. Egal was die Betroffenen zeigen, wir müssen den idealen Abstand zu ihnen wahren.
    HelferInnen können auf pragmatische Weise versuchen, die häufigsten Störungsbereiche der Betroffenen „anzugehen“. Meist ist das Hauptproblem die Affektregulierung, also der Umgang mit extremen Gefühls- und Spannungszuständen, außerdem gilt es, für Selbstverletzungen und dysfunktionales Verhalten bessere Alternativen zu finden und wesentliche Unterstürzung zu geben in den Bereichen soziale Integration, Körperwahrnehmung, Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Unterstützung im Umgang mit Symptomen und deren Auswirkungen führt zu einer hilfreichen Beziehung."


    "Wie gesagt, geht die Bindungstheorie davon aus, dass der Mensch eine angeborene Neigung hat, unter Stress die Nähe einer vertrauten Person zu suchen. Je sicherer er sich der vertrauten Bezugsperson ist, desto sicherer kann er sowohl die Umwelt explorieren als auch Trennungen tolerieren. Ein desorganisierter Bindungsstil bedeutet, dass ein Mensch keine stabile Strategie entwickeln konnte, um befriedigende menschliche Beziehungen eingehen zu können. Hier wieder die innere Zerrissenheit: Zumeist wird in der Beziehungen gleichzeitig das Bedürfnis nach Bindung und die Angst vor dem Verlust der Autonomie bzw. erneuter
    Verletzung aktiviert. Erwachsene mit desorganisierter Bindung fällt es schwer, Beziehungen oder andere Personen überhaupt zu beschreiben. Beziehungen können oft nur eingegangen werden, wenn diese von ihnen selbst kontrolliert werden können. Auch in therapeutischen Beziehungen versuchen sie die Kontrolle zu behalten. Betroffene können gehemmt sein, ihre Bindungswünsche zu formulieren und Bindungsverhalten offen zu zeigen, entstanden aus dem Bindungskonflikt in der Kindheit, z.B. wenn der Vater als Bindungsperson erlebt wurde, aber auch als jemand der die Vertrauenssituation ausnutzte, um nur die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Die Betroffenen haben später verständlicherweise Schwierigkeiten anderen Menschen auf gesunde Distanz zu bringen."


    Grüße,
    Trine