Liebe Straeusschen69,
danke für deine Gedanken. Ich habe sie jetzt erst gelesen. Nicht aus Desinteresse, im Gegenteil, aber trotzdem schwingt immer auch ein wenig Angst mit, etwas hören oder lesen zu müssen, was mein Erleben und meine Kenntnisse anzweifelt, relativiert und was mich damit verletzen könnte. Ist das auch schon ein Symptom, "zu empfindlich" zu sein? Ich kenne diesen Vorwurf, allerdings nur von Menschen, die erfahren, dass sie meine Grenzen überschritten haben.
In deinem Link habe ich gerade etwas von der diffusen Angst des Verlassenen nach der Trennung von einem ... (in dem Falle) Borderliner gelesen und habe mich darin überraschenderweise wiedergefunden. Ja, nach der Trennung vom "Vorgänger" bin ich in ein außerordentlich finstres, tiefes Loch gefallen und habe immer wieder von allgemeinen großen Angstgefühlen gesprochen, die für mein Empfinden über den Schmerz des Verlassenwerdens hinausgingen, zumal ich ziemlich rasch die Erkenntnis hatte, dass ICH diejenige hätte sein wollen und müssen, die den Schlussstrich zieht, und dass ich nichts Lebensnotwendiges, rundum Gutes verloren habe. Ich suchte mir damals eine Therapeutin, um besser aus dem Loch herauszufinden und zu verstehen, was da eigentlich Absurdes passiert ist. So kam heraus, dass mein Expartner gravierende Merkmale von Narzissmus und Borderline zeigte.
Und jetzt, was meinen aktuellen "Fall" betrifft, so meinte meine Therapeutin neulich, dass sie sich bei seinem Verhalten (auch lange nach der "Trennung", solange wir uns wöchentlich begegnet sind) ebenfalls an das Borderline-Liebesprinzip erinnert fühle: Ich liebe dich, geh weg. Ich hasse dich, komm her.
Du hast geschrieben, dass es wohl ganz typisch ist, hintereinander ähnliche Erfahrungen zu machen und dass man versucht, das Geschehene mit dem Verstand zu durchdringen. Damit bin ich nicht allein, das ist doch schon mal ein kleiner Trost.
Was ich auch bestätigen kann: Die Erkenntnis, dass er eigentlich ein bedauernswerter Mensch ist, der sich selbst im Weg steht und sich selbst und nicht nur mir das Glück zerschlagen und die Liebe verweigert hat, hält bei mir nicht nur die Liebesgefühle und die Verletzung am Leben, sondern auch das Mitgefühl für ihn, die Sorge.
Und wenn ich mir immer wieder vor Augen halte, wie mies er sich verhalten hat und dass ich ihm daher nicht nachtrauern muss, springt sofort wieder der Rechtfertigungsmodus an. Ach, der Arme, letztlich kann er doch nichts dafür, nicht so richtig jedenfalls, er ist kein böser Mensch, er hat aus Angst um sich geschlagen, er ist seiner Bindungsangst ausgeliefert , vor allem solange er nicht selbst erkennt, dass auch er Hilfe braucht.
Wir haben seit Monaten keinerlei Kontakt mehr, und dennoch denke ich häufig darüber nach, ihn nochmals zu kontaktieren, um ihm klarzumachen, was er für ein Katastrophengebiet hinterlassen hat, dass ich ihn liebe und er mir hundertprozentig hätte vertrauen können, dass ich ihn nie verletzen wollte (es umgekehrt aber passiert ist) und dass ich ihm wünschen würde, ER würde sich Hilfe suchen, weil er ein Thema mit Bindungsangst hat.
Wie erfolgreich wäre das? Wahrscheinlich würde er alles von sich weisen, oder? Ich will einfach nur meinen Seelenfrieden, aber eine Kontaktaufnahme (wenn, dann sowieso nur über Whatsapp oder Sprachnachricht) würde mich wieder angreifbar machen. Andererseits habe ich das Bedürfnis, alles einmal richtigzustellen, eher kann ich nicht loslassen. Es ist belastend, es mit einem Menschen zu tun zu haben, der sich nie einem klärenden Gespräch stellt, der nicht in der Lage ist, über seine Gefühle zu sprechen, der das immer geschickt vermeidet und so tut, als wäre nur ich "betroffen" und er hätte damit nichts zu tun. ("Verraten" hat er sich dennoch immer wieder.)