Sehnsucht als Schwäche

  • Wie schätzt ihr die Existenz von Sehnsucht bezüglich eines Partners ein? Gehört das für euch zur Beziehung dazu? Ist es ein störendes Übel für? Ist Sehnsucht im normalen Rahmen ok? Ist sie ungesund? Ein wichtiges Zeichen von Zuneigung? Ein Zeichen der Schwäche?


    Durch die ganze Nähe-Distanz-Problematik, auf die ich aufgrund der Konfrontation mit dem Thema Bindungsangst gestoßen bin, fühle ich mich im Moment leicht paranoid. Ich habe das Gefühl nicht vermissen zu dürfen, bzw. es besser nicht zu sollen, weil man dadurch zum Spielball des anderen werden könnte (wie mit meinem bindungsängstlichen Gegenüber erlebt) und es insgesamt schädlich für einen selbst ist. Ich habe den Eindruck im Moment nicht richtig einschätzen zu können wo ein normales und gesundes Maß an Sehnsucht nach dem Partner angemessen ist, und wo der Punkt erreicht ist, an dem man seine eigenen Wünsche hinterfragen sollte.

  • ich finde sehnsucht ganz normal und ohne sehnsucht ist es bei mir auch keine liebe...


    die frage ist eher, muss man diese empfundene sehnsucht dem anderen "aufdrängen" oder "zumuten" wenn dieser damit gar nicht klarkommt.... oder ist es nicht besser, dem anderen auch mal die möglichkeit zu schenken, sehnsucht empfinden zu können...

  • Ich meinte das eher losgelöst vom Empfinden des Partners und nur für sich selbst betrachtet.


    Es kann ja auch sein, dass beide große Sehnsucht verspüren und daher immer aufeinander hängen. In so einem Fall frage ich mich aber trotzdem, obwohl es ja in gegenseitiger Übereinkunft passiert, ob es nicht hinderlich für sich selbst wäre. Denn man klammert sich ja dennoch an den anderen, was sehr hilflos machen könnte wenn die Beziehung mal in eine schwierigere Phase geht.


    Ich versuche im Moment für mein Gefühl des Vermissens einen guten Grad zu finden, aktuell vermisse ich meinen Partner z.B. inzwischen mehr und finde es schon schade, dass wir uns meist nur am Wochenende sehen können. Dabei frage ich mich dann, ob das etwas ist was ich lieber zu beheben versuchen sollte (abtrainieren weil ungesund und unselbstständig) oder ob es noch in einem Rahmen liegt, indem man diesem Gefühl ruhig auch mal nachgeben darf ohne dabei Befürchten zu müssen unbemerkt in eine Abhängigkeit zu rutschen.
    Ich hab das Gefühl mein Sensor ist da kaputt...

  • was man empfindet ist doch ok. empfindet man sehnsucht, dann ist es eben so. warum sollte das schlecht sein? dsa gehört doch auch dazu wenn man jemanden liebt und begehrt.


    ich finde es trotzdem viel wichtiger, zu diskutieren, wie man damit umgeht... damit meine ich aber nicht abtrainieren.. sondern vielleicht aushalten oder umkanalisieren ?

  • Nach einer BA-Beziehung ist es glaube ich ganz normal, dass man einiges in Frage stellt, weil man noch verwirrt/verletzt ist. Dann hört man vielleicht die Flöhe husten. Sehnsucht ist ein großes Wort, je nach Ansichtssache positiv oder negativ besetzt. Wenn man in einer Beziehung ist und man den anderen vermisst, trifft es vielleicht Wiedersehensfreude etwas positiver, weil das halt auch den Moment des Wiedersehens konkret beinhaltet.


    Wo ist in einer neuen Beziehung die Grenze zu Abhängigkeit oder ungesundem Egoismus? Ich denke, solange man das Gefühl hat, dass die Beziehung nicht in Schieflage ist, sollte man vermissen dürfen und auch mal was allein machen wollen. Ist halt die Frage, ab welchem Zeitpunkt man ein Beziehungsgespräch führen sollte. Zu früh könnte es die Stimmung verderben, zu spät könnte schon etwas kaputt gemacht haben.


    Mehr fällt mir im Moment leider auch nicht ein...

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Sehnsucht ist doch keine Schwäche, das ist ein Gefühl, was in dir ist.
    ich kann auch sagen, dass ich in meiner BAbeziehung viel häufiger Sehnsucht empfunden habe , als in meinen anderen " normalen " Beziehungen. Vielleicht empfindet man deswegen die Liebe zu einem BA zu tief, weil man, bedingt durch das Distanzverhalten, nie so richtig satt wird in der Beziehung.


    Wichtig ist, zu akzeptieren, dass dein BA ein anderes NäheBedürfniss hat als du, und er damit deine Sehnsucht nicht immer stillen kann und will.

    Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es einen unstillbaren Sommer in mir gibt.
    Albert Camus

  • Zitat von Jojo200

    Vielleicht empfindet man deswegen die Liebe zu einem BA zu tief, weil man, bedingt durch das Distanzverhalten, nie so richtig satt wird in der Beziehung.


    Das sehe ich auch so. Ich hatte immer wieder das Gefühl, emotional am ausgestreckten Arm zu verhungern. Da fällt mir gerade ein: Ich hatte schon immer viel stärkere Sehnsucht nach meinen flippigen Hobby-Freunden, wenn es eine Weile keine persönlichen Treffen gab. Bei meinen "Normalo"-Freunden hatte ich dieses Gefühl nie, auch nicht in Phasen mit eher seltenen Verabredungen. Sie schafften es mich bei den Unternehmungen zu sättigen, dass ich sie hinterher nicht soooo sehr vermisste. Nach den Treffen mit dem BÄ-ler und ähnlich veranlagten Leuten dachte ich immer: "Hoffentlich dauert es nicht so lange, bis wir uns wieder sehen."

  • Zitat

    Vielleicht empfindet man deswegen die Liebe zu einem BA zu tief, weil man, bedingt durch das Distanzverhalten, nie so richtig satt wird in der Beziehung.


    ich glaube das nicht nur vielleicht, sondern bin ziemlich überzeugt davon. und der, der weniger nähe will/braucht (egal ob BA oder normalo) der ist quasi übersättigt von dem ständigen (über)angebot und da lassen die gefühle eben schneller mal nach weil eben auch keine sehnsucht entstehen kann... wie auch wenn man das was man will jederzeit haben könnte...


    ich finde eine diskussion über sehnsucht im übrigen sehr wertvoll, denn ich denke hier stecken einige wichtige schlüsselemente drin, die zum besseren verständnis dieser schieflagigen beziehungen beitragen können. daher :dank: für diesen thread

  • @ Jojo: Ich bin ja zum Glück inzwischen in einer normalen, im Sinne von "nicht bindungsängstlichen", Beziehung. :-) (Bzw. sehe ich bisher keine Zeichen dafür, dass mein Partner unter Bindungsangst leiden würde.) Er meldet sich täglich, freut sich auf jedes Treffen uzw. Von daher muss ich mir zum Glück keine Sorgen machen, dass mein Partner grundsätzlich wenige Nähe möchte. Leider sieht unsere Situation aber so aus, dass wir uns meist nur am Wochenende sehen können. Er wohnt nicht weit weg, darum habe ich das zunächst auch nicht als Problem eingestuft, dass ich kein Auto besitze. Nun zeigt sich aber, dass es mit öffentlichen Verkehrsmitteln viel teurer ist als gedacht. Klingt total dämlich, aber ich hab aktuell nur sehr wenig Geld übrig. Anfangs habe ich das einmal pro Woche sehen auch gut ausgehalten, aber je intensiver die Beziehung wird, desto mehr wünsche ich mir auch wir könnten uns öfter sehen.


    An dem Punkt werde ich dann mit besagter Sehnsucht konfrontiert, bei der ich (durch meine vorherige, von Bindungsangst belastete Beziehung) scheinbar den Überblick über das, was noch im grünen Bereich ist und das, was schädlich ist, verloren habe.

  • Zitat

    Er wohnt nicht weit weg, darum habe ich das zunächst auch nicht als Problem eingestuft, dass ich kein Auto besitze. Nun zeigt sich aber, dass es mit öffentlichen Verkehrsmitteln viel teurer ist als gedacht.


    warum kommt ER dann nicht einfach öfter zu dir? er hat ja ein auto, oder?

  • Zitat von Bianca

    warum kommt ER dann nicht einfach öfter zu dir? er hat ja ein auto, oder?


    Die Frage habe ich mir allerdings auch sofort gestellt !

    Nicht weil es schwer ist, wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen, ist es schwer.


    Lucius Annaeus Seneca

  • Roca, tu´ dir bitte selbst den Gefallen und nehme nicht jedes WE die Fahrt auf dich. Ich bin in meinen beiden Beziehungen am Anfang gerne übers WE mit der Bahn 200 km in eine Richtung gefahren. Schon nach wenigen Wochen nahmen beide Männer das für ganz selbstverständlich, dass ich es so gut wie immer machen musste, wenn ich sie sehen wollte. Dabei hatten beide Männer viel mehr Freizeit als ich, und Ex 1 hatte sowohl ein Auto als auch mehr Geld (damals arbeitete ich halbtags).

  • Hi Roca


    Deiner Sehnsucht stehen doch "nur" materielle Widerstände im Weg. Da kann es doch zu einer , für beide passende Lösung geben!
    Ihr findet sicherlich einen Weg, eure Sehsucht zu stillen!

    Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es einen unstillbaren Sommer in mir gibt.
    Albert Camus

  • @ Bianca & Tom: Er hat leider auch kein Auto. Manchmal kann er sich eines leihen, aber das geht eben nur selten. Sonst ist er genauso auf Bus und Bahn angewiesen wie ich.


    @ Reni: Er ist schon öfter zu mir gefahren als ich zu ihm, das ist nicht das Problem. Er hat genauso wenig Einkommen wie ich zur Zeit. Nach dem Studium nicht direkt ne feste, der eigenen Qualifikation angemessene Anstellung zu bekommen ist halt scheiße und ich hab, verwöhnt durch mein Studententicket, leider unterschätzt wie sehr die öffentlichen Verkehrsmittel ins Geld gehen können.


    @ Jojo: Ja, es klingt eigentlich trivial. Es sind "nur" materielle Gründe. Zur Zeit werden die für mich aber tatsächlich zur Belastung. Und das Vermissen ist ja leider da und wird, da vorerst kein Ende des finanziellen Engpasses in Aussicht ist, wohl noch längere Zeit bestehen bleiben.


    Also muss ich irgendeinen Weg finden damit umzugehen und frage mich dann eben, ob nicht die Sehnsucht an sich auch ein Problem darstellt. Denn in der Beziehung mit meinem Ex war sie ja auch ein Problem, wenn auch aus anderen Gründen (BA).

  • Wenn die Sehnsucht immer wieder auf erfüllende Art ihre Stillung erfährt, ist das vielleicht eine Art damit umgehen zu können.


    Wir haben Sommer. Wie sieht es bzlg. Fahrrad aus, wenn ihr nicht so weit voneinander entfernt wohnt?

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Roca
    Ach so....hm.....das ist natürlich blöd! Ja öffentliche Verkehrsmittel gehen auch ganz schön ins Geld. Was kostet denn so ne Einzelfahrt für dich?

    Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es einen unstillbaren Sommer in mir gibt.
    Albert Camus

  • Okay, dann liegt das Problem "nur" in den nicht vorhandenen finanziellen Mitteln. Konzentrierst du dich bei der Jobsuche in erster Linie auf Unternehmen in der Nähe seines Wohnorts, wärst du evtl. zu einem Umzug bereit?

  • Zitat von Ratsuchend

    Wir haben Sommer. Wie sieht es bzlg. Fahrrad aus, wenn ihr nicht so weit voneinander entfernt wohnt?


    Das habe ich auch schon überlegt, es wären ca. 15 Kilometer mit dem Rad, sprich 50 Minuten Fahrtzeit. Das Problem ist allerdings, dass ich zwangsläufig vor Einbruch der Dunkelheit wieder fahren müsste, weil die Strecke in weiten Teilen über unbeleuchtete Landstraßen führt. Da wir uns aber immer erst am Abend sehen können, bliebe uns nur ein Zeitfenster von 1-2 Stunden. Und dafür dann 1 Stunde und 40 Minuten Rad fahren... irgendwie rechnet sich das nicht. :(


    Jojo: Einmal zu ihm und zurück kostet ca. 6,50€. Klingt nicht nach viel, aber wenn man mit seinem Einkommen unter der Armutsgrenze liegt, dann ist das einfach nur selten machbar.


    Reni: Eine Anstellung in seinem Wohnort ist extrem unrealistisch. Dafür ist der zu klein und benötigt keine Arbeitskräfte in meinem Fachgebiet. Ich wohne quasi in der nächst größeren Stadt von ihm aus, und selbst da sieht es nicht so aus als würde ich eine Anstellung finden können. Auf die Dauer werde ich voraussichtlich eher noch weiter weg, als näher an ihn ran ziehen müssen.
    Ich hab aber die Hoffnung, dass ich mir die Fahrt nach einem Jobwechsel eher leisten kann, auch wenn ich dann weiter weg wohne.

  • Ich führe übrigens seit ein paar Wochen nun eine 350km Fernbeziehung. :( Es ließ sich leider nicht vermeiden, da ich für meine Arbeit umziehen musste.


    Finanziell eigentlich eine Katastrophe, denn eine Fahrt zu ihm kostet mich nun das fünf- bis sechsfache im Vergleich zu früher und mehr als damals verdiene ich auch nicht. Einziger Pluspunkt ist, dass es eine Anstellung mit Perspektive ist, ich werd also hoffentlich irgendwann in Zukunft mal mehr verdienen als jetzt.


    Mein Freund beginnt nun auch unter der Situation zu leiden, und plötzlich hab ich nicht mehr nur mit meinem eigenen Vermissen zu kämpfen, sondern auch mit seinem. Ich bemühe mich darum ihm so viel Nähe zu geben wie das auf Distanz überhaupt möglich ist (wir schreiben täglich und skypen auch viel), aber ich hab das ungute Gefühl, dass es nicht reichen wird. Selbst wenn ich lerne mit meiner Sehnsucht umzugehen, ist da immer noch er, der es bislang nicht kann und den es noch zusätzlich belastet, dass wir durch diese weite Distanz mit unseren Treffen komplett unflexibel geworden sind (müssen uns nun mal nach vorhandenen Bahn- und Busverbindungen, bzw. angebotenen Mitfahrgelegenheiten richten und frühzeitig alles buchen und festklopfen).


    Hat jemand Erfahrungen mit solchen Situationen?

  • Mitfahrangebote evtl. unter ebaykleinanzeigen ist mein Tip.

    Um in der Welt etwas zu bewirken, bedarf es liebevoller Emotionen, nicht kaltherziges Denken!


    Wenn du mein Licht erst kennst, dann weißt Du, wie hell dein Tag sein kann und wie hinreißend die Freude die Du, durch mich erfährst.