Bindungsangst und Therapie?

  • Hi Karli,


    es gibt ja verschiedene Therapieformen.


    Gesprächstherapie: dort geht es in erster Linie darum, seine Probleme auszusprechen. Das ist oft schon sehr befreiend. Dann wird versucht, Wege aufzuzeigen, wie man mit den belastenden Situationen umgehen könnte.


    Verhaltenstherapie: diese ist vorrangig für Angstpatienten gedacht. Der Therapeut spielt Angst auslösende Situationen mit dem Patienten durch. Zum Teil wird mit Begleitung des Therapeuten auch in Angst auslösende Situationen gegangen. Ziel ist es, die Situation auszuhalten, um zu merken, dass man nicht "stirbt", denn Angst gaukelt oft "Todesangst" vor.


    Tiefenpsychologie: Hier ist der Ansatz, dass man bis weit in die Kindheit zurück geht, um festzustellen, welche Umstände in der Vergangenheit Störungen verursacht haben, die, weil unverarbeitet, ihre Auswirkungen bis ins Heute haben.


    Eine Therapie kann mitunter schmerzhaft sein, weil verdrängte Erinnerungen wachgerufen werden. Aber durch die Begleitung kann man sich diesem stellen und versuchen, besser damit umzugehen.


    Wenn du speziell wegen BA eine Therapie machen willst (was ich sehr löblich finde :knuddel:), dann solltest du bei der Therapeutensuche darauf achten, dass der Therapeut evtl. sogar darauf spezialisiert ist, zumindest Erfahrungen damit hat.


    Ich wünsche dir viel Glück, dass du den richtigen Therapeuten findest. Aber es gibt meist lange Wartezeiten, wenn du als Kassenpatient eine Therapie machen willst.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Hallo Karli,


    Bindungsangst ist ein Symptom von "etwas" und keine eigenständige Diagnose, d.h., eine Therapie mit dem Schwerpunkt Bindungsangst wird nur schwer möglich sein, du wirst früher oder später über deine Ursachen auf irgndeine Art und Weise stolpern.


    Viele Grüße
    idun

  • danke - das mit den ursachen klingt, finde ich, sehr plausibel.


    aber ich würde gerne wissen, wie das geht, dass man über die ursachen "stolpert" - und dann, was passiert, wenn man sie herausgefunden hat - muss man sie erst emotional verarbeiten? und wird man danach dann automatisch "normal"? oder ist das nur der erste schritt dafür, dass man danach anfangen kann "normal sein" zu lernen?


    das klingt sicher ausgesprochen naiv, aber cih hab von psychologischen therapien wirklich keine ahnung - aber denke, vielleicht kann man sich besser darauf einlassen, wenn man weiß, wie sie funktionieren...


    beste grüße!

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    "In pain and sorrow lies truth"
    "You can´t stop the waves but you can learn to surf"
    "Sometimes the object of the journey is not the end, but the journey itself"


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  • Wenn tiefenpsychologisch Ursachenforschung betrieben wird, dann wird auch das im Unterbewußtsein schlummernde geweckt (evtl. mit Hilfe von Hypnose). Es gibt viele Möglichkeiten, etwas aufzuwühlen.


    Wenn man eine Verletzung in der Kindheit erlitten hat, dann hat man damals verdrängt oder einen Weg gefunden, sich zu schützen, z. B. keinen Menschen mehr nah an sich heran zu lassen. Heute bist du aber kein Kind mehr, du kannst als Erwachsene an die Situation herangehen.


    Man lernt, dass man der Angst widerstehen kann, in der Situation bleiben muss, sie aushalten und möglicherweise macht sie einem später nicht mehr sooooo viel Angst, so dass man quasi sagt "Hallo Angst, ich habe schon auf dich gewartet. Dann begrüße ich dich mal und jetzt lass mich mal wieder allein. Ich brauche dich heute nicht, komme schon allein mit der Situation klar."


    Es kann weh tun, was da hoch kommt. Aber du hast begleitende Hilfe an deiner Seite, so dass du dich geführt dem Problem / den Problemen stellen kannst.


    Und es geht nicht um "normal" oder "nicht normal", es geht darum, dass du dich als Mensch wohler fühlen kannst, dein Leben selbstbestimmend führen kannst. Denn was ist schon "normal" oder "nicht normal", da hat jeder eine subjektive Sichtweise.

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  • Lieber Ratsuchend,


    wenn man so Deinen Beitrag liest, merkt man doch sehr, dass Du mit Deiner Therapie sehr weit bist.


    Darf ich mal fragen, wie lange Du schon in Behandlung bist?


    LG
    Holly

    Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel,
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    Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel,
    Und schlägt sie ewiglich.

  • Liebe Holly,


    vor knapp 16 Jahren eine einjährige Gesprächstherapie und jetzt seit einem Jahr eine Gesprächstherapie.


    In der ersten Therapie konnte ich mich dank des guten Therapeuten von einem langjährigen Alptraum verabschieden. Dieser Traum hat mir sehr zu schaffen gemacht. Durch den Therapeuten wurde ich animiert, gewissen Leuten deutliche Fragen zu stellen. Ich erhielt antworten, die mir geholfen haben. Meinen Alptraum habe ich seitdem nie wieder geträumt :-D


    Aktuell wurde mir die Arbeit mit dem "inneren Kind" ans Herz gelegt.


    Resultat: ein sehr schlimmer Alptraum, der mich an etwas herangeführt hat, was ich schon längst verdrängt hatte. Aber es ist DER Grund für meine aktuelle Verlustangst. Ich weiß inzwischen viele Dinge, warum sie so geschehen sind, wie sie geschehen sind. Ich weiß aber auch, dass die damalige Situation es nicht anders hat geschehen lassen können. Insofern bin ich auf die Personen und ihre Handlungen heute nicht böse. Sie haben nicht in böser Absicht, sondern aus Überforderung gehandelt. Ich habe mit diesen Menschen meinen Frieden gefunden. Aber ich muss auch mit dem, was mich in meinem Leben hindert, einen Abschluß finden. Ich will erinnern, ich will verarbeiten, ich will dann, und wirklich erst dann, die Tür meiner Vergangenheit schließen und die daraus gewonnen Erkenntnisse auf mein Leben anwenden.


    Aktueller Stand meiner Therapie: Niemand kann mich glücklich machen. Niemand kann mich unglücklich machen. Nur ich selbst kann das. Und um glücklich zu sein, muss ich einen inneren Anker haben, ein Fundament unter meinen Füßen. Wissen, dass ich in mir ruhe. Es fällt bisweilen schweri. Ich fühle mich augenblicklich wie wankender Schilf. Aber ich arbeite an mir. Und es hilft mir ungemein, die Dinge, die auf der Seele brennen und die ich mit niemanden sonst besprechen kann, in der Gesprächsstunde anzusprechen.

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  • Zitat von karli

    aber ich würde gerne wissen, wie das geht, dass man über die ursachen "stolpert" - und dann, was passiert, wenn man sie herausgefunden hat - muss man sie erst emotional verarbeiten?


    Hallo karli, die Ursachen sind oft in der Elternbeziehung zu finden.
    Meist geht es um emotionalen Missbrauch.
    Was Du im Forum so über Deine Probleme mit Nähe schreibst, klingt z.B. danach, dass mindestens ein Elternteil Dich zu stark vereinahmt und Dich für seine Zwecke eingesetzt hat.
    Du brauchtest dessen Liebe als Kind, aber wurdest quasi erpresst und emotional enteignet, und deswegen hast Du jetzt wahrscheinlich solche Schwierigkeiten.


    In der Therapie werden solche Erlebnisse entdeckt, ans Licht gebracht und das Verständnis für das, was vorgefallen ist, bedeutet schon den ersten Schritt Richtung Heilung.
    Es handelt sich nämlich um Wunden, die tief versteckt immernoch schwelen, weil sie bisher kognitiv und mit dem Bewusstsein nicht erfasst wurden.


    Zitat von karli

    und wird man danach dann automatisch "normal"? oder ist das nur der erste schritt dafür, dass man danach anfangen kann "normal sein" zu lernen?


    Das Ziel ist nicht, "normal" zu werden. Sondern: DU SELBST zu werden. So dass Du mit Deinen Gefühlen und Wahrnehmungen vertrauensvoll und konstruktiv umgehen kannst und Dich nicht mehr hilflos oder machtlos oder ausgeliefert oder "unnormal" fühlen musst.


    LG

  • Lieber Ratsuchend,


    deine Weiterentwicklung hört sich echt gut an.
    Ich wünschte, ich wäre auch schon so weit :oops: . Habe mir heute mal die Überweisungen für die Erstgespräche besorgt und ab Freitag geht es dann los mit der Auswahl der Therapeutin.


    Kann mir unter der Arbeit mit dem „inneren Kind“ nicht wirklich viel vorstellen.


    LG
    Holly

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  • Zitat von Holly


    Kann mir unter der Arbeit mit dem „inneren Kind“ nicht wirklich viel vorstellen.


    Das Thema ist zu komplex, als dass ich es in wenigen Worten abhandeln will. Am besten schaust du mal, was bei Wikipedia dazu steht:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Inneres_Kind


    Ein sehr gutes Buch zum Thema ist dieses:


    Erika J. Chopich (Autor), Margaret Paul (Autor): "Aussöhnung mit dem Inneren Kind"


    Ich persönlich würde Arbeit mit dem inneren Kind mit Selbstheilungskräften, Meditation, Vergangenheitsbewältigung, Selbst-Fürsorge beschreiben.


    Der Umgang als liebevoller Erwachsener mit seinem inneren Kind hat es mir bei entsprechender Konzentration ermöglicht, von einem wärmenden Gefühl durchströmt zu sein und in schlaflosen Zeiten (Verlustangst, Liebeskummer) in den Schlaf zu finden.


    Es hat mir aber auch den Blick in meiner Vergangenheit ermöglicht und mir verdrängte Erinnerungen offenbart, welche ich mit in die Therapie nehme, um diese zu verarbeiten.


    Ich wünsche dir viel Glück bei richtigen Therapeutenwahl :-D

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Danke, für den Link! :-D

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  • hm, vermutlich ist man dann also nicht in der lage, einfach durch genügend nachdenken die ursachen zu erkennen, nehme ich an.
    danke für die eindrücke und erfahrungen!


    mal was ganz formales: braucht man denn eine überweisung für die ersten probegespräche, oder reichen 10 € ?

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  • Ich hätte auch mal eine Frage, gehört nicht wirklich zum Bereich der anerkannten Therapieformen ( glaub ich, ganz genau weiß ich es nicht )
    , hat jemand von euch schon mal eine Familienaufstellung gemacht??


    Oder überhaupt, was haltet ihr davon?


    Familienaufstellungen besagen doch auch, das Bindungsstörungen oft ihren Ursprung in Traumatisierungen der Mutter haben. Diese Traumaerfahrungen geben die Mütter an ihre Kinder weiter, die dadurch dann oftmals Opfer weiterer Traumatisierungen werden oder selbst zum Täter.

    **oft muss man erst den falschen Weg gehen, um den richtigen zu finden**

  • Ja, allerdings hätten dann ja ziemlich alle Menschen der heutigen Zeit traumatische Erlebnisse, die weitergegeben wurden, allein durch unsere zwei Weltkriege.


    Hmm, ich weiß nicht ganz genau, was ich davon halten soll.


    Meine Schwester hat sich mal dafür interessiert, das weiß ich noch und ich glaube, sie hat es mal machen lassen....ich muss sie mal fragen, wenn ich sie treffe. Ich hab damals leider mich nicht sonderlichst dafür interessiert und dachte noch, was labert die denn da?
    Meine Mam hat auf jeden Fall ihr erstes Kind verloren bei der Geburt, das soll,kann auch tramatische Folgen für alle weiteren Geschwister, die nachfolgen, haben.

    **oft muss man erst den falschen Weg gehen, um den richtigen zu finden**