Ui, da gibt es so einige Parallelen zwischen uns, wie ich sehe... aber es besteht auch ein deutlicher Unterschied: Deine Eltern sehen zumindest ein, dass sie Fehler gemacht haben, die negative Auswirkungen auf dein Leben hatten. Meine Mutter ist leider nicht so einsichtig und denkt noch heute, dass sie in der Erziehung alles richtig gemacht hat. Ihrer Meinung nach verhält sie sich so, wie es eine liebende Mutter tun sollte. Das erschwert natürlich die Situation für mich.
Ich kenne das auch, dass ich schnell vermisst werde. Da fallen mir gleich die ersten "längeren" Trennungen von meinen Eltern und ihre Reaktionen ein. Mit 17 war ich 1 Woche auf Klassenfahrt. Bei der Verabschiedung und bei der Abholung heulten meine Eltern Rotz und Wasser, während die Eltern meiner Klassenkameraden daneben standen und sich für ihre Kinder freuten. Meine Eltern verhielten sich, als ob jemand gestorben war. Das war mir ganz schön peinlich. Dabei hab´ ich sie jeden Tag aus dem Ausland angerufen.
Selbst heute, wo ich schon lange nicht mehr zu Hause wohne, erwartet meine Mutter täglichen Kontakt - und zwar auch, wenn ich im Urlaub oder auf einem Festival bin. Ich nehme mir aber manchmal die Freiheit heraus, mich nicht zu melden. Das ist mein gutes Recht. Ich gehe im Urlaub oft in Museen, besichtige Kirchen, usw. Da sind Telefonate wirklich unpassend. Und wenn ich mit Freunden auf Festivals gehe, bin ich mit ihnen in Gespräche vertieft oder schaue mir die Bands an. Und bei lauter Musik kann ich nicht telefonieren. Das muss meine Mutter akzeptieren, auch wenn es ihr nicht passt.
E-Mails und SMS schreiben kann meine Mutter übrigens gar nicht. Sie gehört noch zur "alten Schule" und hat keine Lust, sich den Umgang mit den modernen Kommunikationsmitteln anzugewöhnen. Sie weiß noch nicht mal, wie man einen Rechner hochfährt. Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, wenn wir schriftlich Kontakt halten könnten. Jeden Tag telefonieren zu müssen finde ich viel anstrengender als eine kurze Nachricht zu schreiben. Mein Bruder und ich wollten ihr schon x-mal zeigen, wie man simst, aber da ist sie stur. Sie will unsere Stimmen hören. Komischerweise hat mein Bruder kein Problem damit, aber er würgt sie meistens noch viel schneller ab als ich das mache. Deine Eltern wollen sich also auch über Banalitäten unterhalten, was du nicht unbedingt brauchst... das kenne ich auch. Meine Mutter hat mich vorher - obwohl ich sie schon mindestens 100.000x gebeten habe, das bleiben zu lassen - mal wieder gefragt, was ich gekocht habe. Sie fragt auch gerne, was ich einkaufe, ob ich Wäsche gewaschen habe, solche Dinge halt, die echt nicht spannend sind.
Macht es dir wirklich nichts aus, im gleichen Ort zu wohnen wie deine Eltern? Ich bin ganz froh, dass ich in den Nachbarort gezogen bin. Meine Mutter hat keinen Führerschein und ist meistens zu faul, um den Bus zu nehmen. Wenn ich im gleichen Ort wohnen würde wie sie, dann stünde sie öfters bei mir vor der Tür. 2x die Woche Treffen, dafür fehlt mir ehrlich gesagt die Zeit und die Lust. Ich bin mit 2-3x im Monat gut bedient, manchmal brauch´ ich auch 3-4 Wochen Pause, wenn ich im Stress bin. Das gefällt ihr natürlich gar nicht, aber damit muss sie leben.
Ich finde es interessant, was du über das Meldeverhalten im Umgang mit deinen Eltern schreibst. Du fühlst dich unter Druck gesetzt, wenn sie dir häufig schreiben und antwortest ihnen manchmal nicht. Meine Freunde antworten mir auch nicht immer, was mich sehr traurig macht und manchmal zu der Annahme bringt, dass ich ihnen nicht wichtig genug bin. Wobei ich meinen Freunden aber bei weitem nicht jeden Tag schreibe und schon gar nicht mehrmals täglich. Einige haben mir auch schon gesagt, dass sie sich von mir eingeengt und unter Druck gesetzt fühlen. Ich bin zwar kein Mensch, der andere rund um die Uhr mit Anrufen und Nachrichten bombardiert. Ich antworte auch nicht immer sofort, weil ich eben auch nicht immer Zeit habe. Aber ich antworte in der Regel immer und bin ein sehr berechenbarer, zuverlässiger Mensch - weil der Kontakt mit Menschen für mich eben eine hohe Priorität hat. Und das setzt die Leute unter Druck.
Es ist genau so, wie du es am Ende beschreibst. Auch ich habe ein plötzliches Weniger an Kontakt mit zunehmendem Desinteresse seitens der anderen Person gleichgesetzt und manche Leute damit total gestresst. Mir ist aber zum Glück klar geworden, dass es in meinem Leben auch ein Paradebeispiel dafür gibt, dass das gar nicht der Fall sein muss: Meine beste Freundin kenne ich seit 18 Jahren. Der Kontakt war immer da, es gab keinerlei Krisen mit drohendem Ende der Freundschaft. Aber der Kontakt wurde sehr unterschiedlich gepflegt. Es gab Zeiten, da haben wir uns jeden Monat oder mehrmals im Monat gesehen (so wie die meiste Zeit im vergangenen Jahr) und dann zwischendurch auch mal ein ganzes Jahr gar nicht. Und beim ersten Treffen nach der längeren Sendepause war alles so wie vorher, kein Stress, keine Probleme, null. Doch sobald ein Mann mal weniger zur Verfügung steht als ich es von ihm gewohnt bin, packt mich die VA. Ich werde mich ab sofort im Umgang mit Männern an meiner besten Freundin orientieren und kein Drama mehr veranstalten, wenn einer mal etwas seltener für mich da ist als zuvor.