Verlustangst und wie wir sie überwinden

  • Ui, da gibt es so einige Parallelen zwischen uns, wie ich sehe... aber es besteht auch ein deutlicher Unterschied: Deine Eltern sehen zumindest ein, dass sie Fehler gemacht haben, die negative Auswirkungen auf dein Leben hatten. Meine Mutter ist leider nicht so einsichtig und denkt noch heute, dass sie in der Erziehung alles richtig gemacht hat. Ihrer Meinung nach verhält sie sich so, wie es eine liebende Mutter tun sollte. Das erschwert natürlich die Situation für mich.


    Ich kenne das auch, dass ich schnell vermisst werde. Da fallen mir gleich die ersten "längeren" Trennungen von meinen Eltern und ihre Reaktionen ein. Mit 17 war ich 1 Woche auf Klassenfahrt. Bei der Verabschiedung und bei der Abholung heulten meine Eltern Rotz und Wasser, während die Eltern meiner Klassenkameraden daneben standen und sich für ihre Kinder freuten. Meine Eltern verhielten sich, als ob jemand gestorben war. Das war mir ganz schön peinlich. Dabei hab´ ich sie jeden Tag aus dem Ausland angerufen.


    Selbst heute, wo ich schon lange nicht mehr zu Hause wohne, erwartet meine Mutter täglichen Kontakt - und zwar auch, wenn ich im Urlaub oder auf einem Festival bin. Ich nehme mir aber manchmal die Freiheit heraus, mich nicht zu melden. Das ist mein gutes Recht. Ich gehe im Urlaub oft in Museen, besichtige Kirchen, usw. Da sind Telefonate wirklich unpassend. Und wenn ich mit Freunden auf Festivals gehe, bin ich mit ihnen in Gespräche vertieft oder schaue mir die Bands an. Und bei lauter Musik kann ich nicht telefonieren. Das muss meine Mutter akzeptieren, auch wenn es ihr nicht passt.


    E-Mails und SMS schreiben kann meine Mutter übrigens gar nicht. Sie gehört noch zur "alten Schule" und hat keine Lust, sich den Umgang mit den modernen Kommunikationsmitteln anzugewöhnen. Sie weiß noch nicht mal, wie man einen Rechner hochfährt. Mir wäre es ehrlich gesagt lieber, wenn wir schriftlich Kontakt halten könnten. Jeden Tag telefonieren zu müssen finde ich viel anstrengender als eine kurze Nachricht zu schreiben. Mein Bruder und ich wollten ihr schon x-mal zeigen, wie man simst, aber da ist sie stur. Sie will unsere Stimmen hören. Komischerweise hat mein Bruder kein Problem damit, aber er würgt sie meistens noch viel schneller ab als ich das mache. Deine Eltern wollen sich also auch über Banalitäten unterhalten, was du nicht unbedingt brauchst... das kenne ich auch. Meine Mutter hat mich vorher - obwohl ich sie schon mindestens 100.000x gebeten habe, das bleiben zu lassen - mal wieder gefragt, was ich gekocht habe. Sie fragt auch gerne, was ich einkaufe, ob ich Wäsche gewaschen habe, solche Dinge halt, die echt nicht spannend sind.


    Macht es dir wirklich nichts aus, im gleichen Ort zu wohnen wie deine Eltern? Ich bin ganz froh, dass ich in den Nachbarort gezogen bin. Meine Mutter hat keinen Führerschein und ist meistens zu faul, um den Bus zu nehmen. Wenn ich im gleichen Ort wohnen würde wie sie, dann stünde sie öfters bei mir vor der Tür. 2x die Woche Treffen, dafür fehlt mir ehrlich gesagt die Zeit und die Lust. Ich bin mit 2-3x im Monat gut bedient, manchmal brauch´ ich auch 3-4 Wochen Pause, wenn ich im Stress bin. Das gefällt ihr natürlich gar nicht, aber damit muss sie leben.


    Ich finde es interessant, was du über das Meldeverhalten im Umgang mit deinen Eltern schreibst. Du fühlst dich unter Druck gesetzt, wenn sie dir häufig schreiben und antwortest ihnen manchmal nicht. Meine Freunde antworten mir auch nicht immer, was mich sehr traurig macht und manchmal zu der Annahme bringt, dass ich ihnen nicht wichtig genug bin. Wobei ich meinen Freunden aber bei weitem nicht jeden Tag schreibe und schon gar nicht mehrmals täglich. Einige haben mir auch schon gesagt, dass sie sich von mir eingeengt und unter Druck gesetzt fühlen. Ich bin zwar kein Mensch, der andere rund um die Uhr mit Anrufen und Nachrichten bombardiert. Ich antworte auch nicht immer sofort, weil ich eben auch nicht immer Zeit habe. Aber ich antworte in der Regel immer und bin ein sehr berechenbarer, zuverlässiger Mensch - weil der Kontakt mit Menschen für mich eben eine hohe Priorität hat. Und das setzt die Leute unter Druck.


    Es ist genau so, wie du es am Ende beschreibst. Auch ich habe ein plötzliches Weniger an Kontakt mit zunehmendem Desinteresse seitens der anderen Person gleichgesetzt und manche Leute damit total gestresst. Mir ist aber zum Glück klar geworden, dass es in meinem Leben auch ein Paradebeispiel dafür gibt, dass das gar nicht der Fall sein muss: Meine beste Freundin kenne ich seit 18 Jahren. Der Kontakt war immer da, es gab keinerlei Krisen mit drohendem Ende der Freundschaft. Aber der Kontakt wurde sehr unterschiedlich gepflegt. Es gab Zeiten, da haben wir uns jeden Monat oder mehrmals im Monat gesehen (so wie die meiste Zeit im vergangenen Jahr) und dann zwischendurch auch mal ein ganzes Jahr gar nicht. Und beim ersten Treffen nach der längeren Sendepause war alles so wie vorher, kein Stress, keine Probleme, null. Doch sobald ein Mann mal weniger zur Verfügung steht als ich es von ihm gewohnt bin, packt mich die VA. Ich werde mich ab sofort im Umgang mit Männern an meiner besten Freundin orientieren und kein Drama mehr veranstalten, wenn einer mal etwas seltener für mich da ist als zuvor.

  • Zitat von Reni

    Ui, da gibt es so einige Parallelen zwischen uns, wie ich sehe... aber es besteht auch ein deutlicher Unterschied: Deine Eltern sehen zumindest ein, dass sie Fehler gemacht haben, die negative Auswirkungen auf dein Leben hatten. Meine Mutter ist leider nicht so einsichtig und denkt noch heute, dass sie in der Erziehung alles richtig gemacht hat. Ihrer Meinung nach verhält sie sich so, wie es eine liebende Mutter tun sollte. Das erschwert natürlich die Situation für mich.


    Ja, das glaube ich dir gern. Hast du es ihr denn mal explizit gesagt und erklärt, welches Verhalten bzw. welche Prägung dich in deinem eigenen Leben vor Probleme stellt? Wahrscheinlich schon, oder? Weist sie das einfach von sich? Hm, von selbst wären meine Eltern auch nicht zu dieser Einsicht gekommen, glaube ich.



    Zitat

    Ich kenne das auch, dass ich schnell vermisst werde. Da fallen mir gleich die ersten "längeren" Trennungen von meinen Eltern und ihre Reaktionen ein. Mit 17 war ich 1 Woche auf Klassenfahrt. Bei der Verabschiedung und bei der Abholung heulten meine Eltern Rotz und Wasser, während die Eltern meiner Klassenkameraden daneben standen und sich für ihre Kinder freuten. Meine Eltern verhielten sich, als ob jemand gestorben war. Das war mir ganz schön peinlich. Dabei hab´ ich sie jeden Tag aus dem Ausland angerufen.


    Bei mir war das seltsamerweise so, dass ich vor Klassenfahrten ganz schreckliche Angst hatte und vor der Abfahrt viel geweint habe. Schon Wochen vorher, weil ich nicht aus meiner vertrauten Umgebung rausgehen wollte. Alleine mit anderen zu sein, mit Fremden, ohne jederzeit nach Hause zu können. Auch im Kindergarten hatte ich oft Heimweh. Wenn ich dann auf Klassenfahrt war, hat es sich gelegt und hätte von mir aus auch noch länger gehen können, weil ich Spaß hatte. Aber vor jedem Trennungsmoment hatte ich große Angst. Und ich weiß bis heute nicht wirklich, was das verursacht hat. Jetzt frage ich mich gerade zum ersten Mal, ob es vielleicht die Probleme meiner Eltern mit dem Loslassen waren, die ich gespürt und dann ausgelebt habe? Keine Ahnung, darüber muss ich mal nachdenken.


    Wenn ich diese Ängste vor Klassenfahrten hatte, habe ich wirklich alles versucht, um nicht mitfahren zu müssen. Einmal haben mich meine Eltern krankgemeldet, sonst doch irgendwie überredet, mitzufahren. Aber das eben auch nicht, indem sie mir erklärt haben, dass so eine Klassenfahrt eine schöne Erfahrung ist und ich sicher Spaß haben werde, wie es andere Eltern vermutlich getan haben, deren Kinder sich darauf gefreut haben. Sondern eher so, dass so eine Trennung sicher nicht schön ist, aber eben zum Leben dazugehört und ich das schon schaffen werde. Das Überwinden von Ängsten und Wagen von Neuem war immer eine Notwendigkeit, aber nichts, was positiv sein kann, weil es neue Möglichkeiten und Erfahrungen bietet. Bis heute ist bei mir eine Angst vor Veränderungen geblieben.


    Zitat

    Macht es dir wirklich nichts aus, im gleichen Ort zu wohnen wie deine Eltern? Ich bin ganz froh, dass ich in den Nachbarort gezogen bin. Meine Mutter hat keinen Führerschein und ist meistens zu faul, um den Bus zu nehmen. Wenn ich im gleichen Ort wohnen würde wie sie, dann stünde sie öfters bei mir vor der Tür. 2x die Woche Treffen, dafür fehlt mir ehrlich gesagt die Zeit und die Lust. Ich bin mit 2-3x im Monat gut bedient, manchmal brauch´ ich auch 3-4 Wochen Pause, wenn ich im Stress bin. Das gefällt ihr natürlich gar nicht, aber damit muss sie leben.


    Nein, das macht mir nichts aus. Ich wohne in einer Großstadt, da ist die Entfernung ähnlich groß wie vielleicht bei manchen der Nachbarort. :wink: Meine Eltern würden auch nie einfach vor meiner Tür stehen. Sie fragen auch nicht direkt, wann ich mal wieder komme. Ich merke nur, wenn ich komme, dass sie sich danach gesehnt und darauf gehofft haben. Das spürt man eben oder es wird durch Nebenbemerkungen deutlich. Meistens finde ich die regelmäßigen Treffen selber schön. Ich kann mich mit ihnen über viele Dinge sehr gut unterhalten, das ist durchaus erfrischend. Und wenn es mir mal nicht so gut geht oder ich Stress habe, dann ist es auch ein sicheres Nest, wo ich immer Zuneigung und Liebe bekomme. Das ist viel wert und meine Eltern müssten deshalb auch überhaupt keine Bedenken haben, dass sie mich nicht mehr so oft sehen. Mich belastet nur diese Erwartung einer Regelmäßigkeit und dass das nicht schwanken kann, ohne dass sie sich Sorgen machen oder auf eine Begründung warten.


    Zitat

    Ich finde es interessant, was du über das Meldeverhalten im Umgang mit deinen Eltern schreibst. Du fühlst dich unter Druck gesetzt, wenn sie dir häufig schreiben und antwortest ihnen manchmal nicht. Meine Freunde antworten mir auch nicht immer, was mich sehr traurig macht und manchmal zu der Annahme bringt, dass ich ihnen nicht wichtig genug bin. Wobei ich meinen Freunden aber bei weitem nicht jeden Tag schreibe und schon gar nicht mehrmals täglich. Einige haben mir auch schon gesagt, dass sie sich von mir eingeengt und unter Druck gesetzt fühlen.


    Hm, ich denke, das Melde- und Kontaktbedürfnis ist bei den Menschen sehr unterschiedlich ausgeprägt. Mit einigen schreibe ich sehr regelmäßig und mit anderen seltener, was aber nichts über die Intensität oder Wichtigkeit der Freundschaft aussagt. Worauf es entscheidend ankommt, ist die Ausgewogenheit. Darauf muss man achten, denke ich. Wenn dir deine Freunde ebenfalls so oft von sich aus schreiben, spricht ja nichts dagegen, wenn du das auch machst. Aber wenn von der anderen Seite weniger Initiative kommt, dann engt die Häufigkeit deiner Nachrichten wahrscheinlich eher ein, während jemand anderes, der ähnlich oft Kontakt sucht, sich daran überhaupt nicht stört. Die Balance muss stimmen. Wie ist das bei dir, schreibst du öfter von dir aus als die andere Seite?

  • Zitat von greeny19

    Ja, das glaube ich dir gern. Hast du es ihr denn mal explizit gesagt und erklärt, welches Verhalten bzw. welche Prägung dich in deinem eigenen Leben vor Probleme stellt? Wahrscheinlich schon, oder?


    Ja, ich habe es ihr schon gesagt und sie streitet es einfach ab.



    Zitat von greeny19

    Bei mir war das seltsamerweise so, dass ich vor Klassenfahrten ganz schreckliche Angst hatte und vor der Abfahrt viel geweint habe.


    Das war bei mir noch nie der Fall. Wobei ich mich aber für die Abi-Abschlussfahrt krankschreiben ließ. Das hatte aber nichts mit meinen Eltern zu tun. Ich war sehr unbeliebt in meiner Jahrgangsstufe und hatte Angst vor den Hänseleien meiner Mitschüler.



    Zitat von greeny19

    Nein, das macht mir nichts aus. Ich wohne in einer Großstadt, da ist die Entfernung ähnlich groß wie vielleicht bei manchen der Nachbarort.


    Ah okay, dann ist das natürlich etwas anderes. Ich wohne in einer kleinen Stadt. Hier im Umkreis gibt es nur kleine Städte und Dörfer. Auch ich bin dankbar dafür, dass ich immer zu meiner Mutter kommen und mit ihr über alles reden kann. Aber mich setzt halt auch ihre Erwartungshaltung bzgl. der Treffen und Telefonate unter Druck.



    Zitat von greeny19

    Wie ist das bei dir, schreibst du öfter von dir aus als die andere Seite?


    Ich achte schon darauf, dass es ausgewogen bleibt. Womit ich große Probleme habe sind plötzlich eintretende Veränderungen im Meldeverhalten der anderen Person. Wenn sich z. B. jemand über einen längeren Zeitraum sehr regelmäßig bei mir meldet und es einigermaßen regelmäßige Treffen gibt und dann ganz plötzlich eine Veränderung eintritt, die Antworten viel länger auf sich warten lassen, manchmal gar keine Antworten kommen und die andere Seite seltener Treffen will oder sich lieber mit zufälligen Treffen zufrieden gibt, anstatt sich konkret zu verabreden, dann macht mich das ganz schön nervös. In solchen Situationen habe ich schon einige Leute zur Rede gestellt und bin manchmal auch leider ausgetickt, weil mir das sehr weh getan hat.

  • Zitat von Reni

    Wenn du dir schon fast "abartig" vorkommst, was soll ich dann sagen? Ich hatte noch nie eine Beziehung, die länger ging als ein halbes Jahr, habe noch nie mit einem Mann zusammengewohnt und bin seit über 9 Jahren alleine. Gut okay, ich habe zu viel Zeit in den BÄ-ler investiert. Aber in den 4 Jahren vor ihm, als ich Single war, gab es mehrere Männer, die sich für mich interessierten. Doch sobald ich ihr Interesse erwiderte, überlegten sie es sich anders und wollten mich nicht mehr.


    Das liegt mit Sicherheit auch daran, dass ich zu viel Energie in mein Liebesleben gesteckt und dafür andere Bereiche vernachlässigt habe... also nicht andere Menschen, aber meine Verpflichtungen.


    Hm, Du schriebst mal, die Männer hätten Dir als Trennungsgrund angegeben, Du würdest klammern. Ich kann Dir jetzt mal so sagen, wenn mir ein Mann hinterher rennen würde permanent, mir alles recht machen wollte, immer klein beigibt, klammert usw. usw. ............ das könnte ich nicht ertragen, und das sage ich!!, obwohl ich eine Frau bin, die gefühlsmäßig sehr tief drinsteckt, wenn sie sich für jemanden entscheidet, eine Frau, die ja selbst viel zu viel mit sich machen lässt. Aber ich klammere nicht, bin auch im gesunden Rahmen eifersüchtig, denke ich. Da hat auch noch kein Mann sich "beschwert". Reni, mit Klammern schlägt man wirklich Männer in die Flucht; das kann kein Mensch ertragen. Ich denke mal, diese Aussage hat Allgemeingültigkeit! Auch in anderen Bereichen: Freundschaften, am Arbeitsplatz z. B. Das Problem ist, dass man sich selbst ja auch nicht sieht o. in seinem eigenen Verhalten erkennt. Hier scheint mir bei Dir ein wesentlicher Punkt zu sein, warum es scheitert. Würde ich jetzt mal sagen, arbeite an diesem Punkt :-)

  • Zitat von Reni

    Ich achte schon darauf, dass es ausgewogen bleibt. Womit ich große Probleme habe sind plötzlich eintretende Veränderungen im Meldeverhalten der anderen Person. Wenn sich z. B. jemand über einen längeren Zeitraum sehr regelmäßig bei mir meldet und es einigermaßen regelmäßige Treffen gibt und dann ganz plötzlich eine Veränderung eintritt, die Antworten viel länger auf sich warten lassen, manchmal gar keine Antworten kommen und die andere Seite seltener Treffen will oder sich lieber mit zufälligen Treffen zufrieden gibt, anstatt sich konkret zu verabreden, dann macht mich das ganz schön nervös. In solchen Situationen habe ich schon einige Leute zur Rede gestellt und bin manchmal auch leider ausgetickt, weil mir das sehr weh getan hat.


    Ja, das kann ich nachvollziehen. Ich denke, der Grund für diese Veränderungen liegt dann aber fast immer beim anderen und hat gar nichts mit dir zu tun. Manchmal hat man mehr mit sich selbst zu tun oder auf Arbeit und ist unsozialer. Das kenne ich auch von mir selbst. Ich hatte es auch schon, dass mich Freunde dann angeschrieben haben, ob alles okay sei. Aber nicht in Bezug auf den Stand der Freundschaft, sondern ob mit mir alles okay ist. Und das habe ich dann auch so als ehrliche Sorge aufgefasst, mich bedankt und erklärt.


    Ich finde es auch immer schwierig abzuwägen. Wenn so eine Veränderung im Meldeverhalten auftritt, macht man sich ja auch Sorgen. Ich habe manche Freunde, die sich zurückziehen und dann Probleme in sich hineinfressen. Einem sogar manchmal sagen, dass sie in solchen Situationen einen Tritt in den Allerwertesten gebrauchen können. Da ist es - wie umgekehrt bei mir geschehen -, ja nicht falsch, sich zu erkundigen, ob es dem anderen gut geht. Das sollte dann aber auch wirklich der Anlass sein und nicht die Verpackung, wenn man sich eigentlich vernachlässigt fühlt und Kritik üben will. Dann wird das sicherlich als bedrängend empfunden, mit Recht. Ich denke, das solltest du vorher immer für dich überprüfen. Bin ich ehrlich besorgt oder fühle ich mich vernachlässigt und brauche jetzt Bestätigung und Beruhigung?


    Aber ich kenne es auch, dass viele zwischen beidem nicht unterscheiden können und dann ehrlich gemeinte Frage missdeuten, was ich oftmals ziemlich traurig finde. Dann traue ich mich ja auch dann nicht mehr, mich zu melden, wenn der andere wirklich jemanden brauchen könnte.

  • @Hanna: Jeder hat seine eigene Definition des Wortes "Klammern". Ich dachte immer "Klammern" bedeutet, wenn man mit einer bestimmten Person jede freie Minute verbringen will, nichts mehr alleine oder mit anderen Leuten unternimmt, ihm verbietet, andere Menschen zu treffen, ständig anruft und schreibt, manchmal auch mehrere Mails und SMS hintereinander schickt, wenn man noch keine Antwort bekommen hat, usw. So extrem bin ich nicht drauf.


    @greeny: Eine Freundin hat mir letzten Monat auch gesagt, dass die Verhaltensänderung eines Menschen nicht unbedingt etwas mit mir zu tun haben muss. Damit hatte sie absolut Recht. Ich mache mir auch Sorgen, wenn jemand plötzlich distanzierter wird. Aber ich mache mir halt auch Sorgen um unsere Freundschaft und bekomme Panik, was ich dann auch zeige. Ich habe mir vorgenommen, das ab sofort nicht mehr zu tun. Die folgenden Erfahrungen haben mir gezeigt, dass ich gewisse Dinge nicht für immer als allgemeingültig betrachten darf:


    - Wenn sich irgendwelche Leute jedes WE mit mir treffen, darf ich nicht davon ausgehen, dass das für immer der Fall sein wird.
    - Wenn mir jemand regelmäßig jede Woche, jeden Monat, etc. schreibt, muss ich damit rechnen, dass es auch Phasen mit weniger Kontakt geben wird.
    - Wenn ein Mensch aus meinem Freundeskreis mit mir seinen Geburtstag, Silvester, Urlaub, usw. verbringt, kann ich nicht erwarten, dass das auch nächstes, übernächstes... Jahr so sein wird.


    Ich neige leider dazu, regelmäßig stattfindende Dinge nach einer gewissen Zeit als selbstverständlich zu nehmen und bin dann total enttäuscht, wenn sich jemand auf einmal nicht so verhält wie ich es von diesem Menschen gewohnt bin. Dann mache ich Panik, mache Theater und die Leute ziehen sich ein Stück zurück. Das verunsichert mich dann noch mehr, ich beschwere mich, meine Freunde fühlen sich noch mehr eingeengt und wollen dann erst Recht keine Zeit mit mir verbringen. Dann kommen so Aktionen wie z. B. die Buchung einer gemeinsamen Unterkunft, bei der ich nicht berücksichtigt werde oder die Planung einer privaten Feier ohne mich zu fragen, ob ich auch dabei sein möchte. Wenn ich hinterher davon erfahre, bin ich sauer und mache noch mehr Theater. Das ist ein richtiger Teufelskreis, den ich jetzt unbedingt durchbrechen möchte.

  • Zitat von Reni

    @Hanna: Jeder hat seine eigene Definition des Wortes "Klammern". Ich dachte immer "Klammern" bedeutet, wenn man mit einer bestimmten Person jede freie Minute verbringen will, nichts mehr alleine oder mit anderen Leuten unternimmt, ihm verbietet, andere Menschen zu treffen, ständig anruft und schreibt, manchmal auch mehrere Mails und SMS hintereinander schickt, wenn man noch keine Antwort bekommen hat, usw. So extrem bin ich nicht drauf.


    Ich neige leider dazu, regelmäßig stattfindende Dinge nach einer gewissen Zeit als selbstverständlich zu nehmen und bin dann total enttäuscht, wenn sich jemand auf einmal nicht so verhält wie ich es von diesem Menschen gewohnt bin. Dann mache ich Panik, mache Theater und die Leute ziehen sich ein Stück zurück. Das verunsichert mich dann noch mehr, ich beschwere mich, meine Freunde fühlen sich noch mehr eingeengt und wollen dann erst Recht keine Zeit mit mir verbringen. Dann kommen so Aktionen wie z. B. die Buchung einer gemeinsamen Unterkunft, bei der ich nicht berücksichtigt werde oder die Planung einer privaten Feier ohne mich zu fragen, ob ich auch dabei sein möchte. Wenn ich hinterher davon erfahre, bin ich sauer und mache noch mehr Theater. Das ist ein richtiger Teufelskreis, den ich jetzt unbedingt durchbrechen möchte.


    Ja, es ist immer so eine Sache mit den Begriffen. Kommt dann auch noch immer auf den Kontext an. Auf den einzelnen Sachverhalt. Vor welchem Hintergrund ein Begriff fällt. Ja, so wie Du es oben beschreibst, das ist extrem und so extrem sind wenige Menschen drauf. Klammern kann sich aber auch anders zeigen u. auch subtil.


    Was machst Du denn so, wenn Du "Panik, Theater machst"?


    Das kenne ich aber übrigens: regelmäßige stattfindende Dinge nach einer gewissen Zeit als selbstverständlich hinzunehmen. Und wenn sie schön sind, will man sie natürlich auch nicht mehr missen.....

  • Möchtest du mir verraten, was du unter subtilem Klammern verstehst? Das interessiert mich wirklich sehr.


    Wie mache ich Panik und Theater? Hmmm... also am Anfang bin ich "nur" irritiert und frage die Leute, ob es ihnen gut geht und bei ihnen alles in Ordnung ist. Wenn mir solche Fragen mehrmals bejaht werden und die Verhaltensänderung trotzdem eine Fortsetzung hat, stelle ich sie zur Rede. Leider gelingt es mir selten, diesbezüglich ein klärendes Gespräch zu führen, ohne dass es die andere Seite als Vorwurf auffasst. Egal wie ruhig, nett und sachlich ich bin, es wird in 99% der Fälle als Vorwurf interpretiert. Meine Freunde sind der Ansicht, dass es immer ein Vorwurf meinerseits ist, wenn sie ihr Verhalten in meiner Gegenwart erklären und rechtfertigen müssen. Manchmal mache ich ihnen auch aus meiner eigenen Sicht betrachtet Vorwürfe. Die meisten Leute empfinden einen Vorwurf als übelste Grenzüberschreitung und Verletzung. Ich finde das nicht sooo schlimm, weil meine Eltern mir ständig Vorwürfe gemacht haben und ich es seit meiner Kindheit gewohnt bin.


    Das ist auch der Grund, warum ich damals dem BÄ-ler in der Anfangsphase diesbezüglich keinerlei Grenzen gesetzt habe. Der Mann hat mir permanent unangebrachte Vorwürfe gemacht. Andere Frauen hätten sich an meiner Stelle von ihm zurückgezogen. Ich aber habe ihm mein Verhalten erklärt, weil ich ihm 1.) nicht weh tun wollte, 2.) mir dadurch erhoffte, dass er mich besser verstand und 3.) ihn von der Ernsthaftigkeit meiner Absichten überzeugen wollte. Ich habe mich ihm gegenüber so verhalten, wie es meine Eltern mir beigebracht hatten. Leider habe ich mit damit ein Eigentor geschossen. Damals wusste ich nicht, dass Rechtfertigungen von den meisten Leuten als Schwäche angesehen werden und auf diese Weise seinen Respekt verloren.


    Es kam auch schon mehrmals vor, dass ich meinen Freunden mit sarkastischen Bemerkungen ein schlechtes Gewissen bereiten wollte. Wenn ich z. B. erfuhr, dass es mal wieder ein privates Treffen ohne mich gab, kam von mir ein: "Ach wie schön, dass ich auch gefragt wurde." Das habe ich aber nicht in böser Absicht getan. Ich war einfach sehr verletzt, weil ich ausgeschlossen wurde. Und wenn es dann mehrmals passierte, brachte ich meinen Ärger noch deutlicher zum Ausdruck, wurde laut, heulte und sagte zu meinen Freunden, dass sie gemein und egoistisch seien. Mir tut das jetzt alles so leid. Mir war nicht klar, dass ich mit meinem Verhalten diese Ausgrenzungen provoziert hatte. Vielleicht sollte ich mit einigen Leuten mal darüber reden.

  • Zitat von Reni

    Ich dachte immer "Klammern" bedeutet, wenn man mit einer bestimmten Person jede freie Minute verbringen will, nichts mehr alleine oder mit anderen Leuten unternimmt, ihm verbietet, andere Menschen zu treffen, ständig anruft und schreibt, manchmal auch mehrere Mails und SMS hintereinander schickt, wenn man noch keine Antwort bekommen hat, usw.


    Mal ein Beispiel dafür: ein Freund von mir hat jemanden geheiratet, der seinen vorherigen, langjährigen Lebenspartner an Aids verloren hatte. Dadurch hat er eine extreme Verlustangst entwickelt. Als mein Freund ihn kennenlernte, verlangte dieser von ihm quasi als erstes nicht nur einen Aids-Test, sondern einen kompletten Gesundheitscheck, und zwar in dessen eigener Praxis, damit er die Untersuchung selbst vornehmen und die Ergebnisse kontrollieren konnte. Hat mein Freund alles gemacht. Sein heutiger Mann schlug ihm dann schon nach 3 Monaten eine gemeinsame Wohnung vor, kurz darauf die Heirat. Er schreibt ihm täglich mehrere SMS und kontrolliert, mit wem mein Freund telefoniert, indem er kurz ins Zimmer kommt, wenn das Telefon geklingelt hat und mein Freund sagt dann kurz, mit wem er da gerade spricht. Urlaube gibt es sowieso nur noch zweisam, dabei werden oft Familie und Verwandte des Mannes besucht. (Umgekehrt geht das aber nicht.) Aus meiner Sicht ist das ein skurriles Kontrollverhalten - aus der verständlichen, aber doch übertriebenen Angst heraus, wieder einen Partner zu haben, der fremdgeht, krank wird und stirbt.


    Mein Freund, dem das manchmal auch sehr auf die Nerven geht, sagt dazu, daß die beiden sich anfangs ziemlich gefetzt haben und erst nach viel Reden zusammenrauften. Er mußte lernen, Grenzen zu setzen, und irgendwie scheint es nun zu funktionieren. Der Wille zur Beziehung war auf beiden Seiten da, aber einfach war es nicht.


    Ich beneide ihn darum, jemanden gefunden zu haben, der in der Lage ist, über seine Ängste zu reden und dann eben Lösungen für das Alltagsverhalten zu finden, mit denen beide leben können. Mein Freund ist seinerseits auch nicht einfach vor dem Klammern seines Partners weggelaufen, sondern hat konstruktiv mit ihm über das Problem geredet. (Übrigens waren beide vor ihrer Beziehung mal in Therapien, aus unterschiedlichen Gründen. Das hat sicher auch dazu beigetragen, die Bereitschaft/Fähigkeit zur Auseinandersetzung zu stärken.)


  • Oh, das kenne ich. Man ist es gewohnt, man ist es wirklich gewohnt. Man kennt es nicht anders. Und daher ist es für einen selbst normal. Die eigenen Grenzen wurden jahrelang überschritten. Und man hat dabei das Gefühl verloren, und ist in gewisser Weise abgestumpft. Vorwürfe bekommen ist normal. Ich habe das Jahre lang in einer damaligen Beziehung auch nicht gemerkt, weil ich es kannte aus der Kindheit. Freunde sagten zwar mal "hey, das geht doch gar nicht, wie tritt denn der auf Dir gegenüber", aber das habe ich i-wie "überhört". Erst als ich mich getrennt hatte damals u. ich den ersten Mann danach kennenlernte, fiel mir auf, dass man auch respektvoll und harmonisch mit jemandem in einer Beziehung leben kann :idea: Ja, klar, denke ich auch, da hast Du Dir ein Eigentor geschossen. Und Rechtfertigungen (nicht Erklärungen) werden als Schwäche angesehen, sind sie ja eigentlich auch, oder!? Und wenn viele Deiner Freunde Dir wiederkehrend Grenzüberschreitungen u. eine vorwurfsvolle Art attestieren, wird etwas dran sein.


    Zitat

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    Wenn Du nicht eingeladen warst, gab es Gründe dafür. Haben Deine Freunde dir denn dann auch gesagt, dass Dein Verhalten ursächlich dafür war, oder waren es vllt auch mal andere Gründe? Das verletzt Dich, wenn Du ausgeschlossen wirst, das ist klar. Wenn Du Dich jetzt so verhältst wie beschrieben..... hm..... spätestens dann würde ich auch Abstand nehmen. Du solltest es ruhig u. sachlich mal ansprechen, wobei, ich kann mir denken, dass es Dir schwerfällt, und ob Du dann wirklich ruhig bist, also diese wirkliché innere Ruhe hast, hm, weiß nicht. Aber so klingt es wirklich nach "Theater" u. "Panik". Und schlechtes Gewissen machen wollen, Reni, da würde bei mir JEDER auf Granit beißen. Da wäre sofort - zumindest in der Situation erst mal- ein Cut meinerseits; Manipulation - nein, das geht gar nicht.

  • kowai: Die Geschichte deines Freundes finde ich schon sehr heftig. Ich schaue generell nicht in fremde Handys und Rechner, weil ich das respektlos finde. Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Privatsphäre und das respektiere ich allein schon deshalb, weil ich als Kind und Jugendliche kein Stück Privatsphäre hatte. Meine Mutter hat in meinen Schränken und Schubladen rumgeschnüffelt, meine Briefe und Tagebücher gelesen und ist jedes Mal in mein Zimmer gekommen, ohne vorher anzuklopfen. Wenn ich in einer Beziehung bin, erwarte ich nicht, dass der Partner jeden Urlaubstag mit mir verbringt. Meinetwegen kann er auch mal alleine oder mit Kumpels oder einer guten Freundin verreisen, weil ich eben auch gerne alleine oder mit Freunden Urlaub mache. Was ich mir selbst herausnehme, gestehe ich auch meinem Partner zu. Es ist bewundernswert, wie dein Freund mit dem Verhalten seines Mannes umgeht. Viele andere Männer hätten sich an seiner Stelle längst getrennt.


    @Hanna: Ja, auch meine Grenzen wurden in meiner Kindheit ständig überschritten. Ich hatte lange keine Ahnung von Grenzen, weil dieses Thema in meinem Elternhaus niemals besprochen wurde. Meine Eltern waren der Meinung, dass sie alles mit mir machen konnten, was sie wollten. Ich musste als Erwachsene lernen, meine Grenzen erstmal zu finden und zu spüren. Irgendwann hat der BÄ-ler mit den Vorwürfen aufgehört, als er merkte, dass er damit bei mir nicht mehr durch kam. Aber ich musste erst lernen zu begreifen, dass Vorwürfe eine Grenzüberschreitung sind. Das war mir früher nicht klar, weil es bei mir zu Hause fast täglich der Fall war und ich es für normal hielt.


    Nein, meine Freunde haben nicht gesagt, dass die Ausgrenzung meiner Person von privaten Unternehmungen eine Folge meines Verhaltens war. Es kamen dann immer so Aussagen wie „Es hat sich nicht ergeben“, „Ich hatte keine Zeit, war im Stress“, „Da waren schon so viele Leute, es war kein Platz mehr frei“, usw. Ich mache sicher keinen Terror, wenn Freunde mal ihre Phasen haben, in denen sie zeitlich stark eingespannt sind. Solche Phasen habe ich auch, also gönne ich sie auch meinen Freunden. Nur wenn ich immer wieder mit solchen Zeitmangel-Aussagen abgewiesen werde und dann im Nachhinein erfahre, dass meine Freunde für andere sehr wohl Zeit aufbringen konnten und das nicht gerade wenig, dann ärgert mich das und ich frage sie ganz direkt, warum sie denn für mich keine Zeit hatten, für andere aber schon. Anfangs rede ich wirklich ruhig und sachlich mit ihnen. Die Gespräche enden meistens damit, dass meine Freunde mir versprechen, mich die nächsten Male wieder stärker in ihre Pläne einzubeziehen. Leider ist es mehrmals passiert, dass sie sich an diese Versprechen nicht gehalten und stattdessen wieder andere Leute bevorzugt haben. Und dann konnte ich nicht mehr ruhig bleiben.


    Was bei mir auch ein Problem ist: Wie heißt es so schön, beurteile den Menschen nicht anhand seiner Worte, sondern anhand seiner Taten. Ich nehme die Menschen aber meistens beim Wort (außer natürlich, wenn ich sie als sehr unzuverlässig kennengelernt habe, dann erwarte ich wirklich null von ihnen). Wenn mir jemand das Versprechen gibt, dass ich bei der nächsten privaten Aktivität auf jeden Fall wieder dabei bin, nehme ich das wörtlich und verlasse mich auf diese Aussage. Und wenn ich dann erneut ausgeschlossen werde, ticke ich aus. Mittlerweile glaube ich, dass solche Aussagen oft nicht ernst gemeint sind und meine Freunde das nur zu mir sagen, damit ich Ruhe gebe – so kommt es mir vor.


    Ich hatte übrigens nicht bewusst vor, meine Freunde mit den sarkastischen Bemerkungen zu manipulieren. Das war ein Ausdruck meiner tiefen Verzweiflung und meines Wunsches nach gemeinsamer Zeit mit ihnen. Dass es so bei ihnen ankommt, war nicht von mir beabsichtigt. Ich frage mich ob sich überhaupt noch was machen lässt, wenn ich schon so einen Ruf in der Szene habe und mich viele Leute als stressige, klammernde Nervensäge betrachten…

  • Zitat von Reni

    kowai: Die Geschichte deines Freundes finde ich schon sehr heftig. ...Es ist bewundernswert, wie dein Freund mit dem Verhalten seines Mannes umgeht. Viele andere Männer hätten sich an seiner Stelle längst getrennt.


    Ich finde, es ist ein gutes Beispiel dafür, wie zwei Menschen sich in ihren Ängsten gegenseitig anzunehmen gelernt haben.


    Wenn man zum Klammern neigt, ist das offenbar nicht per se ein Makel, der einen beziehungsunfähig macht, weil man dadurch automatisch jeden in die Flucht schlägt. Es gibt auch Leute, die damit umgehen können. Aber dafür muß geredet werden, und dafür braucht man einen, der Probleme nicht durch Schweigen und Weglaufen "löst".


    Beziehung kann/muß man wohl auch mal ganz unromantisch aushandeln, damit es klappt.

  • Es ist schön, dass dein Freund die Stärke besitzt, um sich mit den Problemen seines Mannes auseinander zu setzen. Meiner Erfahrung nach ist das aber nicht die Regel und die meisten Leute laufen lieber weg, anstatt ein Gespräch zu suchen. Gespräche werden oft als anstrengend empfunden.

  • Ich weiß nicht, Reni, früher habe ich auch so gedacht, weil ich ja immer an Schweiger und Wegläufer geriet. Seit ich letztes Jahr damit angefangen habe, mich mit dieser BA-Thematik auseinanderzusetzen, glaube ich aber nicht mehr, daß das die Regel ist, was ich da ständig erlebt habe.


    Ich habe nämlich einfach mal im Freundeskreis rumgefragt, also bei Freund/innen, die in langjährigen stabilen Beziehungen/Ehen sind, wie das bei denen so war, als sie zusammenkamen, und wie aus ihnen ein festes Paar wurde. Ergebnis der kleinen Umfrage: ALLE haben miteinander darüber geredet, wie sie sich ihre Beziehung vorstellen, was sie sich wünschen, was ihre Ängste sind, wie ihre vorherigen Beziehungserfahrungen waren, ob sie Kinder wollen, gemeinsame Wohnung oder nicht usw. Manche nach wenigen Wochen, andere nach ein paar Monaten. Ich glaube jetzt umgekehrt, daß es ziemlich normal ist, Beziehungs- bzw. Problemgespräche zu führen, und zwar mit dem Ziel, eine Beziehung hinzubekommen. Davon sollte man ausgehen.

  • Ich hatte gerade ein längeres Chatgespräch mit einer Internetbekanntschaft, die ich vor ein paar Jahren in einem Forum kennengelernt habe und die ich noch in diesem Jahr auch mal richtig treffen möchte. Sie meinte genau das, was ich mir schon gedacht habe: Wegen meiner Verlustangst würde ich auf die Leute zu bedürftig rüberkommen und das würde viele vor einer Beziehung oder freundschaftlichen Treffen mit mir abschrecken. Sie kann sich auch vorstellen, dass meine Freunde mir manchmal Besserung versprochen haben, weil sie ihre Ruhe haben wollten und die Aussage in dem besagten Moment gar nicht wirklich ernst gemeint war. Sie glaubt, dass meine Freunde sich durch mein Verhalten teilweise zu diesen falschen Versprechungen genötigt fühlten, sonst hätte ich noch mehr Stress gemacht.


    In der Zeit, als meine Gefühle für den BÄ-ler so stark waren, hatte ich wirklich so gut wie keine Probleme mit Freunden. Das einzige Mal in jedem Jahr, in dem ich etwas quengelig wurde, war Silvester. Ich habe mich vor jedem Jahreswechsel darüber beschwert, dass ich keine Lust hätte, immer alleine oder bei meiner Mutter zu sein. Das hat sie wohl unter Druck gesetzt. Anfangs beschränkten sich unsere Meinungsverschiedenheiten ausschließlich auf Silvester. Irgendwann folgten die ersten leichten Distanzierungen, worauf ich unbewusst den Druck noch ein wenig verstärkte. Und dann wurde ich immer mehr mit Distanz konfrontiert und wurde immer verzweifelter. Mir ist es mittlerweile sowas von egal, ob ich das nächste Silvester mit Freunden verbringe oder nicht… wenn ich gewusst hätte, dass ich mit dem Gemecker Freundschaften aufs Spiel setze, dann hätte ich den Mund gehalten und mich über die anderen schönen Tage gefreut, die wir gemeinsam verbringen.

  • Zitat von Reni

    Ich habe überwiegend Menschen mit BA in meinem Umfeld.


    Ja, aber dann ist es doch klar, daß die meisten davon lieber weglaufen, als sich mit Dir auseinanderzusetzen, oder nicht? Dann kannst Du aber doch nicht glauben, daß ein solches schwieriges Verhalten für den Großteil der Menschheit normal ist, oder habe ich Dich falsch verstanden?


    Dann bräuchtest Du wohl eher ein anderes Umfeld, anstatt Dich so lange an Menschen abzuarbeiten, die eh BA haben und offenbar keine engen Freundschaften können...? Nun verstehe ich gerade das Problem nicht mehr... :think:


    So, wie ich Deine Geschichte gelesen habe, suchst Du Freunde vor allem unter Menschen, die gern miteinander Festivals besuchen. Kann es sein, daß diese Menschen ihre gemeinsamen Aktivitäten gar nicht in erster Linie als Freundschaft verstehen (wollen), sondern eher als lose Interessensgemeinschaft, als eine Art Freizeitclub? Und daß Du, wenn Du dort tiefere Bekanntschaft, gar Freundschaft suchst, die Leute irritierst, weil Du vielleicht einfach nicht an der richtigen Adresse bist?


    Bitte entschuldige, falls das total daneben sein sollte - die Welt der Festivals ist mir fremd, ich habe das jetzt einfach mit Sportvereinen o.ä. verglichen.

  • Zitat von Reni

    zahirch: Hast du diese VA erst gespürt, als der Kommentar mit den Löwen fiel oder auch schon, als deine Eltern ohne dich verreist sind? Ich war als Kind nicht in der Situation, dass beide Eltern ohne uns Kinder Urlaub gemacht haben. Mein Vater ist zwar manchmal mit anderen Personen auf Heimatbesuch gefahren, aber meine Mutter war immer bei uns. D. h. es gab nur einmal den Fall, als meine Eltern zwecks Ernte im Herbst in die Heimat mussten. Mein Bruder durfte mit, weil er noch im Kindergarten war. Ich ging in die Grundschule, hatte Unterricht und wurde während dieser einen Woche bei Freunden untergebracht. Das hat mir aber nichts ausgemacht. Allerdings hatte ich in der Schulzeit mal eine Freundin, deren Eltern fast immer ohne die Kinder in den Urlaub fuhren. Sie hat ihre Eltern total bewundert und wollte jede Sekunde mit ihnen auskosten, weil sich ihre Eltern nicht so sehr um sie gekümmert haben.


    ich war damals noch zu klein, um mich überhaupt daran zu erinnern.
    ich denke aber so im rückblick, dass das möglicherweise einer der gründe für meine verlustangst war.
    bestimmt nicht der einzige. es ist vermutlich zufall, aber eine meiner ersten erinnerungen ist die, dass ich beim spielen bei mich betreuenden nachbarn so doof gestürzt bin, dass mir nachher eine kopfwunde genäht werden musste.
    ich will das jetzt auch nicht überbewerten, meine eltern waren sicher in den allermeisten (not)fällen für mich da.

    Spock: You mistake my choice not to feel as a reflection of my not caring, while I assure you the truth is precisely the opposite.
    (Star Trek Into Darkness)

  • Zitat von kowai

    Ja, aber dann ist es doch klar, daß die meisten davon lieber weglaufen, als sich mit Dir auseinanderzusetzen, oder nicht? Dann kannst Du aber doch nicht glauben, daß ein solches schwieriges Verhalten für den Großteil der Menschheit normal ist, oder habe ich Dich falsch verstanden?


    Ich habe nur eine "richtige" Freundin ohne BA. Und mit ihr kann ich über alle Themen offen reden. Sie ist kein Mensch, der vor Problemen wegläuft.



    Zitat von kowai

    Kann es sein, daß diese Menschen ihre gemeinsamen Aktivitäten gar nicht in erster Linie als Freundschaft verstehen (wollen), sondern eher als lose Interessensgemeinschaft, als eine Art Freizeitclub?


    Doch, die Leute dort betrachten sich überwiegend schon als Freunde und nicht als Interessensgemeinschaft. Aber die meisten Menschen in dieser Szene führen ihre Freundschaften anders, als man es im herkömmlichen Sinne kennt. Ich darf von ihnen nicht viel erwarten. Natürlich gibt es in der Szene auch Leute ohne BA und mit denen ich Kontakt pflege.