Bindungsangst besser verstehen und einen Umgang damit finden
Haben Sie das Gefühl, dass die Angst vor zu großer Nähe in Ihrer
Beziehung eine Rolle spielt? Sehr häufig leiden Beziehungen unter
der Angst eines Partners oder auch beider Partner, sich zu sehr
festzulegen und zu binden.
Die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen aufzubauen, sich in einer
Beziehung sicher und geborgen zu fühlen und auch dem Partner
Sicherheit zu vermitteln, ist eine psychische Ich-Funktion und wird
schon in der allerfrühsten Kindheit entwickelt und gefördert in der
Mutter-Kind Beziehung. Die Bindungsfähigkeit reift, wenn das Kind
sich in der Beziehung gesehen, geschützt und wohl fühlen kann. Wenn
es die Sicherheit bekommt, dass auf seine Bedürfnisse eingegangen
wird und es nicht alleine gelassen wird.
Wenn Kinder diese Erfahrung nicht machen können, oder aber nicht
ausreichend, aber auch wenn man im Erwachsenenalter viele unsichere
und schlechte Erfahrungen in Beziehungen erlebt, entsteht daraus
eine Angst, die verhindert, dass Menschen vertrauensvolle,
intensive und verbindliche Beziehungen aufbauen können.
In diesem Fall sprechen die Fachleute von "Bindungsangst".
Als Bindungsangst bezeichnet man eine intensive und nachhaltige
Angst, eine enge Beziehung zu einem Partner einzugehen. Beziehungs-
und Bindungsfähigkeit sind Eigenschaften, oder besser, psychische
Funktionen, die notwendig sind um sich auf stabile, innige
Beziehungen zu anderen Menschen einlassen zu können. Ist die
Bindungsfähigkeit nicht ausreichend stabil, führt dies immer wieder
zu Beziehunsschwierigkeiten mit anderen Menschen.
Die Ursachen hierfür liegen, wie oben erwähnt, meist in der frühen
Kindheit:
Verlust einer Bezugsperson, der unerfüllte Wunsch nach Nähe und
Geborgenheit , Konflikte der Eltern, oder aber insgesamt in dem
Vorbild der elterlichen Beziehung. Leben die eigenen Eltern selbst
eine distanzierte Partnerschaft oder haben eine sehr distanzierte
Beziehung zu ihrem Kind, lernen die Kinder, sich in der gleichen
Art und Weise anderen gegenüber zu verhalten und tragen dies eben
auch im Erwachsenenalter mit in ihre Beziehungen.
Das Selbstwertgefühl von Menschen mit Bindungsängsten ist häufig
sehr gering. Sie haben eine negative Einstellung zu sich selbst.
Sie schützen sich, indem sie niemanden wirklich an sich
heranlassen, denn jemanden zu lieben, bedeutet, sich verletzbar zu
machen. Und häufig ist es genau das, was so furchtbar große Angst
macht,- verletzt zu werden. Und so wird der Wunsch nach einer
engen, vertrauten Beziehung oft abgewehrt.
Menschen mit Bindungsängsten haben aufgrund alter Verletzungen Angst
vor Enttäuschungen. Ihre Unabhängigkeit und Selbständigkeit ist ihnen
enorm wichtig und sie haben große Angst vor dem Verlust "ihrer
persönlichen Freiheit" - insofern ist zu verstehen, dass zu viel
Nähe diesen Menschen Angst machen muss! Des Weiteren kann
Bindungsangst sich in mangelndem Verantwortungsbewusstsein
gegenüber Familie und Freunden äußern und zu einem introvertierten
Lebensstil führen.
Einige Merkmale bei Menschen mit Bindungsängsten sind:
- Der Umgang mit Gefühlen und das Ansprechen von Gefühlen
fallen schwer.
- Angst vor Entscheidungen und Zukunftsplanung
- Unverbindlichkeit
- Rückzug aus intensiven Beziehungen
- Häufig wechselnde Partner
- Emotionale Nähe und Rückzug wechseln sich ab
- Hohes Sicherheitsbedürfnis
Erinnert Sie das an Ihr Beziehungsverhalten oder das Ihres
Partners? Dann lassen Sie uns nun betrachten, wie Sie damit umgehen
können mit einem Partner, der unter Bindungsängsten leidet - oder
aber was Sie tun können, wenn Sie selber Angst haben, sich auf eine
feste und intensive Beziehung einzulassen.
Es ist wichtig, überhaupt einmal zu wissen, dass man unter solchen
Ängsten leidet, und dass Sie damit nicht alleine dastehen. Es ist
gut, um die Problematik zu wissen und ein Verständnis für sich/
oder aber den Partner zu entwickeln, und einen Zugang zu den
Ursachen der eigenen Ängste zu bekommen.
Wenn Sie verstehen, woher diese Ängste kommen, können Sie ganz anders
damit umgehen und sind bereit, sich auf neue und andere Erfahrungen
einzulassen.
Es ist wichtig, sich auf neue, positive Erfahrungen mit Partnern
einlassen zu können. Die Erfahrung zu machen, dass Sie so
angenommen werden, wie Sie sind - oder eben aber dem Partner,
welcher Angst hat, zu zeigen, dass Sie ihn so annehmen, wie er ist.
Es gilt insgesamt bei Menschen mit Bindungsängsten, dass es um das
Erfahren und Spüren neuer Beziehungserfahrungen geht. Um Respekt,
Wahrnehmung, Achtsamkeit und insbesondere um das Aufbauen von
Vertrauen. Und es ist verständlich, dass es für das Aufbauen von
Vertrauen, um das Loslösen von alten, verletzenden und
enttäuschenden Beziehungserfahrungen viel Zeit und Behutsamkeit
braucht. Daher ist es wichtig, in einer Beziehung mit einem
Menschen, der Angst vor Bindung hat, nichts zu fordern oder zu
erwarten, sondern ihm Zeit zu geben, die Beziehung zu Ihnen nicht
mehr als bedrohlich zu erleben.
Es ist wichtig, ein Verständnis für den Partner, oder aber für sich
selbst aufzubauen. Es liegt nicht an Ihnen als Partner, dass der
Freund/ die Freundin sich nicht einlassen können, Angst bekommen
oder den Rückzug antreten. Er oder Sie "stellt sich nicht an" oder
handelt aus Absicht. Tatsache ist, dass Menschen, die unter
Bindungsängsten leiden, keine guten, sicheren Erfahrungen machen
konnten in ihrer Kindheit, und insofern auch nie lernen und spüren
konnten, wie eine gute, intensive und sichere Bindung sein kann.
Die Ängste, die sie erleben, sind durchaus ernst zu nehmen und
behutsam mit ihnen umzugehen.
Wenn Sie es schaffen, dem Partner das Gefühl von Sicherheit zu
geben, eine vertrauensvolle und verständnisvolle Beziehung aufbauen
und ihn nicht fordern, sondern mit seinen Ängsten wahrnehmen,
schaffen Sie einen Basis, um neue, gute Erfahrungen zu machen und
mit Ruhe und Zeit Gemeinsamkeit aufzubauen.
Wenn Sie also das nächste Mal spüren, dass gerade Bindungsangst den
Kontakt zu Ihrem Partner schwierig macht, dann denken Sie an diese
Zeilen. Betrachten Sie die Situation in einem milderen Licht,
anstatt mit heftigen Forderungen nach Nähe oder nach Abstand Ihren
Partner zu verschrecken. Oft lässt sich an dieser Stelle bereits
durch kleine Änderungen ganz viel erreichen, vor allem ein frischer
und liebevoller Umgang mit Ihrem Partner.
(zitiert aus Das Beraterteam)