Hat jemand seine Bindungs-/Verlustangst überwunden?

  • Hallo Ihr Lieben!


    Ich war Anfang Dreißig als mir aufging, dass ich Bindungs- und Verlustängste habe. Seitdem (5 Jahre) habe ich mich viel mit mir und dem Thema beschäftigt, aber festgestellt, dass die Erkenntnis und das Verständnis der Zusammenhänge keine wirkliche Veränderung für mich herbeigeführt haben. Leider. Nun will ich eine Therapie machen. Ich merke das ich schon über Tablettenmißbrauch nachdenke und das kann nicht sein! Ich muss verhindern so verzweifelt zu sein, dass ich mein Heil in Tabletten suche. Ich will ein glückliches Leben führen und mich nicht noch mehr fertig machen.


    Ich will alles tun was ich kann, aber nicht immer wieder die Erfahrungen machen, zu denen diese tief sitzende Angst einen zwingt.


    Hat jemand von Euch seine Ängste abgelegt oder seine Situation stark verbessern können und wenn ja: Wie habt Ihr das gemacht? Was hat Euch geholfen und wie lebt Ihr heute? Ist die Angst weg oder habt Ihr sie besser im Griff? Habt Ihr einen Partner gefunden mit dem Ihr eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen konntet?


    Danke für Eure Hilfe.

  • Hallo rafaela,


    habe auch ba, die leichte form, aber unangenehm genug. Kann einem das ganze leben vermiesen. Weiß seit jahren, daß ich ba habe und woher es kommt. Hab es aber leider noch nicht in den griff gekriegt. Habe mir strategien zum besseren umgang mit ba überlegt, aber da ich momentan single bin, ist das zur zeit eher so ne art trockentraining. Obs in der praxis funktioniert, weiß ich noch nicht.


    welche art von tabletten willst du denn nehmen? ich hab z. b. psychopharmaka immer abgelehnt. Ich will ja mein problem lösen und nicht betäuben.


    Wie wirkt sich bei dir ba aus? Wie verliefen deine letzten beziehungen? Wir können uns gern drüber austauschen, würd mich freuen. Aber leider kann ich nicht mit einer erfolgsmeldung weiterhelfen.


    Lg
    Mary

  • Hallo Mary,


    schön dass Du antwortest. Tja, ich kann nicht mal sagen wie "schwer" es bei mir ist, aber ich will wirklich nicht mehr so weitermachen. Ich habe Bindungsängste wenn mir jemand zu nahe kommt. Das kann zu Beginn einer Beziehung schon mal aufkommen, aber verfliegt meist schenll wieder und äußert sich einfach nur in seltsamen Gedanken und Gefühlen. Wobei...ich kann schon auch mal heftig reagieren, wenn ich unvermittelt und in der falschen Stimmung stürmisch körperlich berührt werde. Damit ist jetzt nicht mal Sex gemeint. Umarmungen. Dann kann ich kurz sehr heftig reagieren, das passiert aber so schnell, dass ich es nicht steuern kann. Hinterher ist es dann gleich wieder gut. Ich kann mich z.B. dann kaum erinnern, was genau ich gesagt habe als ich so ausgeflippt bin.


    Das habe ich leider festgestellt als ich nach 5 Jahren des nurmitmirseins wieder eine Beziehung hatte, die in den ersten drei Monaten gut anlief. Ich habe mich so gefreut, konnte es kaum fassen. Leider hat er auch Bindungsangst (wie ich jetzt weiß) und dann machte es PENGPENG - TOT. In rasender Geschwindigkeit. Nun haben wir keinen Kontakt mehr und ich bin enttäuscht von ihm, mir selbst und will mich einfach nicht mehr wiederholen. Dann als Schluss war...schon als es so aussah...Verlustängste, Panikattacken. Und die Überlegung Lorazepam zu nehmen um das nicht mehr ertragen zu müssen, was da mit dem Körper passiert. Den "Kater" danach. Ich möchte das auch nicht, ich will mein Problem auch lösen und nicht abhängig werden. Aber solche Angst stehe ich vielleicht nicht immer und immer wieder durch.


    Ich kriege das immer wenn ich stehengelassen werde, weiß es ist was nicht in Ordnung, der andere entzieht sich aber, etc.
    Wenn alles gut läuft verliere ich einfach nur das Interesse und bin weg. Im Grunde genauso herzlos wie ich selbst nicht behandelt werden möchte.
    "Toll", nicht wahr? Ich kann mich nur selbst hassen, sabotieren, will das aber gar nicht. Ich will ein glücklicher Mensch sein, der sich geliebt fühlt.


    Ich weiß auch woher das alles vermutlich kommt, aber werde ich das jemals überwinden können? Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, das Loch innen drinne ja nicht stopfen.


    Wie ist es bei Dir? Was machst Du für Übungen? Ich glaube es wäre z.B. wichtig sich entspannen zu können, damit man nicht unter Stress reagiert. Die Reaktionen sind ja meistens die Schlimmsten.

  • Hallo rafaela,

    Zitat


    seltsamen Gedanken und Gefühlen.


    Das ist es bei mir auch oft. Manchmal das gefühl, einfach nur weglaufen zu wollen. Dann auch mal wieder körperliche symptome wie übelkeit. Oder ich fühle mich einfach nur irgendwie unwohl, so ganz diffus.

    Zitat

    das passiert aber so schnell, dass ich es nicht steuern kann.


    So ähnlich passiert mir das auch. Ich bemühe mich manchmal monatelang um jemand, und wenn er dann endlich positiv auf mich reagiert, sage oder mache ich was so blödes, das der anderen garantiert nichts mehr mit mir zu tun haben will. da reagiere ich dann wie so ne zicke, obwohl ich definitiv keine bin. und das ganze auch so schnell, daß ich oft denke, wer hat da jetzt gehandelt. Das war doch gar nicht ich. Da hat irgendwer durch meinen körper durch was gemacht. Oft ne minute später weiß ich, daß ich mist gemacht habe, aber dann ist es schon zu spät. Allerdings erinnere ich mich dann sehr wohl, was ich für nen mist gemacht habe. und würde mir am liebsten selbst eine runterhauen.


    Auch meine letzte beziehung war mit nem bä (bindungsängstlichen). Also ich kenne das ganze auch von beiden seiten aus. Wir hätten so gut zusammengepasst. Aber unsere ängste standen zwischen uns wie ne unüberwindliche mauer. Und das ärgert mich so. warum geht was nicht, was normalerweise gute chancen zum gelingen hätte?


    Was genau ist lorazepam? Ein antidepressivum oder ein psychopharmaka? Ich nehme so was nicht, weil da als nebenwirkung übelkeit und erbrechen drauf steht. Und ich psychosomatische magenprobleme habe. mir ist oft genug auch so übel, wenn mir was unangenehmes auf den magen schlägt. Lieber ba als übelkeit. Aber ich denke, psychopharmaka und beruhigungsmittel sollte man durchaus als hilfsmittel in betracht ziehen, wenn es gar nicht mehr anders geht. So schlimm wars bei mir gott sei dank noch nie. Ich habs immer mit viel viel heulen, jammern usw hingekriegt.


    Und was mir am besten hilft: nette freunde, bei denen ich auch mal jammern kann, ohne gleich verurteilt zu werden. Die mich trösten, ablenken. Das ist das a und o. hast du gute freunde oder verwandte, die dich in deinem kummer auffangen?


    Ich hasse mich nicht, ich ärgere mich nur oft über meine „blödheit“. Du solltest dich auf keinen fall hassen. Wir haben eben ein größere macke. Und sollten alles mögliche probieren, um das in den griff zu bekommen.


    Meine kindheit war auch nicht so toll. Ich hab ne riesenwut auf meine eltern. Wegen denen geht es mir jetzt so. aber da kann man nachträglich nichts mehr ändern. Ich versuche einfach, ba in den griff zu bekommen, und mein leben gut zu gestalten.

    Zitat

    das Loch innen drinne ja nicht stopfen.


    Genau dieser satz bewegt mich zur zeit auch oft. Bin im moment grad in so ner umbruchsphase. Und mein innerliches chaos drückt sich auch im außen aus. Ich hab ein zimmer aufgeräumt und ne stunde später sieht es wieder aus wie schweinestall. Wie kann ein single wie ich nur allein so ne riesenunordnung produzieren? Da hab ich mal interessehalber bei wikipedia unter „messie“ nachgeschaut. Die haben ja auch ein problem mit ordnung. Und da stand der satz: „löcher in der seele stopfen“


    Ich will eine beziehung, darf ruhig auch an der sehr langen leine sein, mit viel freiraum, man muß sich gar nicht so oft sehen. Nur treue ist mir sehr wichtig. Aber wenn ich ein einigermaßen passendes exemplar finde, bekomme ich ba. Außer bei meinem letzten ex, aber der hat ja den sicherheitsabstand eingehalten, den ich so dringend brauche.


    Entspannung ist sicher sehr gut. bei jedem problem. Aber ich versuche zur zeit einfach nur mein chaos einzudämmen. Arbeit, haushalt, wirbelsäulenprobleme, kaputte elektrogeräte und was einem sonst noch so an widrigkeiten im leben widerfährt auf dem laufenden zu halten. Und ich gehe gerne in der natur spazieren und mache ausflüge, wenn ich zeit hab. das hilft mir, zu entspannen.


    Ansonsten versuche ich einfach, bei der partnerwahl einen mann zu finden, der treu ist, aber sehr viel freiheit und genug distanz braucht, daß ich keine ba-attacken mehr bekomme.bin ja mittlerweile schon fast 3 jahre single, hab mich auch immer wieder mal mit wem getroffen, aber noch nicht den passenden gefunden oder ba bekommen je nachdem. Und meinen ex, den ich gerne wiederhaben will: keine ahnung, wie ich das anstellen soll, daß wir noch einen 2. versuch wagen würden. Ist auch eine sehr verfahrene situation. Mittlerweile hab ich nicht nur mehr ba, sondern auch eine „verstandesmäßige“ angst, was bei einer beziehung so alles schief gehen könnte. Also angst nicht nur als gefühl, sondern als ganz nüchternen gedanke. Auch mal was interessantes, damits nur ja kompliziert genug bleibt.


    Hast du noch andere ängste oder psychosomatische beschwerden? Was hast du schon an techniken probiert?


    Schönen abend noch und lg.
    Mary

  • Hallo Rafaela, hallo Mary!


    Zitat von RafaelaSpaeth

    Ich kann die Zeit nicht zurückdrehen, das Loch innen drinne ja nicht stopfen.


    Wenn Euch seelische Verletzungen belasten, dann könntet Ihr überlegen, ob eine Traumatherapie für Euch das Richtige sein könnte. Bei einem Trauma entstehen Verknüpfungen im Gehirn, die sich oft auch mit allergrößtem Willen nicht ändern lassen allein durch Versuchen oder übliche Gespräche (die aber auch schon viel bringen können, aber oft allein nicht reichen). Da setzt die Traumatherapie an, v. a. EMDR hat sehr gute Erfolge. Es setzt sich erst seit wenigen Jahren immer mehr durch. Ich wünschte, meine Therapeutin hätte es schon gekonnt als ich noch jünger war, vielleicht hätte ich dann jetzt Familie. So hat mir die bisherige Therapie sehr geholfen und ich bin sehr froh, sie gemacht zu haben, doch kann ich erst nun EMDR beginnen und damit hoffentlich noch einiges Belastende stärker angehen als bisher. Doch das EMDR wird erst allmählich bekannter. Ich würde es nur bei einer psychologischen Psychotherapeutin machen lassen, nicht von einem Heilpraktiker, da eine psychologische Psychotherapeutin eine viel fundiertere Ausbildung dazu hat. Denn dass die Therapeutin gut stabilsieren kann, das ist enorm wichtig dabei - und dass es eine Therapeutin ist, zu der die "Chemie" stimmt.


    Ich halte Traumatherapie bei BA oder VA für das Wichtigste, wenn seelische Verletzungen die Ursache sind (was meistens der Fall sein dürfte). Ergänzend kann man ja schauen, was einem noch gut tut: Entspannungsverfahren, eine körperbetonte Therapie (Tanz-, Bewegungstherapie, aber auch Yoga oder Qui Gong), ich finde aber Freunde, ein Hobby oder Ehrenamt und alles, was sonst noch gut tun kann, ebenso wichtig ergänzend.


    Zum Weiterlesen: http://www.emdria.de/emdr/emdr-therapie/ (auf der Seite gibt es auch eine Therapeutensuche)


    Viele Grüße
    Mawa

  • Hallo mawa und rafaela,


    Mawa: hab mir mal den link durchgelesen über emdr. Und auch mal paar beiträge angeschaut, die du so geschrieben hast. Du hast ja auch irgendwie so bisschen ba, oder? Aber zumindest andere ängste. Kommen diese ängste bei dir aus der kindheit, oder durch spätere verletztungen?


    Hab auch mal gelesen, daß bei einer schlechten kind-bezugsperson-beziehung da irgendwelche verknüpfungen im gehirn anders oder gar nicht hergestellt werden. Aber wie bei emdr durch augenbewegungen irgendwelche verknüpfungen wieder gelöst werden sollen, hört sich für mich auf den ersten blick sehr abstrakt an. hast du da irgendwelche hintergrundinfos, was genau dabei passiert?


    Mawa: Wie viele sitzungen emdr hast du gebraucht, bis du einen fortschritt bei dir gesehen hast? Was genau hat sich bei dir verbessert? Zahlt emdr die krankenkasse?


    Ich habe für mich schon rausgefunden, daß alle therapien, die irgendwie in der kindheit rumwühlen, eine verschlechterung bei mir auslösen. Also diese klassische geprächstherapie, wo die kindheit aufgearbeitet werden soll oder arbeit mit dem inneren kind wirft mich nur um längen zurück. Die arbeit mit dem inneren kind könnte ich mir als gut vorstellen, wenn ich das bisschen abwandle: der ängstliche teil von mir als junge erwachsene und der „erwachsene“ teil von mir als ältere person mit viel positiver lebenserfahrung.


    Ich suche auch im leben gerne frauen als freundinnen, die älter sind als ich und kinder haben. Von denen kann ich dann mütterliche ratschläge annehmen usw. die mutter meiner freundin ist mir das so eine art mutterersatz geworden. Normalerweise tue ich mir schwer, von anderen was „anschaffen“ zu lassen, aber von ihr lasse ich mir gerne ratschläge geben.


    Ich habe diese therapieformen mit rumwühlen in der kindheit schon ca 5x probiert, aber bei mir ist jedes mal eine deutliche verschlechterung eingetreten. Aber jeder reagiert eben anders. Und ich probiere gerne mal was neues aus, so schnell gebe ich nicht auf. Mehr wie schief gehen kanns ja nicht, einen versuch ist es allemal wert.

    Zitat

    ich finde aber Freunde, ein Hobby oder Ehrenamt und alles, was sonst noch gut tun kann, ebenso wichtig ergänzend.


    Da hast du vollkommen recht, freundschaften sind eine sehr wichtige stütze für mich. Als hobby helfen mir spazieren gehen oder naturvorgänge beobachten sehr gut zu entspannen (außer ich bin komplett durch den wind). Auch lesen. Außerdem habe ich zimmerpflanzen, an denen ich viel freude habe, wenn da mal wieder ein neues blatt oder blüte oder so entsteht. Und meine 2 kleinen vögel, die mit ihrem beruhigenden gequatsche oder einfach mit ihrer lebendigkeit dazu beitragen, daß ich mir nie einsam vorkomme.


    Als nächstes ziel, wenn mein zeitmanagement mal wieder klappt (ist nämlich momentan ein chaos bei mir) habe ich mir eine mitgliedschaft beim vogelschutzbund vorgenommen. Nette menschen kennenlernen. Und vögeln etwas gutes tun, zu beschützen. Das gibt sicher auch erfüllung und freude und ganz nebenbei hat man auch den vögeln eine gute tat erwiesen.


    Überhaupt empfinde ich zuneigung zu lebewesen, sei es menschen oder tiere, als sehr beglückend. Ich freue mich sicher auch über materielle dinge, aber das kann nie die zufriedenheit und das glück erreichen, das die zuneigung und zurückbekommen der zuneigung zu einem mensch oder tier auslöst. Geht es euch forumsmitgliedern da genauso?


    Lg
    Mary

  • Ich habe meine Verlustangst "gefühlt" überwunden. Ob dem tatsächlich so ist, wird sich in der nächsten Beziehung zeigen. Aber ich fühle mich auf jeden Fall von dem Schmerz der VA befreit.


    Mein Thema ist transgenerationale Weitergabe. Hat auch was mit Neuronen-Spiegelung und extremer (emotionaler) Nähe zu meiner Mutter zu tun. Ihr Schmerz wurde meiner (Projektion / Introjektion). Ihre Traumata wurden meine Traumata.


    Habe ich erst durch ihren Tod auflösen können. Als ob ich einen Teil ihres Schmerzes übernommen habe, um sie zu entlasten - und mit ihrem Tod löste sich auch dieser Schmerz auf.


    Hohe Empathiefähigkeit und Hochsensibilität meinerseits und mit Verlust behaftete Erlebnisse als Säugling und Kind sowie zuvor beschriebenes führten zu einer ständig präsenten VA, die durch die Beziehung mit meiner BA-Ex enorm getriggert wurden und auf Erlösung drängten.


    Die größten Schmerzen in meinem Leben wurden mir von Frauen zugefügt - und gleichsam haben mir zwei dieser Frauen - indirekt - die richtige Richtung gedeutet, wie ich ihn auflösen bzw. erlösen kann.


    Zwei abgeschlossene und eine laufende Therapie waren / sind dabei hilfreich.


    Meditation trägt ein Weiteres dazu bei, ebenso innere Kind Übungen. Wichtigste Erkenntnis für mich, den Schmerz kommen lassen, ihn begrüßen, ihn umarmen und dann wieder verabschieden. Und für mich hat er einen großen Teil seiner Macht über mich verloren.


    Was auch interessant ist: Zu Hitlers Zeiten gab es das Buch "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind". Daran wurde perfekt beschrieben, wie man ein Kind bindungslos/-unfähig/-ängstlich macht. Hart wie Krupp-Stahl und ohne eigenen Willen sollte der perfekte Soldat geformt werden, die perfekte Mutter. Von Liebe weit und breit keine Spur, nur Entfremdung. Dieses Buch wurde bis 1986 aufgelegt. Es hat also seine verheerende Wirkung über Jahrzehnte fortpflanzen können in den Köpfen der Mütter / Töchter / Großmütter. Der Drill väterlicherseits wurde an die Kinder weiter gegeben.


    Und alles hat noch bis heute seine Auswirkungen (Kriegskinder / Kriegsenkel). Vielleicht für den ein oder anderen hier im Forum interessant, um seine Vergangenheit diesbezüglich mal zu durchleuchten. Und die letzten Überlebenden des Krieges wollen mittlerweile auch reden, Erlösung finden. Wer die Chance hat, sollte es versuchen. Mir hat es viel Klarheit gebracht - und Verständnis für meine Mutter - die letztendlich Opfer des Krieges und seiner Schrecken war.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Mawa: Warum bist Du mit Deinem Ex nicht mehr zusammen? Deine BA hat er nicht provoziert schreibst Du. Was ist passiert?


    Lorazepam ist ein Benzodiazepin und wirkt angstlösend. Würde es nicht süchtig machen, wäre es "die Lösung". Natürlich ändert es nichts an den Ursachen, aber man fühlt die Angst nicht mehr. Und ich hatte Panikattacken über Stunden, dachte ich muss sterben. Einerseits denke ich: Ich kann das nie wieder riskieren, ich halte dieses Gefühl nicht aus. Und ich denke dann wieder: Ich lebe ja noch. Wenn ich sowas grauenvolles überstehe, wovor sollte ich mich denn dann noch fürchten? Ich kann mich nicht für eine Haltung entscheiden. :)


    Abgesehen von der Verlsuangst habe ich nur Höhenangst und knirsche mit den Zähnen, ein bißchen Probleme mit der Haut, wenn ich Stress habe. Sonst geht es mir gut.

  • Hallo Rafaela, Mary und Ratsuchend!


    Zur Wirksamkeit des EMDR ist hier etwas nachzulesen:
    http://www.wbpsychotherapie.de/page.asp?his=0.1.17.55.56
    http://www.traumatherapie.de/users/schubbe/schubbe2.html
    http://www.emdr-akademie.de/emdr/wirkung/index.html
    http://www.martinsack.de/emdr/
    Es werden "eingeschliffene" Nervenverbindungen aufgelöst und neue Nervenbahnen werden geknüpft. Das passiert, indem der Stress (durch die Angst, Ohnmacht, Wut, Verzweiflung...), den man beim Erinnern an das Trauma erlebt, reduziert wird. Das geschieht, indem der Therapeut vorher sehr stabilisierend gearbeitet hat, durch die Augenbewegungen oder anderes, was das Zusammenarbeiten beider Gehirnhälften stimuliert und indem für das Leben heute Alternativen herangezogen werden.


    Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Therapie, die nicht stabilisierend genug ist, immer wieder es nur verschlimmert, wenn dann über das Trauma gesprochen wird. Waren das denn Therapeuten, die auf Traumatherapie spezialisiert waren, Mary? Und hast Du zu ihnen Vertrauen gehabt, haben sie Dir genug Sicherheit dort geben können?


    EMDR fange ich gerade erst an, bin da erst in der vorbereitenden Stabiisierung. Habe mich aber viel mit beschäftigt und kann mir das sehr, sehr gut vorstellen, dass es hilft. Und ich vertraue da auch sehr meiner Psychologin, die ich schon lange kenne, die das EMDR aber erst in den letzten Jahren gelernt hat (es setzt sich ja erst in der letzten Zeit durch). Sie hat mir auch zuvor schon sehr geholfen und unser Kontakt ist sehr gut. So habe ich schon viel geschafft durchzustehen an Schicksalsschlägen und auch mir mehr zuzutrauen, selbstbewusster zu werden, weniger Angst zu haben. Auch wenn eben immer noch Ängste da sind, v. a. eben die VA.


    BA hatte ich. Hat sich bei mir so ausgewirkt, dass ich gar nicht erst mich nach einer Beziehung umgeschaut habe. Schon lange Verhaltenstherapie gemacht. Mich verliebt und am Anfang ziemliche Angst gehabt und bin einige Male weggerannt bis er mir sagte, dass ihm mein Wegrennen Angst mache. Ich war weggerannt, weil ich unsicher war, nicht genug Selbstvertrauen hatte, gemocht werden zu können - Angst machen wollte ich ihm nicht und war darüber erschrocken. Ab da bin ich nie wieder weggerannt, auch wenn ich anfangs dachte, ich schaffe das nicht, hat das sehr gut geklappt, dass ich blieb ohne Angst, er würde mich nicht mögen. In der allerersten Zeit hat mir dabei der Gedanken geholfen: "Ich laufe doch nicht weg aus Angst, dass er mich nicht mag. Wenn er keinen Kontakt möchte, muss er das sagen. Ich mag den Kontakt zu ihm, also bleibe ich." Das ist generell eine Einstellung, die ich mit der Zeit immer mehr gewinnen kann auch anderen Menschen gegenüber, dass ich nicht aus Angst eine erwartete Entscheidung vorwegnehme, sondern mir selbst ein Stopp setze und mir sage, es liegt doch in ihrer Verantwortung zu sagen, was sie wollen und was nicht und ich konzentriere mich darauf, was ich möchte und was nicht. Damit klappt vieles besser.
    Am Anfang hatte ich auch manchmal Angst, weil er so unheimlich viel Wissen hat, ob ich mithalten kann, doch ich habe gemerkt, dass er sich so, wie ich bin (und ich bin auch nicht gerade auf den Kopf gefallen) okay bin für ihn und dass wir uns über ganz vieles sehr intensiv und viel austauschen können. Hatte auch Ängste, weil er deutlich älter ist als ich - habe anfangs sogar geweint, wie ich das nur machen kann, mich in jemanden zu verlieben, der älter ist und habe dann diese Einstellung von mir gründlich hinterfragt. Heute ist für mich das Alter (unabhängig von ihm) nicht mehr relevant: Wenn's gleichaltrig ist, ist es gut, wenn Altersunterschied, ist es auch gut - wichtig ist anderes und dass es auf Augenhöhe ist. Ich bin, weil mir die Beziehung sehr wichtig ist und weil ich durch Therapie schon weit genug war, da durch einige Ängste von mir sehr hindurchgegangen und konnte an ihre Stelle mehr Vertrauen und Selbstbewusstsein setzen. Klar bin ich noch unsicherer als andere, doch da kenne ich mich gut genug um zu wissen, dass ich nicht mehr wegrennen aus BA oder es vermeiden würde, sondern es wagen würde. Doch ein gutes Stück VA liegt noch vor mir. VA war schon immer mein viel größeres Problem. Und die VA ist noch da. Kann in manchem besser schon damit umgehen, z. B. nachfragen dann oder abwarten und mich ablenken und nicht immer gleich vom Schlimmsten ausgehen. Aber da habe ich noch einiges vor mir, was ich eben durch EMDR auch schaffen möchte.


    Der Kontakt ist abgebrochen, weil ich ihm zu nah gekommen bin und er mir zu ambivalent sich verhielt. Er rannte vorher schon mehrmals weg. Ich denke, dass er BA hat und sich ab und an zumindest auch bewusst ist, dass VA dahinter steckt. Eine Freundschaft würde ich mir wünschen, dass wir diese hinbekommen. Sollten wir es schaffen, wieder in Kontakt zu kommen, sehe ich für eine Freundschaft eine gute Chance.


    Ratsuchend, darf ich fragen, wie sich der Schmerz, den Du von Deiner Mutter übernommen hast, sich mit ihrem Tod auch mit auflöste in Dir? Das betrifft mich nicht, aber ich kenne einige Menschen, die so wie Du das Trauma übertragen bekamen bei großer Nähe, die aber nach dem Tod des Elternteils weiter darunter leiden, da sie schmerzt, dass die Angst / der Schmerz ihr Elternteil bis in den Tod begleitete und sie ihnen ein glücklicheres Leben gewünscht hätten. Und auch, weil sie Schuldgefühle haben, ihnen nicht diese Last haben nehmen zu können (was natürlich nicht ihre Aufgabe ist und auch gar nicht bewältigbar wäre, das macht es ja für sie als Kinder selbst so tragisch).
    Es gibt ganz gute Literatur darüber. Da hast Du sicherlich auch einiges schon gelesen, so wie es klingt, wenn Du darüber schreibst.


    Viele Grüße
    Mawa

  • guten morgen mawa,


    Zitat


    Es werden "eingeschliffene" Nervenverbindungen aufgelöst und neue Nervenbahnen werden geknüpft. Das passiert, indem der Stress (durch die Angst, Ohnmacht, Wut, Verzweiflung...), den man beim Erinnern an das Trauma erlebt, reduziert wird. Das geschieht, indem der Therapeut vorher sehr stabilisierend gearbeitet hat, durch die Augenbewegungen oder anderes, was das Zusammenarbeiten beider Gehirnhälften stimuliert und indem für das Leben heute Alternativen herangezogen werden.


    das buch "embodiment" von maja storch und anderen geht in eine ähnliche richtung:
    http://www.ismz.ch/3.html
    möglicherweise gibt es da auch durch die aufmerksamkeit, die man durch die beschäftigung mit dem problem erhält, auch schon einen gewissen placebo-effekt. schlussendlich zählt aber nur, dass es hilft :-)


    Zitat


    Wenn er keinen Kontakt möchte, muss er das sagen. Ich mag den Kontakt zu ihm, also bleibe ich.


    an dieser stelle befinde ich mich auch grad. von seiten des (vermuteten) bä herrscht derzeit schweigen. trotz vorherigen versicherungen, wie wichtig ich ihm bin und dass er mich nicht verlieren will.
    mir geht es besser, wenn ich nicht das gefühl habe, die liebe für ihn in mir abtöten zu müssen, ich fühle mich wohler, wenn ich meine gefühle zulassen kann. deshalb melde ich mich alle paar tage mal, auch um ihm zu sagen, dass ich noch da bin für ihn.
    manchmal denke ich allerdings, dass ich ihn damit belästige. aber wie du schon schreibst, wenn er auch diesen kontakt nicht mehr will, dann muss er das aktiv sagen.
    ich will nicht gegen meine wünsche und bedürfnisse arbeiten, nur weil ich befürchte, dass das, was ich tue, ihm vielleicht nicht recht sein könnte!


    liebe grüsse


    zahir

    Spock: You mistake my choice not to feel as a reflection of my not caring, while I assure you the truth is precisely the opposite.
    (Star Trek Into Darkness)

  • Zitat von Mawa


    Ratsuchend, darf ich fragen, wie sich der Schmerz, den Du von Deiner Mutter übernommen hast, sich mit ihrem Tod auch mit auflöste in Dir? Das betrifft mich nicht, aber ich kenne einige Menschen, die so wie Du das Trauma übertragen bekamen bei großer Nähe, die aber nach dem Tod des Elternteils weiter darunter leiden, da sie schmerzt, dass die Angst / der Schmerz ihr Elternteil bis in den Tod begleitete und sie ihnen ein glücklicheres Leben gewünscht hätten. Und auch, weil sie Schuldgefühle haben, ihnen nicht diese Last haben nehmen zu können (was natürlich nicht ihre Aufgabe ist und auch gar nicht bewältigbar wäre, das macht es ja für sie als Kinder selbst so tragisch).
    Es gibt ganz gute Literatur darüber. Da hast Du sicherlich auch einiges schon gelesen, so wie es klingt, wenn Du darüber schreibst.
    Viele Grüße
    Mawa


    Ich habe über die letzten zehn Jahre mit meiner Mutter über ihre Kriegserlebnisse gesprochen. Dadurch habe ich ihre Verhaltensweisen immer besser verstanden. Ich denke, hätte ich nur einen Bruchteil davon ertragen müssen, wäre ich zerbrochen (Flucht bei Minus 20 Grad übers Eis, jahrelange russische Kriegsgefangenschaft etc.). Durch die Gespräche hat sie sich Erleichterung verschaffen können. Und eine besonders schreckliche Schilderung hat mich getriggert. Heute weiß ich, dass ich diesen Schmerz von ihr übernommen hatte. Mein Therapeut meinte, diese Nähe hat auch was mit Neuronen-Spiegelung zu tun. Ihren Tod empfand ich als sehr heilig, als würde sie für ihre schweren Erlebnisse zumindest im Tod belohnt. Und ab da kam ich verstärkt mit Literatur zum Thema in Verbindung - unsichtbare Führung? Ich verstand immer mehr: Symbiosetrauma, transgenerationale Weitergabe, Kriegsenkel etc. Wir haben aber auch über ihr Altwerden und den Tod gesprochen. Als sie ging, war alles gesagt. Ich hatte mich schon vor Jahren bei ihr für alles bedankt, was sie für mich getan hat.


    Den Schmerz habe ich in einer Art Ritual an ihrem Grab aufgelöst (und auch durch innere Kind Meditationen). Ich sagte, du bist erlöst und du brauchst nun niemanden mehr, der deine Last für dich mit trägt. Und seitdem ist an dem Platz, wo ich diesen Schmerz gefühlt habe, eine Art Leere, die nun mit etwas positivem gefüllt werden kann. Klingt vielleicht etwas esoterisch, aber durch das, was ich seitdem erlebt habe, weiß ich, dass es nicht für alles eine Erklärung gibt - und es dennoch geschieht.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Hallo zusammen,

    Zitat

    Mein Thema ist transgenerationale Weitergabe. Hat auch was mit Neuronen-Spiegelung und extremer (emotionaler) Nähe zu meiner Mutter zu tun. Ihr Schmerz wurde meiner (Projektion / Introjektion). Ihre Traumata wurden meine Traumata.


    Das ist doch ein ganz natürlicher vorgang, daß man gefühle und verhaltensweisen von eltern übernimmt. Das gibt es doch schon bei tieren. Höhere lebewesen lernen das „überleben“ von eltern und / oder von anderen älteren artgenossen. Ein baby lernt automatisch die muttersprache seiner bezugsperson. Ein katzenbaby von seiner mutter das mäusefangen. Dieses „abschauen“ ist doch instinktiv so programmiert. Sonst würden baby-menschen oder –tiere immer babyverhalten beibehalten. Wenn die hundemama angst zeigt, wird das hundebaby vor dieser situation auch angst haben. Und wenn deine mutter irgendeine situation als traumatisch empfunden hat, hast du sie selbst auch als traumatisch „gelernt“. Es werden also ganz instinktiv gefühle übernommen. Von seinen eltern abschauen und lernen (auch gefühle, denn diese sind ja der auslöser von verhalten) ist doch eigentlich überlebenswichtig.


    Und als jugendlicher, wenn der kontakt zu den eltern nicht mehr so intensiv ist, sondern auch kontakte zu anderen menschen vermehrt geknüpft werden, schaut und lernt man auch von den anderen personen (z. b. großeltern, lehrer, usw). sonst wären wir ja alle exakte kopien im verhalten unserer eltern. Aber wenn man als erwachsener merkt, daß das verhalten der eltern ungünstig war, kann man ja dagegensteuern.

    Zitat

    wie man ein Kind bindungslos/-unfähig/-ängstlich macht. Hart wie Krupp-Stahl und ohne eigenen Willen sollte der perfekte Soldat geformt werden,


    was zu damaliger zeit sicher zum teil auch überlebenswichtig war. Aber eben im 21. jahrhundert in unserer kultur nicht mehr. Meine erziehung „was nicht zum tod führt, dient der abhärtung“ hat mir sicher auch viele vorteile gebracht. Daß ich eben nicht gleich bei kleinigkeiten aufgebe. Vieles geschafft haben, wo mir gesagt wurde, das schaffst du nie. Diesen profit aus meiner erziehung werde ich auch beibehalten. Aber dieses verhalten ist eben nicht in jeder situation angebracht.

    Zitat

    Würde es nicht süchtig machen, wäre es "die Lösung". Natürlich ändert es nichts an den Ursachen, aber man fühlt die Angst nicht mehr. Und ich hatte Panikattacken über Stunden, dachte ich muss sterben.


    Hört sich super an, angst nicht mehr fühlen zu müssen. Aber abhängigkeit ist ein zu großer preis dafür. Ich kenne das, ich habe normalerweise keine starken panikattacken, aber mir reicht schon zahnarztangst. So was kann einem tage versauen. Kannst du nicht so ne art kompromiss eingehen? Du legst dir das medikament griffbereit in deine hausapotheke. Solltest du die angst irgendwann mal gar nicht mehr aushalten können, ist das medikament schon da. Allein das wissen, daß hilfe greifbar ist, hilft bei mir oft schon. Da wird die angst schwächer, leichter ertragbar. Oder hoch dosierte baldrian-präparate. Wenn man richtig angst hat, helfen die nicht wirklich, aber bei mir wurde die angst zumindest ein kleines bisschen abgemildert. Und schon 5 oder 10 % weniger panik ist doch ein gewinn.


    Die links zum thema emdr werde ich mir heute mal in ruhe anschauen. Vielen Dank.


    Soviel jetzt erst mal von mir.


    Lg
    Mary

  • Hallo zahir!


    Zitat von zahirch

    mir geht es besser, wenn ich nicht das gefühl habe, die liebe für ihn in mir abtöten zu müssen, ich fühle mich wohler, wenn ich meine gefühle zulassen kann.

    Du musst nichts abtöten, was Du nicht abtöten willst. Für mich wäre auch eine grausige Vorstellung, alles wegmachen zu müssen, was war. Manche gehen den Weg, dass sie nach einer Trennung nur noch Wut empfinden und denjenigen innerlich oder auch anderen gegenüber schlecht machen. Das finde ich persönlich grausig und wäre kein Weg für mich. Das wäre nur passend, wenn jemand etwas sehr Schwerwiegendes verbrochen hat.
    Natürlich darf man auch wütend sein. Das finde ich auch ganz gesund. Das bedeutet ja nicht, die Liebe in Frage zu stellen. Es gibt ja aber vieles, was man an dem anderen Menschen sehr mag. Warum sollte man dies negieren? Es ist doch etwas sehr Schönes. Und wenn es in der Beziehung auch viel Verbindendes gab, so muss man dies nicht im Nachhinein klein reden. Was leider sein kann - dass es sich nicht weiter fortset zen lässt. Das ist hart und traurig. Es bleibt aber immer das, was war.


    Zitat von zahirch

    deshalb melde ich mich alle paar tage mal, auch um ihm zu sagen, dass ich noch da bin für ihn.
    manchmal denke ich allerdings, dass ich ihn damit belästige. aber wie du schon schreibst, wenn er auch diesen kontakt nicht mehr will, dann muss er das aktiv sagen.

    Das meinte ich ein wenig anders. Ich bezog mich auf die Zeit, in der wir Kontakt hatten und ich in den ersten Monaten öfter einmal wegflitzte, weil ich Angst hatte, er könnte mich nicht mögen oder ich sei ihm zu viel - obwohl er mir keinen Anlass gab, dies anzunehmen. Das habe ich dann gut geschafft zu ändern mit der Einstellung "wenn er nicht möchte, muss er es sagen - ich will den Kontakt, also bleibe ich".
    Anders sieht es jetzt aus, nachdem er den Kontakt abgebrochen hat. Da wir schon mehrmals wieder in Kontakt wieder gekommen sind, möchte ich es gern wieder versuchen, da mir zumindest an einer Freundschaft sehr viel liegt. Daher schreibe ich ihm immer einmal wieder. Doch da bin ich schon im Zweifel, ob das okay ist von mir oder ob ich damit eine Grenze überschreite.


    Viele Grüße
    Mawa

  • Hallo Ratsuchend!


    Zitat von Ratsuchend

    Ich habe über die letzten zehn Jahre mit meiner Mutter über ihre Kriegserlebnisse gesprochen. Dadurch habe ich ihre Verhaltensweisen immer besser verstanden. Ich denke, hätte ich nur einen Bruchteil davon ertragen müssen, wäre ich zerbrochen (Flucht bei Minus 20 Grad übers Eis, jahrelange russische Kriegsgefangenschaft etc.). Durch die Gespräche hat sie sich Erleichterung verschaffen können. Und eine besonders schreckliche Schilderung hat mich getriggert. Heute weiß ich, dass ich diesen Schmerz von ihr übernommen hatte. Mein Therapeut meinte, diese Nähe hat auch was mit Neuronen-Spiegelung zu tun. Ihren Tod empfand ich als sehr heilig, als würde sie für ihre schweren Erlebnisse zumindest im Tod belohnt. Und ab da kam ich verstärkt mit Literatur zum Thema in Verbindung - unsichtbare Führung? Ich verstand immer mehr: Symbiosetrauma, transgenerationale Weitergabe, Kriegsenkel etc. Wir haben aber auch über ihr Altwerden und den Tod gesprochen. Als sie ging, war alles gesagt. Ich hatte mich schon vor Jahren bei ihr für alles bedankt, was sie für mich getan hat.


    Den Schmerz habe ich in einer Art Ritual an ihrem Grab aufgelöst (und auch durch innere Kind Meditationen). Ich sagte, du bist erlöst und du brauchst nun niemanden mehr, der deine Last für dich mit trägt. Und seitdem ist an dem Platz, wo ich diesen Schmerz gefühlt habe, eine Art Leere, die nun mit etwas positivem gefüllt werden kann. Klingt vielleicht etwas esoterisch, aber durch das, was ich seitdem erlebt habe, weiß ich, dass es nicht für alles eine Erklärung gibt - und es dennoch geschieht.


    Seitdem ich, durch die Familiengeschichte meines Freundes aufgerüttelt, begann, mich mehr damit auseinanderzusetzen, sehe ich, wie viele Kinder von Menschen, die im Krieg traumatisiert wurden, aber auch wie viele Kinder, von denen ein Elternteil Täter war, heute selbst davon sehr im Leben geprägt sind. Ich habe seither viel darüber gelesen und Gespräche geführt. Ich denke, dass dies sehr, sehr oft übersehen wird und nur sehr wenige Menschen ahnen, wie sehr dies geprägt hat.


    Dass Du mit Deiner Mutter so viel darüber gesprochen hast, das finde ich sehr wichtig und gut. Das geht leider zwischen vielen nicht. Die Spiegelneuronen-Erklärung ist die biologische Sicht auf die Empathie. Jedes Gefühl hat ja im Körper eine biochemische Reaktion. Dass Du diese Empathie hast, das finde ich sehr wertvoll. Ich denke nicht, dass der Weg sein sollte, stärker abzustumpfen. Das gibt es leider schon zu viel und führt zu Schlimmem. Finde viel wichtiger, sich die Empathie zu erhalten und gleichzeitig sich selbst zu stärken. Sodass Empathie nicht dazu führt, selbst vom Leid erdrückt zu werden. Das kann alles andere als einfach sein. Es ist auch für mich selbst eine wichtige Lebensaufgabe.


    Dann konnte Deine Mutter sehr friedlich von dieser Welt gehen und mit einem guten Gefühl auch zwischen Euch? Ich glaube, dann kann ich verstehen, was Du damit meinst, dass Du ihren Tod als heilig empfunden hast.
    Bei meinem Freund verlief das Leben seiner Mutter und wie sie starb leider ganz anders. Für ihn wurde so mit ihrem Tod die Traumatisierung noch schlimmer. :cry:


    Liebe Grüße
    Mawa

  • Zitat von Mawa


    Du musst nichts abtöten, was Du nicht abtöten willst. Für mich wäre auch eine grausige Vorstellung, alles wegmachen zu müssen, was war. Manche gehen den Weg, dass sie nach einer Trennung nur noch Wut empfinden und denjenigen innerlich oder auch anderen gegenüber schlecht machen. Das finde ich persönlich grausig und wäre kein Weg für mich. Das wäre nur passend, wenn jemand etwas sehr Schwerwiegendes verbrochen hat.
    Natürlich darf man auch wütend sein. Das finde ich auch ganz gesund. Das bedeutet ja nicht, die Liebe in Frage zu stellen.


    hallo mawa,


    es geht mir nicht darum, weg zu machen, was war. sondern aktuell nicht mehr zu fühlen, was unerwünscht scheint.
    ich vermute dass ich dieses verhalten in der kindheit gelernt habe. dass meine gefühle und emotionen damals von meiner mutter als hauptbezugsperson nicht angenommen und wertgeschätzt wurden. und ich als folge lernte, gefühle, von denen ich annahm, dass sie unerwünscht sein könnten, nicht mehr auszuleben.
    in diesem zusammenhang finde ich die geschichte von ratsuchend sehr spannend. ich fand es immer eine schwierige vorstellung, meiner mutter die "schuld" dafür zu geben. ich bin sicher, sie hat getan, was sie konnte. aber vielleicht konnte sie es auch nicht besser, weil sie es selber nie erfahren durfte.
    wut zu zeigen fällt mir schwer. da kommt dann die befürchtung auf, wegen der wut abgelehnt und fallen gelassen zu werden. möglicherweise auch eine kindheitserfahrung, da bin ich mir nicht sicher.


    Zitat von Mawa

    Ich bezog mich auf die Zeit, in der wir Kontakt hatten und ich in den ersten Monaten öfter einmal wegflitzte, weil ich Angst hatte, er könnte mich nicht mögen oder ich sei ihm zu viel - obwohl er mir keinen Anlass gab, dies anzunehmen. Das habe ich dann gut geschafft zu ändern mit der Einstellung "wenn er nicht möchte, muss er es sagen - ich will den Kontakt, also bleibe ich".
    Anders sieht es jetzt aus, nachdem er den Kontakt abgebrochen hat. Da wir schon mehrmals wieder in Kontakt wieder gekommen sind, möchte ich es gern wieder versuchen, da mir zumindest an einer Freundschaft sehr viel liegt. Daher schreibe ich ihm immer einmal wieder. Doch da bin ich schon im Zweifel, ob das okay ist von mir oder ob ich damit eine Grenze überschreite.


    meiner meinung nach spielt es nicht eine sehr grosse rolle, in welcher phase man schreibt.
    der gedanke dahinter ist doch irgendwie der selbe: stört das, was ich tue, das gegenüber, wird ihm das zuviel und bricht er deswegen den kontakt (länger bzw. dauernd) ab? und damit zusammenhängend die eigene bewertung: bin ich nicht gut genug? bin ich für andere eine belastung?
    das lässt dann ausser acht, dass das schweigen beim gegenüber vielleicht aus reiner überforderung geschieht und mit einem selber gar nichts zu tun hat.
    bei uns gibt es keine von einer seite ausgesprochene kontaktsperre.
    da bleibt viel interpretationsspielraum, wenn auf eine kontaktaufnahme einfach keine reaktion erfolgt...


    liebe grüsse


    zahir

    Spock: You mistake my choice not to feel as a reflection of my not caring, while I assure you the truth is precisely the opposite.
    (Star Trek Into Darkness)

  • Zitat von Mawa


    Dass Du mit Deiner Mutter so viel darüber gesprochen hast, das finde ich sehr wichtig und gut. Das geht leider zwischen vielen nicht. Die Spiegelneuronen-Erklärung ist die biologische Sicht auf die Empathie. Jedes Gefühl hat ja im Körper eine biochemische Reaktion. Dass Du diese Empathie hast, das finde ich sehr wertvoll. Ich denke nicht, dass der Weg sein sollte, stärker abzustumpfen. Das gibt es leider schon zu viel und führt zu Schlimmem. Finde viel wichtiger, sich die Empathie zu erhalten und gleichzeitig sich selbst zu stärken. Sodass Empathie nicht dazu führt, selbst vom Leid erdrückt zu werden. Das kann alles andere als einfach sein. Es ist auch für mich selbst eine wichtige Lebensaufgabe.


    Dann konnte Deine Mutter sehr friedlich von dieser Welt gehen und mit einem guten Gefühl auch zwischen Euch? Ich glaube, dann kann ich verstehen, was Du damit meinst, dass Du ihren Tod als heilig empfunden hast.
    Bei meinem Freund verlief das Leben seiner Mutter und wie sie starb leider ganz anders. Für ihn wurde so mit ihrem Tod die Traumatisierung noch schlimmer. :cry:


    Liebe Grüße
    Mawa


    Meine Mutter hat mir schlimme Dinge erzählt, die eine Frau normalerweise keinem Mann erzählt. Und plötzlich war es mir, als liege ein offenes Buch vor mir. Ich verstand plötzlich ALLES. Warum sie so war, wie sie war. Warum sie nicht anders sein konnte.


    Ich und meine Geschwister hatten Körperkontakt mit ihr, als sie den letzten Atemzug tat. Ich hatte das Empfinden, sie würde abgeholt. Ich sagte zu ihr, wir lassen dich nun gehen, du wirst erwartet. Wenige Minuten später hörte sie sanft auf zu atmen. Es war, als stünde die Zeit still. Der Raum war wie von Energie erfüllt. Ich kann nicht alle meine Empfindungen schildern, weil es auch als Spinnerei abgetan werden kann - aber wir alle hatten das gleiche Empfinden. Wir alle haben in dem Moment die Angst vor dem Tod verloren. Wir hatten kurz vor und nach ihrem Tod Dinge erlebt, die im Nachhinein Sinn machen. Der Tod hatte sich still angekündigt. Vom Alter war er zu erwarten gewesen, aber so plötzlich dann doch nicht. Rückblickend hatte ich ähnliche Erfahrungen kurz vor dem Tod nahestehender Menschen und Tiere - ich denke, das hat wirklich was mit meiner Empathie zu tun. Und dies wird mir immer deutlicher. Glücklicherweise ist mein Therapeut diesbezüglich sehr aufgeschlossen, da er auch Hospizbetreuung macht.


    Mein Muster der VA war gekoppelt mit einem Helfersyndrom - so dass ich mir das Leid anderer Leute, mir nahestehender Leute "gern" zu eigen machte. Auch davon konnte ich mich etwas lösen.


    Ich möchte dahin kommen, dass ich meine Empathiefähigkeit behalte, dabei aber gleichmütig, gelassen - nicht gleichgültig - bleibe. Bislang habe ich mich zu sehr in Leid ziehen lassen. Der Anfang ist gemacht.


    Und es ist nicht so, dass ich denke, gut, dass meine Mutter tot ist. Nein, ich vermisse sie. Aber erst durch ihren Tod konnten wir Kinder Dinge in uns erkennen und auflösen. Spät zwar, aber nicht zu spät. Und ich bin an diesen Dingen gereift, wie mir einige Leute gesagt haben.


    Ich hab' gut reden, denn ich habe das "schöne" Gesicht des Todes sehen dürfen. Ich bin mir bewusst, dass der Tod auch eine "hässliche" Seite hat - und damit ist natürlich kein einfacher Umgang möglich. Und ich habe schon als Säugling dieses "hässliche" Gesicht sehen müssen. Und habe 25 Jahre gebraucht, um es erlösen zu können in einem Traum, der bis dato ein Alptraum, ein immer wiederkehrender Alptraum war.


    Wäre für deinen Freund eine Familienaufstellung sinnvoll? Hat er jemand, mit dem er darüber reden kann? Ich denke, das ist sehr wichtig, dass er damit nicht allein bleibt.

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Hallo mawa, hallo alle zusammen,

    Zitat

    Ich kann mir gut vorstellen, dass eine Therapie, die nicht stabilisierend genug ist, immer wieder es nur verschlimmert, wenn dann über das Trauma gesprochen wird. Waren das denn Therapeuten, die auf Traumatherapie spezialisiert waren, Mary? Und hast Du zu ihnen Vertrauen gehabt, haben sie Dir genug Sicherheit dort geben können?


    Keine ahnung, auf was die therapeuten spezialisiert waren (teilweise sind die therapien ja auch schon jahre her). Ich ging halt einfach zur psychotherapie. Sowohl bei psychotherapeuten, als auch bei ärzten und heilpraktikern, habe ich oft das gefühl, daß die einem einfach eine staindard-0815-therapie überstülpen. So nach dem motto: das hat schon 100 anderen geholfen, also wird’s ihr auch helfen. Da wird nicht auf den patienten eingegangen. Mein letzter psychologe hat mir ängste angedichtet, die ich nicht mal ansatzweise habe. dafür hatte er von ba keine ahnung. Da hat er dann geschickt davon abgelenkt und ein anderes thema aufgegriffen. Und als ich ihn mal drauf angeredet hab, ist er pampig geworden. So nach dem motto: „du hast gefälligst diese ängste zu haben, bei denen ich mich auskenne“. Oder sich über meine ängste lustig gemacht.


    Allerdings war er der 1., der das wort „trauma“ erwähnt hat. Ein anderer hat in einem vorgespräch mal erwähnt, daß das, was meine mutter gemacht hat, ja regelrecht kindsmißhandlung ist. das hab ich vorher nie in betracht gezogen. Als kleinkind findet man ja alles normal und gut, was die eltern so machen. Später hab ich dann schon realisiert, daß das verhalten meiner eltern nicht gut war. Aber trauma oder kindsmißhandlung kam mir nie in den sinn.


    Mein vertrauen in ärzte, psychologen und heilpraktiker ist erschüttert. Ein teil von denen macht doch alles,nur damit der rubel rollt. Der patient ist da nebensache. Hauptsache er stirbt nicht unter der behandlung weg, das könnte ja ärger geben. Und mein früherer heilpraktiker hat ganz bewusst mein leben aufs spiel gesetzt, nur um an die behandlung zu kommen, und gute kohle zu verdienen. Der wollte mir eine lebenswichtige behandlung ausreden, nur damit er mich falsch weiterbehandeln kann. Ich habe leider schon einige fehldiagnosen im leben hinnehmen müssen. Zum glück nie mit anhaltenden folgen.


    Auf jeden fall danke für die guten links zu emdr. Habe ich mir durchgelesen. Hört sich echt interessant an. werde meine neue therapeutin fragen, ob sie davon schon mal was gehört hat. Nen versuch ist es wert.


    Fühlst du dich jetzt stärker, besser, ausgeglichener durch die stabilisierung? War deine frühere therapie eher zukunftsorientiert oder wurde da auch in der kindheit rumgewühlt? Wie ist es dir da ergangen?


    Woher kommt denn, daß du so wenig selbstbewußtsein hast, und dich nicht für liebenswert hältst? Meine eltern haben mir immer zu verstehen gegeben, daß ich nichts wert sei, und alles an mir falsch. Das hat bei mir genau das gegenteil ausgelöst. Daß ich stinkesauer bin, wenn wer meine gute eigenschaften nicht erkennt. und wenn sie gesagt haben, „das schaffst du nicht“, dann habe ich mich erst recht reingekniet. Und ihnen dann ganz arrogant unter die nase gerieben: „und ich bin besser als ihr. Ich habe euch übertroffen“.

    Zitat

    nicht genug Selbstvertrauen hatte, gemocht werden zu können


    bei mir ist es die angst, untergebuttert zu werden. Und das, obwohl ich sehr wehrhaft bin. kurios, oder? Ich schaue mich zwar nach nem passenden mann um, aber wenn was passendes auftaucht, flüchte ich meist nach 2 oder 3 treffen. Ich würge praktisch ne beziehung ab, bevor sie überhaupt begonnen hat.

    Zitat

    weil er so unheimlich viel Wissen hat, ob ich mithalten kann,


    intelligenz ist nicht alles, er mag dich, sonst wäre er nicht mit dir zusammen (gewesen). Vielleicht bist du besonders humorvoll, warmherzig. Du weißt sicher selbst am besten, welche eigenschaften andere an dir schätzen. Mein lebenspartner muß nicht intelligent sein, intelligent bin ich selber (war in der schule immer eine der besten, und da bin ich mächtig stolz drauf). Aber er muß treu, zuverlässig und humorvoll sein. einfach nett. Mich hat meine intelligenz im leben nicht unbedingt weitergebracht. Mir wäre ein besseres geschick im umgang mit menschen lieber. Aber da bin ich am üben und lernen.


    Lg
    Mary

  • Hallo zahir!


    Es ist auch ohne zu verurteilen möglich Dir selbst zu sagen, "das hat mir nicht gut getan als Kind". Wichtiger als Schuld zu geben, finde ich zu erkennen, das tut nicht gut und was brauchst Du stattdessen, damit es Dir gut gehen kann und wie kannst Du das erreichen.


    Viele Grüße
    Mawa

  • Hallo Mary!


    Ich stelle mir eine Linie vor: links der Pol steht dafür, total untergebuttert zu werden, rechts der Pol dafür, über jemandem zu stehen. Mal der für Dich schlimmste Fall: Du würdest total untergebuttert. Was wäre denn dann? Und warum kannst Du nicht beim nächsten Mal z. B. auch in der Mitte sein: nicht untergebuttert, aber auch nicht andere übertrumpfen müssen. Oder noch ganz anders: in einem Miteinander mit anderen. Und es gibt doch so unheimlich vieles, wo es auch gar nicht auf Leistung ankommt - z.B. auch diese kleinen Dinge im Leben, von denen Du geschrieben hast neulich, dass sie Dir wichtig sind und dass Du das sehr schön findest, so etwas zu sehen.


    Ich habe mich sowohl mit der Vergangenheit als auch mit der Gegenwart befasst, viele Schicksalsschläge mit ihr zusammen durchgestanden. Ich hatte, als ich vor Jahren eine Therapeutin suchte, bei mehreren je eine Probestunde, aber es passte nicht zusammen. Bis ich dann zu ihr kam. Da wusste ich gleich: Sie ist es. Sie ist für mich ein ganz wichtiger Mensch geworden, wie eine Wegbegleiterin, ein Mensch, zu dem ich ein ganz großes Vertauen aufbauen konnte wie ich es vorher nicht kannte. Das ist für mich ein großes Geschenk und mit Abstand die allerwichtigste Erfahrung für mich, wie wichtig, das lässt sich kaum erahnen. Ansonsten: Selbstbewusster geworden, offener - beides sicherlich nicht wie jemand, der ganz andere Startbedingungen ins Leben hatte, aber viel mehr als ich es früher war und viel weiter gegangen als so manch einer, der andere Startbedingungen hatte. Und vor allem überhaupt die Kraft immer wieder gefunden, durchzuhalten, obwohl immer wieder Schicksalsschläge kamen. Gelernt, etwas besser auf mich aufzupassen (z. B. mir wenigstens eine halbe Stunde Auszeit zu nehmen mal zum Kraft tanken).


    Bei der Arzt- und Therapeutenwahl schaue ich genau hin. Ich bin für eine Angehörige und mich selbst wegen Erkrankungen darauf angewiesen, dass gut behandelt wird und musste leider erfahren, wie schlimm vieles bei Ärzten, Therapeuten und in Kliniken läuft - aber auch, wie gute es gibt. Das kann man jedoch nur merken, wenn man sich selbst sehr informiert und genau hinschaut. Meine Erfahrung (und die vieler, die ich aus der Selbsthilfe kenne) ist, dass ein Therapeut oder Arzt, der gut damit klar kommt, einen informierten Patienten vor sich zu haben, der auch nachhakt und der die Behandlung nicht als etwas ansieht, was mit ihm gemacht wird, sondern was Arzt und sie/er gemeinsam für sein Leben / seine Gesundheit tun, oft auch die sind, die fachlich am kompetentesten sind.
    Bei der Therapeutensuche würde ich nie einfach der Reihe nach Nummern aus dem Telefonbuch anrufen oder nur schauen, wer hat die Praxis um die Ecke, sondern immer vorab mich genau informieren, was für eine Therapie möchte ich selbst, kann ich mir vorstellen (bei mir war es Verhaltenstherapie, ich wollte keine Psychoanalyse), ob die-/derjenige sich auch gut auskennt mit den Problemen, die ich habe, überlegen, ob ich zu einem Mann oder zu einer Frau gehen möchte oder ob mir das egal ist, ob ich eher mit jemandem klar komme bei der Therapie, der jünger, gleichaltrig oder älter ist oder ob mir das egal ist und dann ganz genau schauen, ob die Chemie stimmt, z. B. dabei auch Fragen stellen zum Vorgehen oder wie die-/derjenige mit einer bestimmten Situation umgehen würde in der Therapie, die mir wichtig ist. Ich hatte in den Probestunden Therapeutinnen, die guckten mich völlig erschrocken an als sie etwas von meiner Lebensgeschichte hörten. Wie hätten sie mich je auffängen sollen? Oder andere lehnten Schritte, die ich gegangen war und die wichtig waren und bei denen ich später von meiner Therapeutin unterstützt wurde, völlig ab. Oder sie wirkten abweisend oder zu betüttelnd. Ich schreibe das, weil ich glaube, dass eine Therapie nur so gut sein kann, wie die therapeutische Beziehung funktionieren kann (das ist auch wissenschaftlich ganz oft belegt, aber auch meine Erfahrung) und weil ich Dir Mut machen will, bei der Therapeuten-, aber auch bei der Arztsuche lieber etwas länger zu suchen und ganz genau hinzuschauen, Dir vorher Gedanken zu machen und dann aber jemanden zu finden, mit dem Du wirklich gut arbeiten kannst in der Therapie oder auch in der medizinischen Behandlung bei Ärzten aler Fachrichtungen, die Du brauchst. Das ist für mich die wichtigste Erkenntnis aus jahrelanger Selbsthilfeerfahrung, dass ich da nicht einfach mehr zu jedem x-beliebigen Arzt trabe und Behandlung bei mir nur noch als Miteinander stattfindet. Lohnt sich! :)


    Viele Grüße
    Mawa