Von absolut hoffnungslos, zu langjähriger Nähe und Vertrauen

  • Liebe Forumsmitglieder,


    nachdem ich mich hier durch so viele Lebensgeschichten gelesen habe, möchte ich euch gerne meine erzählen. Dieses Mal ohne eine euphorische Empfehlung für meine Therapeutin ;-) Wer einen Coach in Hannover sucht, findet meinen Therapeutentipp in der entsprechenden Therapeutenliste.


    Wie so viele von euch, habe ich mehrere Therapien hinter mir. Die erste hatte ich mit Ende 20. Drei Jahre Gesprächstherapie. Damals wußte ich natürlich noch nichts über BA. Ich hatte nur das Gefühl, dass ich "irgendwie nicht richtig" bin. Meine Beziehungen waren ein einziger Kampf. Wenn mich ein Mann wirklich mochte, dann tat ich alles, um ihn zu vergraulen, weil ich seine Zuneigung/Gefühle nicht annehmen konnte. :( Die Therapie war "nett", aber trotz der ganzen Erkenntnisse, dass ich eine besch.... Kindheit hatte, die mich geprägt hat, kam ich nicht wirklich in meinen Beziehungen voran. Wenn es nicht gerade Männer waren, die wirklich "normal" und liebevoll waren und ich sie vergraulte, hatte ich einen ausgeprägten Hang für echte BA Pflegefälle. Die zweite Therapie folgte, als ich 36 J. alt war. Inzwischen war ich verheiratet. Allerdings aus purer Verzweiflung, weil ich irgendwann dachte, dass dieser ganze Spuk doch mal ein Ende haben musste. Also nahm ich den nächsten BA, der dieses Mal absolut introvertiert war (ich verdurstete mit allem...), so dass ich innerhalb kürzester Zeit totunglücklich und depressiv war. Noch immer wusste ich nichts von BA. Die Therapie war wieder "nett". Jede Menge neue Erkenntnisse, aber ich konnte sie nicht ins Leben umsetzen. Ich hockte mit all diesem Wissen da und freute mich zunächst. Dachte, dass alleine die ganzen neuen Dinge, die ich über mich wusste, mein Leben verändern würden... müssten... könnten. Pustekuchen! Heute weiß ich, dass Therapeut eben nicht gleich Therapeut ist! Es folgte die Scheidung und weitere BA-Kämpfe mit anderen Männern. Einer von ihnen schenkte mir dann das Buch "Jein!". Ich habe es geradezu verschlungen. Und dann wusste ich, was zu tun war: ich las alles, was ich fand, über BA, Selbstwert (inneres Kind) und über negative Glaubenssätze. Ich besuchte Seminare, ging zu regelmäßigen Treffen und nahm dieses Mal nicht die erstbeste Therapeutin, sondern fragte herum, wer richtig anleitet... arbeitet... die Klienten führt. Mich also nicht mit all den (theoretischen) neu gewonnenen Erkenntnissen alleine lässt, sondern mich an die Hand nimmt und mir zeigt, was ich damit machen kann, um Beziehung anders zu gestalten. Wobei das zunächst gar nicht wichtig war. Ich lernte meine negativen Glaubenssätze ins Positive umzukehren. Bekam ein ganz anderes Gefühl zu mir und für mich. Wurde selbstsicherer und als dann mein jetziger Lebenspartner in mein Leben trat, war die BA Angst zwar noch immer massiv da und alle Mechanismen, die ich ja SCHON IMMER praktiziert hatte, kamen hoch. Ich dachte damals... o.k. - Theorie und Praxis. Jetzt kommt´s drauf an! :mrgreen: Das erste, was ich anders machen konnte, weil ich ja endlich wusste, wo mein Problem liegt, war, dass ich meinem Freund sagte, dass ich BA habe und nicht wisse, ob ich die jemals so erfolgreich in den Griff bekommen würde, dass unsere Beziehung eine Chance hat. In den Monaten danach lernte er lebhaft kennen und spüren, wovon ich da geredet hatte... :oops: Aber ich hörte nicht auf an mich zu glauben und kämpfte, was das Zeug hielt. Ich arbeitete - gemeinsam mit Frau Neuschulz - an mir und mein Freund tat alles, um mich zu unterstützen. Ohne, dass er sich dabei verbog oder zum Kasper machte. Er verfügte damals bereits über Bindungssicherheit und ein gutes Selbstwertgefühl. Deshalb fiel es ihm leicht, all meine Attacken nicht persönlich zu nehmen. Er wusste ja - ich meinte gar nicht ihn! Er war - in diesem Fall durch meine Kindheit geprägt - meine Vaterprojektion. Wir lernten zu kommunizieren; ich insbesondere Ängste auszusprechen und Gefühle zu spüren. Woher kannte ich diese Gefühle? Was lösten sie aus? Wie und wo fühlte ich sie?
    Aber es war nicht nur meine Beziehung, die sich veränderte. ICH veränderte mich. Ich mochte mich immer mehr. Und auch der Umgang mit anderen Menschen wurde anders. Denn meine BA beschränkte sich nicht nur auf Männer. ich war jahrelang nicht in der Lage, überhaupt zu irgend einem Menschen eine richtige Bindung aufzubauen. Nie wußte ich, warum ich mich immer wieder entzog oder Beziehungen zu Freundinnen/Kollegen etc. im Sande verlaufen ließ. Heute weiß ich es und kann euch sagen, dass das Erlernen von Beziehungs-/Kontaktpflege noch immer nicht ganz einfach für mich ist. ;-)
    Heute lebe ich ein (fast) ganz normales Leben. Wir sind seit einigen Jahren ein Paar. Es fühlt sich warm, wohlig und rund an so geliebt zu werden. Ich kann seine Liebe annehmen und freue mich jeden morgen, wenn ich neben ihm aufwache. Die BA zu bewältigen, hat Jahre gedauert. Meine Therapeutin sagte einmal, dass ich nicht erwarten könne, dass das, was ich über 30 Jahre praktiziert habe, in zwei Jahren wieder weg sei. Sie hat natürlich recht. Es ist, als müsste ich in meinem Hirn/Gefühlsbereich die ganzen Trampelpfade, die ich durch immer wieder erneutes darübertrampeln, neu erschaffen. Neue Wege gehen... neue Trampelpfade schaffen. Meine Gehirnwindungen neu programmieren. Das dauert ein wenig, ist aber - wie ihr seht - nicht unmöglich und ich kann euch nur Mut machen! Wenn ihr ganz tief in euch wisst, dass ihr lieber dauerhaft zu zweit, als ständig alleine sein möchtet, dann gebt nicht auf, an euch zu glauben. Und wenn es mit den ersten beiden Therapeuten nicht geklappt hat, dann waren es vielleicht nicht der Therapeut, der für dich in diesem Lebensabschnitt der richtige war. Gebt nicht auf... sucht weiter und holt euch die Hilfe, die ihr verdient habt. Denn niemand von uns kann etwas für diese BA! Wir sind letztendlich diejenigen, die es ausbaden müssen, dass in unserer Kindheit oft folgeschwere Glaubenssätze auf uns niederprasselten. Jeder von uns ist es wert geliebt zu werden. Und ich glaube ganz fest daran, dass du das auch schaffst!


    :flower:

    Lass dir von Menschen mit zu kleinem Horizont nicht erzählen, dass deine Träume zu groß sind.

  • Zitat von staphysagria

    Die BA zu bewältigen, hat Jahre gedauert. Meine Therapeutin sagte einmal, dass ich nicht erwarten könne, dass das, was ich über 30 Jahre praktiziert habe, in zwei Jahren wieder weg sei. Sie hat natürlich recht. Es ist, als müsste ich in meinem Hirn/Gefühlsbereich die ganzen Trampelpfade, die ich durch immer wieder erneutes darübertrampeln, neu erschaffen. Neue Wege gehen... neue Trampelpfade schaffen. Meine Gehirnwindungen neu programmieren. Das dauert ein wenig, ist aber - wie ihr seht - nicht unmöglich und ich kann euch nur Mut machen!


    Freut mich zu lesen, dass du Erfolg hast. Dein Zitat kann ich bestätigen. Ich arbeite mit meinem Therapeuten auch an der Umprogrammierung meiner negativen, über Jahre angeeigneten Automatismen im Denken, Handeln und Fühlen.
    Vielleicht ist folgender Link von Interesse: http://de.wikipedia.org/wiki/Neuropsychotherapie

    "Vergiss nicht, der Zaun, mit dem du dich vor anderen schützen willst, umschließt auch dich"

  • Ja und so wie sie es beschreibt empfinde ich es auch. Das Hirn muss neue Pfade lernen und das geht nur mit der Zeit und selbst dass ist es eine Entwicklung und kein Moment in dem plötzlich alles anders wird. Man tut so viel unbewusst dazu. Ist vielleicht erst mal kein schöner Gedanke, aber damit hat man es auch in der Hand es zu ändern.